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RISIKO MANAGER 18.2015

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6 Ausgabe 18/2015

6 Ausgabe 18/2015 Fortsetzung von Seite 1 durch die Höhe der im Betrachtungsjahr ausgezahlten Leistungen (194,9 Mrd. Euro) verdeutlicht wird. Als mit Abstand größter institutioneller Investor in Deutschland, mit einem Buchwert der Assets-under- Management von aktuell gut 1,4 Bill. Euro, fungiert die Versicherungswirtschaft darüber hinaus als primärer Financier der Gesellschaft und stellt mit ihrem Umsatzvolumen nach dem Einzelhandel und vor dem Maschinenbau die umsatzstärkste Branche der Bundesrepublik Deutschland dar. Die Signifikanz der Versicherungswirtschaft im Kontext einer durch Dynamik und Komplexität bestimmten Risikogesellschaft wirft die Notwendigkeit einer granularen Betrachtung von aktuellen und aufkommenden Risiken auf, denen sich Versicherungsunternehmen gegenübersehen. Einen Überblick über die Herausforderungen des Versicherungsmarkts liefert die in t Abb. 01 dargestellte, den Anspruch der Vollständigkeit wahrlich nicht erhebende, Risikolandschaft. Als Primärrisiko der privaten Versicherungswirtschaft wird aktuell das schon seit geraumer Zeit herrschende Niedrigzinsniveau gesehen. Zeigten sich bis vor kurzem noch achtjährige Staatsanleihen mit einer negativen Verzinsung und die als risikofrei geltenden zehnjährigen Bunds dümpelten nahe der Nullprozent-Rendite, so hat der Zins in den vergangenen Wochen einen kurzfristigen Schub von gut 70 Basispunkten genommen – dem Wagnis eines unzureichenden Zinsniveaus wird dadurch kaum abgeholfen. Bedenkt man die aktuellen Durchschnittsgarantien in Lebensversicherungsbeständen von 3,1 Prozent, so erkennt man allein an dieser Produktkategorie garantierter Kapitallebensversicherungen das Risikospektrum einer – politisch durch das Quantitative-Easing-Programm (QE) der EZB forcierten – Niedrigzinssituation. Das QE stellt den bisweilen seit Beginn der Finanzkrise 2008 erreichten Höhepunkt geldpolitischer Interventionen dar; die Notenbanken versuchen seit diesem Zeitpunkt, mittels permanenter Liquiditätszufuhr das Finanzsystem zu stabilisieren. Nachdenklich stimmt hierbei insbesondere, dass sich Experten [Mildner 2012] mittlerweile darüber einig sind, dass der Überhang der durch die amerikanische Zentralbank geschaffenen Liquidität zur Immobilienblase in den USA und somit zum Auslöser der weltweiten Finanzkrise substanziell beigetragen hat. Mögen zwar nach Ausbruch der Finanzkrise weitere Liquiditätsspritzen Bankinstitute global kurzfristig gerettet und Versicherungsunternehmen vor (weiteren) massiven Forderungsausfällen bewahrt haben, stellen jedoch die langfristigen Kollateralfolgen dieser Geldpolitik bei parallel auftretenden, strukturellen Verschiebungen von Angebot und Nachfrage nach Kapital weite Teile des Geschäftsmodells der Assekuranz und auch sonstiger kapitalgedeckter Pensionseinrichtungen infrage [vgl. Sal. Oppenheim 2015]. Die Risikolandschaft der Assekuranz im Überblick t Abb. 01

7 Die Risikolandschaft des Versicherungsmarkts verdeutlicht, dass Risiken für national und international tätige Versicherungsunternehmen aus unterschiedlichsten Bereichen hervorgehen können. Diese werden im Folgenden skizziert und diskutiert. Kapitalmarktentwicklung als Bedingungsrisiko der Versicherungswirtschaft Die traditionell gewachsene, weitgehend unabhängige Steuerung von Aktiv- und Passivseite (sogenanntes sequentielles Asset-Liability-Management) führte zu Produkten mit Zinsgarantien, deren derart langfristige Duration keine fristenkongruente Refinanzierung auf der Aktivseite ermöglichte. Aufgrund des in der Deckungsrückstellungsverordnung (Deck- RückV) vorgesehenen Verfahrens wurde dieses Ziel irrtümlicherweise auch nicht für notwendig gehalten. Eine Begrenzung des Höchstrechnungszinses auf maximal 60 Prozent des historisch gleitenden Staatsanleihezinssatzes (mit AAA-Rating) mit einer Laufzeit von zehn Jahren hielt man für hinreichend sicher bemessen. Letztlich ist der Regulator im bisherigen Solvency-I-Standard implizit von der Prämisse eines mittelfristigen Mean-Reversion-Effekts für den langfristigen Kapitalmarktzins ausgegangen, nicht aber von einer stetigen Reduktion des Langfristzinssatzes. Um die passivseitige Zinsanforderung zu bedecken, können durch Umschichtung in andere Assetklassen grundsätzlich nur Risiken – beispielsweise das Wiederanlage- durch das Volatilitätsrisiko – substituiert, aber nicht vermieden werden. Obgleich jene Aussage erst einmal fatalistisch klingt, muss bezogen auf das einzelne Unternehmen folgerichtig individuell entschieden werden, welches Risiko ökonomisch besser zu tragen ist, sodass auf der unternehmensindividuellen Ebene hierzu ein fundierter Entscheidungsprozess notwendig wird. Auch die Kapitalmarkttheorie stellt dieses neue Umfeld vor Herausforderungen. In der primär im vergangenen Jahrhundert entwickelten und insbesondere mit den Namen Harry M. Markowitz und William F. Sharpe verbundenen Portfoliotheorie, kommt dem Axiom der Übernahme von Kapitalmarktrisiken gegen ein risikoadäquates Entgelt eine zentrale Rolle zu. Die Aufteilung eines Portfolios in einen risikolos verzinsten Anteil und ein mit Risiken behaftetes Marktportfolio ist zur Grundlage der modernen Finanzwirtschaft geworden. Mittels der Sharpe Ratio wird der Preis für die Übernahme von Risiko definiert. Dies setzt allerdings voraus, dass es ein als ausfallsicher angesehenes Kapitalmarktinstrument gibt, das zu Marktkonditionen gehandelt wird. Die aktuelle Geldpolitik bedient sich eines klassischen Transmissionsmechanismus zur Stimulierung der Realwirtschaft: Niedrige Zinsen sollen die Opportunitätskosten von Investoren reduzieren, die entsprechend ihre Investitionen erhöhen. Dabei werden jedoch die regulatorischen und bilanziellen Wirkungen niedriger Zinsen auf institutionelle Investoren wie Versicherungen und Pensionseinrichtungen ignoriert. Regulatorisch führt ein sinkendes Zinsniveau unter Solvency II zu einer Erhöhung der Eigenmittelanforderungen für die Absicherung von Zinsgarantierisiken. Bei gegebenen Eigenmitteln reduziert sich somit das Risikobudget für die Allokation in riskantere Investments wie beispielsweise Aktien oder Infrastrukturinvestments. Bilanziell führt eine marktnahe Bewertung von Pensionsverpflichtungen, die unter IFRS bereits Standard ist, aufgrund des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes sich aber auch unter HGB zunehmend etabliert, zu deren Erhöhung und gleichzeitig zur Reduktion des Eigenkapitals der Trägerunternehmen. Konsequenterweise reduzieren somit Versicherungsunternehmen und Pensionseinrichtungen ihre Allokationen in rendite- und risikoreiche Kapitalanlagen, womit die erzielbaren Überschussrenditen permanent absinken. Auch die aktuellen Diskussionen der EIOPA zu einer Übertragung der Solvency-II-Paradigmen auf die IORP´s (Institutions of Occupational Retirement Provisions) zementieren diese Entwicklung einer langfristigen Verringerung erzielbarer Überschussrenditen. Sozio-demografische Bedingungsrisiken der Versicherungswirtschaft Demografische Entwicklungen stehen im Zusammenhang mit der wirtschafts- und sozialpolitischen Bewegung der Bevölkerung und ihrer Strukturen. Hierunter fallen beispielsweise Entwicklungen von Fertilität und Mortalität, aber auch generelle Veränderungen der Struktur des Bevölkerungsbestands durch Migrations- und Wanderungswellen. Grundsätzlich muss angesichts der weltweiten Entwicklung davon ausgegangen werden, dass es in Zukunft relativ mehr alte als junge und mehr abhängige als erwerbstätige Menschen geben wird. Während die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2009 noch einen Bevölkerungsstand von 81,74 Mio. Einwohnern aufwies, gehen aktuelle Berechnungen der zwölften koordinierten Bevöl kerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamts bei gleichbleibenden Migrationsbewegungen von einem Schwund der Bevölkerung um ein Fünftel bis zum Jahr 2060 aus. Mit 64,65 Mio. Einwohnern wird Deutschland dann rund 17 Mio. Einwohner weniger verzeichnen als noch im Jahr 2009. Zudem geht die prognostizierte Anzahl der Erwerbstätigen für das Jahr 2050 um 6 Mio. auf 36 Mio. zurück. 100 Personen im erwerbsfähigen Alter müssen dann für 61 Personen im Rentenalter sorgen (heute muss die gleiche Zahl Erwerbstätiger vergleichsweise nur für 34 Rentner aufkommen). Diese Entwicklung liegt vor allem in einer niedrigen Geburtenrate begründet – aktuell haben zehn Deutsche durchschnittlich zusammen nur noch sieben Kinder, Tendenz fallend. Die zusammengefasste Geburtenziffer in Deutschland liegt mit aktuell 1,39 Lebendgeburten je Frau auf einem historischen Tief. Zum Erhalt der Bevölkerungszahl wäre hingegen eine Reproduktionsrate von 2,3 erforderlich. Der sich aus der schrumpfenden Bevölkerungszahl für die Versicherungswirtschaft ergebende Effekt besteht in einer geringeren, versicherbaren Risikostückzahl. Eine gegenläufige Maßnahme aus Sicht der Versicherer kann dagegen in der Generierung neuer, alters- und zielgruppenspezifischer Nachfrage bestehender Risiken angesichts erhöhter Risikokenntnis und Risikoempfindung (sogenannte Risk Awareness) bestehen. Der niedrigen Geburtenrate steht gleichzeitig eine sinkende Mortalität gegenüber. Die Lebenserwartung jedes Bundesbürgers steigt im Schnitt jede Woche um einen Tag. So liegt die Lebenserwartung Neugeborener im Jahr 2060 bei 85,0 Jahren für Jungen und 89,2 Jahren für Mädchen. Somit lässt diese positive Erhöhung der Lebenserwartung für die Versicherungswirtschaft das Langlebigkeitsrisiko explodieren. Allein die Anzahl der über 85-Jährigen wird weltweit für das Jahr 2050 auf 175 Mio. geschätzt (im Jahr 2000 zählte diese Bevölkerungsgruppe nur 26 Mio.). Es stellt sich

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