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RISIKO MANAGER 20.2015

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26 Ausgabe 20/2015 siert

26 Ausgabe 20/2015 siert werden sollten. Diese Risikoszenarien werden anschließend in einem Gruppenworkshop durch die zuvor befragten Personen bezüglich der drei Parameter Schadensausmaß, Eintrittswahrscheinlichkeit und Reputationseinfluss bewertet, um eine Priorisierung zu erhalten. In der zweiten Phase im Risikomanagement, der Maßnahmenanalyse, werden zu jedem Risiko eine Risikostrategie erarbeitet und zentrale aktuelle sowie vorgeschlagene neue Maßnahmen aufgenommen. Bei dieser Analyse werden Experten der Organisationsabteilungen hinzugezogen und zu der aktuellen Situation befragt. In einer erneuten Gruppenentscheidung der Geschäftsleitung werden die aufgenommenen Maßnahmenpläne diskutiert und verabschiedet. Die dritte Phase des Risikomanagementprozesses besteht aus der Implementierung und Dokumentation sämtlicher Resultate. Mithilfe eines Tools kann der Prozess über die folgenden Jahre fortgeführt werden, und der Stand der Maßnahmen sowie der Trend der Risiken werden regelmäßig überwacht. Die Geschäftsleitung wird dadurch über den Verlauf der Organisationsrisiken informiert und kommt jedes Jahr erneut zu einem Gruppenworkshop zusammen, um die Risiken und Maßnahmen gemeinsam zu analysieren. Die IBC führte den Risikomanagementprozess in drei Phasen innerhalb von drei Monaten ein. Bei der IBC handelt es sich um eine selbstständig öffentlich-rechtliche Anstalt, die für die Energie- und Wasserversorgung der Region Chur zuständig ist. Die Versorgung umfasst Planung, Projektierung, Bau, Betrieb und Unterhalt von Anlagen für die Produktion, den Transport und die Verteilung sowie die Bereitstellung von Energie und Trinkwasser. Neben der Versorgung mit Strom, Erdgas und Wasser ist die IBC im Contracting, in Energieanalysen, Engineering sowie Bau und Betrieb von Anlagen tätig. Sie ist verantwortlich für die Betriebsführung des Kraftwerks Chur Sand, der Erdgasversorgung Bündner Rheintal AG sowie der Fernwärme Chur AG. Bei der IBC wurden 13 leitende Mitarbeiter inklusive der gesamten Geschäftsleitung zur Analyse der Organisationsrisiken interviewt. Die daraus resultierende Risikoliste beinhaltet 21 Risikoszenarien, die in vier externe, elf operative und sechs strategische Risiken kategorisiert sind. Die Mitglieder der Geschäftsleitung bewerteten die Szenarien anonym in einem Gruppenworkshop, und die Bewertungen wurden anschließend diskutiert. In erneuten Einzelinterviews wurden mit den zuvor festgelegten Risikoeignern präventive und reaktive Maßnahmen analysiert und in einem Maßnahmenkatalog strukturiert. In einem zweiten Workshop wurden der gewünschte Risikoumgang (Risiko akzeptieren / Risiko vermindern) von der Geschäftsleitung festgelegt und die einzuführenden Maßnahmen verabschiedet. Abschließend wurden alle Informationen in ein Excel-Tool mit Risikotrendanalyse und Überwachung der Maßnahmenstati integriert. Der Prozess soll nun im jährlichen Rhythmus fortgeführt werden und somit eine kontinuierliche Risikoüberwachung für die Geschäftsleitung gewährleisten. Gruppenentscheidungen im Risikomanagement In den beiden Analysephasen des Risikomanagements – der Risikoanalyse und der Maßnahmenanalyse – bilden Gruppenentscheidungen das Fundament des Prozesses. Entscheidungen bezüglich der Priorität der Risiken sowie der Relevanz und Eignung der Maßnahmen werden jeweils von der Gruppe gemeinsam gefällt. Verschiedene Theorien zeigen, dass die Gruppe „intelligenter“ entscheidet als das Individuum, obwohl es in der Forschung auch einige wenige kritische Stimmen gegenüber der Theorie der „Gruppenintelligenz“ gibt. Zum größten Teil findet die Theorie jedoch Unterstützung. In der Forschung zeigt sich, dass insbesondere drei Bedingungen erfüllt sein müssen, damit die Gruppe zu besseren Entscheidungen kommt als das Individuum. Zunächst muss auf die Diversität in der Gruppenzusammensetzung geachtet werden. Des Weiteren müssen die Teilnehmer unabhängig voneinander entscheiden können, und zuletzt sollte eine gleichberechtigte Aggregation der unabhängigen Meinungen stattfinden. Werden diese Bedingungen erfüllt, können vor allem Kognitionsprobleme, wie sie im Bereich Risikomanagement auftreten, von der Gruppe besser als vom Individuum gelöst werden. Kognitionsprobleme sind Probleme, welche das Abschätzen einer Lösung zulassen, oder Lösungen existieren, welche einem Optimum nahe kommen. Genau solche Probleme entstehen für das Individuum bei der Risikoanalyse, wenn die Parameter Schadensausmaß, Eintrittswahrscheinlichkeit und Reputationseinfluss bestimmt werden müssen. Solange es sich nicht um sehr seltene Ereignisse handelt, besteht eine Lösung, entweder in absoluten Zahlen oder in Form einer Rangliste der Risiken. Deshalb ist es erforderlich, dass die Gruppe, welche den Gruppenentscheid herbeiführt, aus Personen mit unterschiedlichen Ansichten und Erfahrungen zusammengesetzt ist. Somit erhält man verschiedene Ansichten über das Problem, das bewertet werden soll, und systematische Beeinflussungen in eine bestimmte Richtung können verhindert werden. Der Grad und die Art der Erfahrungen von Einzelpersonen beeinflussen die Risikoeinschätzung, weshalb die Gruppe sowohl aus Experten als auch aus Laien zusammengesetzt sein sollte. Laien tendieren dazu, Risiken zu überschätzen, Experten dagegen unterschätzen sie häufig. Werden die Einschätzungen von einer gemischten Gruppe vorgenommen, so gleichen sich diese Effekte aus, und man erhält einen aggregierten, besseren Wert. Um verschiedene Ansichten zu einem Problem zu erhalten, müssen diese natürlich erst einmal geäußert werden. Deshalb ist es wichtig, dass die Teilnehmer des Gruppenentscheidungsprozesses voneinander unabhängig sind. Nur so kann die freie Meinungsäußerung gewährleistet und eine systematische Beeinflussung der Meinung in eine Richtung verhindert werden. Bei der Durchführung von Workshops zur Risikoanalyse sollte daher darauf geachtet werden, dass voneinander unabhängige Personen daran teilnehmen, die sich innerhalb der Organisation auf einer Hierarchiestufe bewegen. Beispielsweise muss bei Diskussionen innerhalb der Geschäftsleitung darauf geachtet werden, dass die Gruppenmitglieder nicht von einer dominierenden Person beeinflusst werden. Bei der IBC wurde diesen Aspekten Rechnung getragen, indem leitende Mitarbeiter aus verschiedenen Unternehmensbereichen bei der Risikoanalyse einbezogen wurden. Die identifizierten Risiken wurden von den Gruppenmitgliedern unabhängig voneinander betrachtet und daraufhin individuell bewertet. Hierzu wurde eine Bewertungssoftware verwendet, mit der jeder Teilnehmer der Gruppe anonym und unbeeinflusst seine Stimme abgeben konnte, die jeweils gleichermaßen zählte. Die eigentliche Entscheidung der Gruppe ergibt sich abschließend aus der Zusam-

27 Anzeige menführung der einzelnen Ansichten aller Gruppenmitglieder. Diese muss ohne Gewichtung und gleichberechtigt erfolgen, um eine unverfälschte Aggregation zu erhalten. Insbesondere das arithmetische Mittel stellt eine gute Möglichkeit dar, um Gruppenmeinungen zusammenzufassen. Bei der Einschätzung eines Individuums geht man davon aus, dass diese jeweils aus dem „wahren“ Wert und einem Fehler zusammengesetzt ist. Wenn man nun annimmt, dass die einzelnen Fehler der individuellen Schätzungen voneinander unabhängig sind und wegen der unterschiedlichen Ansichten gleichmäßig um den „wahren“ Wert verteilt sind, gleichen sich die individuellen Fehler wieder aus, solange man eine ausreichende Anzahl von Einzelmeinungen einbezieht. Durch das arithmetische Mittel erhält man so eine zufriedenstellende Annährung des „wahren“ Werts. Bei den Gruppenworkshops im Risikomanagement kann man dies erreichen, indem man zur Risikobewertung rund fünf bis zehn Personen befragt und daraus den Mittelwert berechnet. Entscheidend ist dabei eine präzise Beschreibung des zu bewertenden Risikos, da ansonsten die Meinungen zu stark voneinander abweichen. Der Faktor Mensch bei der Risikowahrnehmung Um Gruppenentscheidungen im Risikomanagement effizient nutzen zu können, müssen grundlegende menschliche Faktoren bei der Risiko- und Maßnahmenanalyse von vornherein beachtet werden. Daraus ergeben sich dann sowohl die Vorgehensweisen bei den Einzelgesprächen und den Gruppenworkshops als auch die dabei verwendeten Instrumente. Die Risikoidentifikation Befragt man Mitarbeiter nach den Risiken, die sie in ihrem Bereich oder allgemein für die Organisation sehen, werden zunächst immer externe Risiken genannt. Dies ist der Fall, da Risiken als etwas Negatives wahrgenommen werden und die Ursachen vom Individuum somit im externen Umfeld gesucht werden. Schaut man sich jedoch Unternehmen an, welche Konkurs gegangen sind, sind etwa 80 Prozent aufgrund von internen Risiken gescheitert. Zusätzlich können bei internen Risiken viel effizienter Maßnahmen gegen die Ursache eingeleitet werden. Hierzu gehören beispielsweise Szenarien, wie schwache strategische Entscheide, Überexpansion und misslungene Akquise oder dominante CEOs sowie Gier und Übermut. Auch Fehler in der internen Kontrolle sowie wenig effektive Aufsichtsräte können katastrophale Auswirkungen haben. In einer Organisation sind es also die Faktoren Wachstum, Veränderung, Führung und Erfolgskultur, die bei gesunder Entwicklung zum Erfolg führen. Im Risikomanagement ist es daher erforderlich, sowohl externe als auch interne Risiken gleichermaßen zu beachten und die Mitarbeiter der Organisation daraufhin zu sensibilisieren. Im Fall von externen Risiken werden Das Abo für Risikomanagement-Profis Ihr Jahresabo: Mehr Wissen plus Webinar › › Sichern Sie sich ein Jahr lang die Fachzeitschrift RISIKO MANAGER für 372,00 €.* Plus die Teilnahme an einem Webinar.** Einfach bestellen unter: www.bank-verlag-shop.de * zzgl. Versand und MwSt. ** Webinar aus dem Hause der Bank-Verlag GmbH.

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