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RISIKO MANAGER 19.2015

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6 Ausgabe 19/2015

6 Ausgabe 19/2015 MiFID-2-Richtlinie (Richtlinie 2014/65/ EU zur Regelung von Finanzanalysen und Informationen über Wertpapierdienstleistungen) genannt], bleibt noch einiges zu tun, damit Anleger mehr Informationen über sonstige Unternehmen erhalten, insbesondere über kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Umfangreichere, qualitativ hochwertige Informationen über KMU können Anlegern bei der sorgfältigen Prüfung von Kreditrisiken helfen und das gewünschte Anlegervertrauen aufbauen. Zu den wichtigsten Ankündigungen der jüngsten Zeit, was umfassendere und bessere Informationen über Kreditrisiken von KMU betrifft, zählen die Pläne des Rates der Europäischen Zentralbank (EZB) zum Aufbau eines europäischen Kreditregisters, in dem granulare Daten zum Kreditengagement des nichtfinanziellen Sektors erfasst werden. Dieses auch als AnaCredit bezeichnete Kreditregister wird eine einheitliche europäische Plattform bieten, auf der sich Nutzer einen umfassenden Überblick über die Kreditrisiken und die Verschuldung von KMU im Euro-Währungsgebiet verschaffen können. Grundlegende Merkmale von AnaCredit „AnaCredit“ steht für „Analytical Credit System“. Ziel des Projekts ist der Aufbau eines Kreditregisters auf europäischer Ebene, in dem granulare Daten zu den Kreditrisiken im nichtfinanziellen Sektor erfasst werden. Ausgangspunkt des Projekts war eine im Jahr 2012 durchgeführte Studie, aus der hervorging, dass ein harmonisiertes europäisches Kreditregister von erheblichem Nutzen für ein breites Spektrum von Zentralbankanalysen wäre. Ausgehend von dieser Studie beschloss der EZB-Rat 2014, die Vorbereitungsmaßnahmen zur Schaffung von AnaCredit offiziell einzuleiten. AnaCredit wird voraussichtlich Anfang 2018 an den Start gehen und alle Länder des Euroraums einschließen. Andere Staaten, die nicht zum Euro-Währungsgebiet gehören, können sich aber jederzeit auf freiwilliger Basis ebenfalls beteiligen. Es ist vorgesehen, dass die Kreditinformationen nicht direkt bei den berichtspflichtigen Instituten erhoben, sondern von den nationalen Kreditregistern übermittelt werden. Derzeit gibt es in acht der 19 Staaten des Euroraums kein nationales Kreditregister. Auf diese acht Länder entfallen etwa 16 Prozent der Bilanzsumme aller Banken im Eurogebiet. Konkret bedeutet dies, dass in jedem Land des Euroraums bis zum Start von AnaCredit im Jahr 2018 nationale Lösungen zur Meldung dieser Daten an AnaCredit gefunden werden müssen. Zu den Nutzern von Ana- Credit werden Zentralbanken, Bankenaufsichtsbehörden und Banken zählen. Aus Gründen der Vertraulichkeit werden die Individualdaten zu einzelnen Kreditnehmern nicht öffentlich zugänglich sein. Für AnaCredit wird der übliche Rechtsrahmen für Kreditregister mit allen damit verbundenen Beschränkungen des Datenzugriffs gelten. Darüber hinaus wird die Meldung von Kreditinformationen durch Kreditinstitute an die nationalen Kreditregister vollständig harmonisiert – ein deutlicher Fortschritt gegenüber den derzeit völlig unterschiedlichen Vorschriften in den einzelnen Ländern. So müssen etwa Banken in Portugal Kreditdaten zu Einzelkrediten ab 50 Euro melden, während deutsche Banken Kreditdaten erst melden müssen, wenn die Gesamtverbindlichkeiten des Kreditnehmers den Betrag von 1,5 Mio. ¤ erreichen. Mit AnaCredit wird eine einheitliche Meldeschwelle von 25.000 ¤ je Kreditnehmer eingeführt. Sobald diese Schwelle erreicht ist, sind granulare Daten zu den Verbindlichkeiten des Kreditnehmers auf Ebene der Einzelkredite an das nationale Kreditregister zu melden, das diese seinerseits an AnaCredit weiterleitet. Ebenfalls angeglichen werden die Meldeintervalle der einzelnen Länder sowie die Art der zu meldenden Daten und die maßgeblichen Zeitplan und Merkmale – Stand: Juli 2015 Stufe 1 ---------------- Anfang 2018 Definitionen. Dabei ist hervorzuheben, dass auch der Ausfall eines Kreditnehmers gemäß der Ausfalldefinition nach Basel II festzustellen und zu melden ist. Dies wird dazu beitragen, eine angemessene und konsistente Analyse der Kreditrisiken von KMU zu gewährleisten. AnaCredit wird stufenweise eingeführt (t Abb. 01). In einer 2018 beginnenden Anfangsphase sind zunächst nur Daten zu nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften zu melden. Somit werden KMU von Beginn an erfasst. Ab Mitte 2020 sollen dann auch Daten zu Immobilienkrediten privater Haushalte und zu Krediten von Einzelunternehmen erhoben werden, allerdings anonymisiert. Da Einzelunternehmen auch Kleinstunternehmen sein können, werden alle KMU mit einem Kreditrisiko über 25.000 ¤ vollständig in AnaCredit erfasst. Die EZB und die nationalen Zentralbanken des Euroraums erarbeiten derzeit eine Verordnung, in der diese und andere Anforderungen an die Datenerhebung ausführlich dargelegt werden. Gleichzeitig ist auch die technische Infrastruktur für die Datenbank in Vorbereitung. Umfassendere Informationen über den KMU-Sektor in Europa mithilfe von AnaCredit Zwischen den einzelnen Ländern bestehen erhebliche Unterschiede im Hinblick auf die Wirtschaftssektoren, in denen KMU tätig sind, was die Leistungsfähigkeit der Unternehmen und die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen betrifft, um nur einige Dimensionen zu nennen. Darüber hinaus ist auch das Kreditgeschäft Stufe 2 ---------------- Mitte 2019 Stufe 3 ---------------- Mitte 2020 Instrument Kredite (auf Einzelkreditebene) + Immobilienkredite an private Haushalte und Kredite an Einzelunternehmen Kreditnehmer Nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften + Private Haushalte Meldepflichtige Institute Einzelne Banken + Bankengruppen konsolidert Meldeschwelle Quelle: EZB. 25.000 EUR (je Kreditnehmer) t Abb. 01

7 mit KMU heterogen. Häufig werden Kredite von großen Banken gewährt, die in der Lage sind, idiosynkratische Risiken zu streuen. Ein nicht unerheblicher Teil der Kredite wird jedoch von kleineren Banken und insbesondere Genossenschaftsbanken vergeben, vor allem, wenn die KMU lokal stark verankert sind. Ein europäisches Kreditregister mit granularen Daten zu Krediten und näheren Angaben zu den Kreditnehmern (etwa Größe, Sektor, Bilanzsumme) würde wesentlich zu einem besseren Verständnis dieses sehr heterogenen Universums von Firmen beitragen – ein Universum, das im Euroraum mehr als 99 Prozent aller Unternehmen umfasst, die 60 Prozent der gesamten Umsatzerlöse erwirtschaften und 70 Prozent der Arbeitnehmer beschäftigen. Gegenwärtige Datenquellen für Kredite an KMU Ein europäisches Kreditregister mit granularen Daten zu europäischen KMU wird Risikomanagern, Ökonomen und anderen Nutzern zweifellos ein besseres Instrument zur Erforschung und Analyse des KMU-Sektors an die Hand geben. Gleichwohl stehen bereits sehr granulare Kreditinformationen zur Verfügung, nämlich durch die im Eurosystem seit 2012 für Asset-Backed Securities (ABS) bestehenden Meldepflichten auf Einzelkreditebene. Demnach müssen für jedes verbriefte Darlehen, sofern die Transaktion EZB-fähig ist, detaillierte Informationen übermittelt werden. Die Daten sind über das European DataWarehouse (EDW) öffentlich zugänglich. Das EDW ist als unabhängiger markteigener Dienstleister für die Speicherung, Verarbeitung, Prüfung und Übertragung dieser Daten zuständig. Derzeit enthält das EDW Daten zu rund 42 Mio. ausstehenden Krediten. Dies entspricht 95 Prozent des Gesamtvolumens der verbrieften Darlehen im europäischen ABS-Markt. Davon entfallen allein 1,3 Mio. Kredite auf KMU. Anhand dieser Daten haben wir in einer interessanten Analyse die Qualität europäischer ABS untersucht – insbesondere jener, die durch Mittelstandskredite besichert sind. Diese Transparenz in Bezug auf die Risikomerkmale der den ABS zugrunde liegenden Kredite und ihre Werthaltigkeit (Ausfall und Zahlungsrückstände sind in den Meldeblättern zu erfassen) hat das Vertrauen in den europäischen ABS-Markt, der lange Zeit von der Subprime-Krise in den USA betroffen war, wieder gestärkt. Daran lässt sich ablesen, wie viel in größerem Maßstab mit einem europäischen Kreditregister erreicht werden kann; schließlich machen die in ABS verbrieften Kredite nur einen kleinen Teil des gesamten Kreditmarkts in Europa aus. Banken, die sich nicht aktiv an Verbriefungsprogrammen beteiligen (wie etwa kleine Banken) gelangen nur schwer an einschlägige Informationen. In dieser Hinsicht wird AnaCredit wesentlich umfassendere Informationen liefern und in seiner Eigenschaft als Kreditregister den gesamten europäischen Kreditmarkt oberhalb der Meldeschwelle von 25 000 ¤ abdecken. q Ausblick und Fazit Aus Zentralbanksicht wird AnaCredit eine Reihe institutioneller Funktionen unterstützen – hierzu zählen unter anderem die Geldpolitik, die Statistik und die Bankenaufsicht. Die EZB verfolgt die Entwicklungen in der Kreditvergabe aufmerksam, um einschätzen zu können, wie sich Zinsbeschlüsse auf die Realwirtschaft auswirken. Nach dem Start von AnaCredit wird die EZB ein genaueres und umfassenderes Bild von der Kreditdynamik in den einzelnen Sektoren, Regionen usw. erhalten. Sie wird zeitnah erkennen, wo und warum der Kreditkanal gestört ist (sei es aufgrund der mit Kreditnehmern verbundenen Risiken oder aus sektorspezifischen Gründen). Da die KMU im Euroraum ein fragmentiertes und heterogenes Universum bilden, werden diese granularen Informationen der EZB helfen, ihre künftigen geldpolitischen Beschlüsse besser darauf abzustimmen. Außerdem wird die EZB das Kreditrisikoprofil von Kreditnehmern – einschließlich KMU –, deren Kredite von den jeweiligen Banken bei ihren geldpolitischen Geschäften mit dem Eurosystem als „Sicherheiten“ eingesetzt werden, besser beurteilen können. Dies ist möglich, weil AnaCredit harmonisierte Risikoindikatoren liefert, beispielsweise zur Ausfallwahrscheinlichkeit und dem Ausfallstatus von Kreditnehmern sowie ihrem Zahlungsverhalten im Zeitverlauf. Geschäftsbanken können in AnaCredit die gleiche Art von Kreditinformationen über ihre Kunden abrufen. Zugleich wird Ana- Credit die Bedingungen vereinheitlichen, die für die Meldungen der Banken im Euroraum an das Kreditregister gelten, denn alle Banken werden den gleichen Meldepflichten unterliegen. Durch den Aufbau von nationalen Kreditregistern oder vergleichbaren Lösungen in denjenigen Ländern, die noch kein Kreditregister führen, wird die Kapazität der betreffenden Banken zur Kreditvergabe an KMU weiter steigen, weil mehr Informationen über bestehende Kreditnehmer verfügbar sind. Dies wiederum wird eine bessere Allokation finanzieller Ressourcen in der Realwirtschaft begünstigen. Wenn durch ein europaweites Kreditregister Informationsbarrieren bei der Beurteilung von Kreditrisiken beseitigt werden, so könnte dies die Integration des Kreditmarkts in Europa vorantreiben und sich damit positiv auf die Realwirtschaft auswirken. Umfassendere und bessere Informationen über Kreditnehmer, anhand derer sich ihr Kreditrisiko überregional besser beurteilen lässt, können den Eintritt in den Kreditmarkt für neue länderübergreifend tätige Akteure attraktiver machen. In einem ansonsten integrierten Raum mit einer einheitlichen Währung, einer einheitlichen Geldpolitik, einem einheitlichen Aufsichtsmechanismus und einem einheitlichen Abwicklungsrahmen sollte es nicht hingenommen werden, dass Märkte aufgrund von Informationsbarrieren fragmentiert bleiben. Für die Allgemeinheit, d. h. wissenschaftliche Einrichtungen, Forschungsinstitute, Anleger und andere Nutzer, die keine Banken sind, werden aggregierte statistische Daten zur Verfügung gestellt. Derartige Statistiken werden sicherlich umfangreich genutzt – nicht nur zu Forschungszwecken, sondern (etwa von Ratingagenturen) auch für die Modellierung von Kreditrisiken. Ana- Credit beinhaltet das Potenzial für eine detailliertere Risikomodellierung für KMU und Unternehmen allgemein sowie für aussagekräftigere europaweite Querschnittsanalysen. Und nicht zuletzt kann die Analyse der Kreditstatistiken für den eigenen Sektor, die entsprechende Unternehmensgröße und die eigene Region den KMU selbst eine nützliche Orientierungshilfe bieten. Autor: Fernando González, Head of the Risk Strategy Division, Europäische Zentralbank (EZB).

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