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RISIKO MANAGER 10.2019

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50 RISIKO MANAGER 10|2019 rie. Möglicherweise reicht die Datenhistorie n = 4 Jahre zurück. Dass im zweiten Jahr der Datenhistorie ein Oberleitungsschaden beobachtet wurde, ist gleichbedeutend damit, dass die Zufallsgröße N 2 den Wert 1 annimmt (d. h. N 2 = 1). Liegt die Datenhistorie = (0, 1, 2, 0) vor, so ist dies gleichbedeutend damit, dass die Zufallsgröße N 1 den Wert 0, die Zufallsgröße N 2 den Wert 1, die Zufallsgröße N 3 den Wert 2 und die Zufallsgröße N 4 den Wert 0 annimmt. Aus dem Bayesschen Theorem folgt beispielsweise für die Wahrscheinlichkeit, dass die durchschnittliche jährliche Schadenanzahl zwischen 0 und 1 liegt, wenn die Beobachtung gemacht wurde. (Gleichung 07) Gleichung 07 Mit wenigen mathematischen Umformulierungen ergibt sich die Wahrscheinlichkeitsfunktion der A-posteriori-Verteilung von λ. Für einen konkret gewählten Wert λ 0 als durchschnittliche jährliche Schadenanzahl und einer vorliegenden Beobachtung gilt: Gleichung 08 Die A-priori-Verteilung von λ wird durch die Wahrscheinlichkeitsfunktion f (λ 0 ) beschrieben. Die Funktion f (│λ 0 ) heißt Likelihood für gegeben den Wert λ = λ 0 bzw. Likelihood-Funktion und repräsentiert das Datenmodell. Das Datenmodell enthält alle Informationen, die durch die Auswertung der Stichprobe über den unbekannten Parameter gewonnen werden. Die Beobachtung aktualisiert die A-priori-Verteilung von λ ausschließlich über die Likelihood und resultiert in der A-posteriori-Verteilung von λ, hier dargestellt durch f (λ 0 │). Der Nenner f () hängt nicht vom unbekannten Parameter ab. Es handelt sich um eine konstante Größe, oft als Normierungsfaktor bezeichnet. Der Normierungsfaktor ergibt sich bei diskreten Zufallsgrößen wie N 1 , N 2 , …, N n als Summe über alle möglichen Werte λ 0 für die Zufallsgröße λ . Sind die Zufallsgrößen N 1 , N 2 , …, N n stetig, ergibt sich f () über eine Integration: Diskrete Zufallsgrößen f () = ∑ λ0 P(|λ) . P(λ) Stetige Zufallsgrößen f () =∫ λ0 f (|λ) . f (λ)dλ Unter Berücksichtigung der konstanten Größe f () existiert eine Proportionalität (ausgedrückt durch „ “) zwischen der A-posteriori-Verteilung von λ und der durch die Likelihood aktualisierten A-priori-Verteilung von λ. ( Abb. 04) Folglich können die Parameterunsicherheiten, die sich aus der Punktschätzung ergeben, mit (qualitativen) Informationen über den Parameter zusammengeführt und in Form eines Verteilungsmodells für die nicht messbaren, unbekannten Parameter bei der Quantifizierung des Gesamtrisikos berücksichtigt werden. Für praktische Fragestellungen sind sogenannte konjugierte Verteilungen bedeutsam: Ausgehend von einer Likelihood wird eine sogenannte konjugierte A-priori-Verteilung für den unbekannten Parameter gewählt, sodass die Verteilung vor der Stichprobe und nach Auswertung der Stichprobe vom selben Verteilungstyp ist, lediglich die Größen, die die Verteilungen parametrisieren, unterscheiden sich. Ausgehend von den Verteilungsparametern der A-priori-Verteilung werden diese durch die Stichprobe aktualisiert. Der Einsatz von konjugierten Verteilungen hat den großen Vorteil, dass sich das Bayessche Theorem analytisch lösen lässt und keine Simulationsverfahren notwendig sind. Für die Modellierung von Schadenanzahl und -höhe führen Shevchenko/Wüthrich (2008) folgende konjugierte Paare an: Poisson-Gamma, LogNormal-Normal, Pareto-Gamma. Weitere konjugierte Paare von Verteilungen können beispielsweise Bühlmann/Gisler (2005) entnommen werden. Gleichung 08 Abb. 04 Bayessches Theorem zur Kombination unterschiedlicher Informationen Ergebnis ist eine Neubewertung des Wissens über den unbekannten Parameter – Welche Werte sind nach Erhebung der Daten für λ plausibel? Und wie wahrscheinlich sind sie? A-Posteriori-Verteilung von λ Formulierung des Vorwissens » Welche Werte sind für den nicht messbaren Parameter λ plausibel? » Und wie wahrscheinlich sind die jeweiligen Werte? Likelihood A-Priori-Verteilung von λ Formulierung des Datenmodells » Der Parameter wird als bekannt vorausgesetzt! » Wie wahrscheinlich sind die Daten bei gegebenem Parameter? » Wie sieht die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Daten aus?

OpRisk 51 Abb. 05 Mögliche Gammaverteilungen für den Parameter λ bei Variation der Hyperparameterwerte 50 % Werte für die durchschnittliche Schadenanzahl Werte für die durchschnittliche Schadenanzahl Bestimmung der A-priori- Verteilung für λ Die unbekannte jährliche Schadenanzahl N von Oberleitungsausfällen wird durch eine Poisson-Verteilung mit dem Parameter λ modelliert. Für eine Poisson-Verteilung als Likelihood stellt die Gammaverteilung die konjugierte Verteilung dar und ist zur Modellierung der A-priori-Verteilung von λ geeignet, das heißt: λ ~ Gamma(α; β) Die Gammaverteilung als A-priori-Verteilung für λ wird durch die Größen α und β, die sogenannten Hyperparameter, konkretisiert. Die Größe α ist der formgebende Parameter der Gammaverteilung, wohingegen β als Skalierungsparameter die Gammaverteilung in der Horizontalen streckt oder staucht. ( Abb. 05) Die Verteilung kann sehr flexibel gestaltet und an die jeweiligen Vorinformationen anpasst werden. Die Werte für die Hyperparameter leiten sich hier aus dem Vorwissen über die jährliche Anzahl von Oberleitungsausfällen ab. Die Schätzung der Hyperparameter kann je nach Art des Vorwissens sowohl subjektiv als auch auf Daten basierend erfolgen. Im Folgenden wird anhand zweier Beispiele die Spezifikation der Hyperparameter mithilfe von subjektivem Expertenwissen veranschaulicht: 1. Die Erwartung an den Wert für die durchschnittliche Schadenanzahl wird zunächst formuliert. Der Betriebsleiter schätzt durchschnittlich 1,5 Schäden pro Jahr. Statistisch wird damit der Erwartungswert E[λ] von λ erfasst. Um die Unsicherheit, die aus dieser Aussage über den unbekannten, nicht messbaren Parameter hervorgeht, zum Ausdruck zu bringen, kann eine Aussage über die zu erwartende Variabilität in den möglichen Werten ergänzt werden. Bekannte Maße für die Streuung sind die Varianz bzw. die aus ihr hervorgehende Standardabweichung. Die Varianz ist die durchschnittliche Abweichung zwischen den möglichen Werten und dem Mittelwert E [λ] „zum Quadrat“. Die Interpretation bzw. die (subjektive) Schätzung der Varianz stellt eine Herausforderung dar, da die Kennzahl als absoluter Wert in der quadrierten Einheit „Anzahl 2 “ vorliegt und keinen Bezug zum erwarteten Wert herstellt. Dagegen ist die Angabe der Variabilität in Prozent häufig leichter zu interpretieren. In der aktuariellen Praxis wird Shevchenko/ Wüthrich [vgl. Shevchenko/Wüthrich 2008] folgend der Variationskoeffizient Vco(λ)(= Var(λ)/E[λ]) quantifiziert, der ein Maß für die relative Streuung bezogen auf den Mittelwert darstellt. Der Betriebsleiter schätzt den Vco(λ) auf 50 Prozent, d. h. die durchschnittliche Abweichung der möglichen Werte für λ zum Mittelwert von 1,5 beträgt 50 Prozent. Mathematisch kann die Expertenmeinung in Form von Gleichungen erfasst werden. Dazu wird berücksichtigt, dass eine Gammaverteilung als A-priori-Verteilung von λ gewählt wurde und die Hyperparameter α und β sich aus den Verteilungsparametern Erwartungswert E [λ] und Varianz Var(λ) bestimmen lassen. ( Gleichung 09) Gleichung 09 Die anschließende Lösung dieses Gleichungssystems liefert die Werte für die Hyperparameter α und β, α = 4 und β = 0,375, und spezifiziert folglich die Form bzw. Gestalt der zugrunde liegenden A-priori-Verteilung von λ. (Abb. 06)

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