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RISIKO MANAGER 10.2019

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48 RISIKO MANAGER 10|2019 formationen, beispielsweise einem Unternehmen bereits vorliegende Informationen oder Annahmen über ein Risiko sowie neu gewonnene Beobachtungswerte, zueinander in Beziehung gesetzt. Der „frequentistische Ansatz“, die klassische Statistik, fasst die Wahrscheinlichkeit für ein Ereignis als relative Häufigkeit des Ereignisses in einem (unendlich oft) wiederholten Zufallsexperiment auf. Dagegen basiert der Wahrscheinlichkeitsbegriff des Bayesschen Ansatzes auf subjektiv formulierten oder bekannten objektiven Fakten oder Theorien und eignet sich aus diesem Grund zur Quantifizierung operationeller Risiken. Die „bedingten Wahrscheinlichkeiten“ tragen dem wesentlichen Kriterium der Bayesschen Statistik Rechnung: Subjektives Vorwissen A kann durch (neu) vorliegende Daten B modifiziert werden. Die Wahrscheinlichkeit P(A│B) drückt dabei die Plausibilität des Vorwissens A bei Vorliegen neuer Informationen B aus und kann mithilfe des Bayesschen Theorems bestimmt werden. ( Gleichung 04) mit P(A) Gleichung 04 A-priori-Wahrscheinlichkeit von A, d. h. die Wahrscheinlichkeit für ein Ereignis A ohne weitere (Vor-)Informationen, P(A│B) A-posteriori-Wahrscheinlichkeit von A, d. h. die Wahrscheinlichkeit für das Ereignis A, wenn neue Informationen B vorliegen (man sagt „die bedingte Wahrscheinlichkeit von A unter der Voraussetzung, dass B gültig ist“) P(B│A) Wahrscheinlichkeit für B gegeben A, P(B) Wahrscheinlichkeit für B. Gerade neuartige, schwer zu quantifizierende Risiken, für die weder Erfahrungswerte noch eine Datenhistorie im Unternehmen vorliegen, können mithilfe des Bayesschen Ansatzes modelliert und im Zuge neuer Informationen jederzeit adäquat aktualisiert werden. Angewandt auf einen Risikofaktor wird das subjektive Wissen durch die Hypothese A formuliert. Die Wahrscheinlichkeit der Hypothese wird durch die A-priori-Wahrscheinlichkeit P(A) ausgedrückt. Nun tritt ein Ereignis B, beispielsweise die Beobachtung keines Oberleitungsschadens im nächsten Jahr (interpretiert als Wert „0“), ein. Die so gewonnenen empirischen Daten, formuliert durch das Ereignis B, bestätigen mehr oder weniger die Hypothese A. Die A-posteriori-Wahrscheinlichkeit P(A│B) berücksichtigt die neu gewonnenen Informationen und stellt die Wahrscheinlichkeit für die Hypothese A dar, sofern das Ereignis B beobachtet wurde. Ein fiktives Beispiel zur konkreten Anwendung des Bayesschen Theorems wird für die Schadenhöhe eines Oberleitungsausfalls vorgestellt: Die stochastische Modellierung der Zufallsgröße X „Schadenhöhe je Vorfall“ wird zur einfacheren Handhabung in zwei Ausprägungen unterteilt, einen großen finanziellen Oberleitungsschaden (OS groß ) und einen kleinen finanziellen Oberleitungsschaden (OS klein ). Der Betriebsleiter verdeutlicht, dass die Schadenhöhe von der Ursache des Oberleitungsschadens abhängt und bei der Quantifizierung berücksichtigt werden kann. Gleichfalls erscheint die Analyse der Ursache-Wirkungs-Beziehung vor dem Hintergrund einer anschließenden Risikosteuerung durch ursachenbezogene Maßnahmen zur Risikoreduktion wichtig und notwendig. Folgende Informationen werden vom Risikomanagement für die Quantifizierung aufbereitet: 1. Tritt ein Oberleitungsausfall ein, so beträgt die Wahrscheinlichkeit für einen großen Oberleitungsschaden 0,8, wogegen in 20 Prozent aller Fälle ein kleiner Oberleitungsschaden entsteht. Die Wahrscheinlichkeit P(OS groß ) = 0,8 heißt A-priori-Wahrscheinlichkeit für OS groß , während P(OS klein ) = 0,2 die A-priori-Wahrscheinlichkeit für das Ereignis OS klein bezeichnet. Die Schätzung der Wahrscheinlichkeiten basiert möglicherweise auf einer Datenhistorie. Andererseits kann das Risikomanagement auch auf eine subjektive Schätzung des Betriebsleiters zurückgreifen. Abb. 02 zeigt die A-priori-Verteilung der Schadenhöhe. 2. Die Ursachen eines Oberleitungsschadens werden bereits seit mehreren Jahren dokumentiert. Zur Beziehung zwischen Schadenursache und Schadenhöhe liegen dem Risikomanagement jedoch keine oder nur inkonsistente Informationen aus verschiedenen Quellen vor. Es greift daher auf die Ergebnisse einer externen Statistik zurück. Die Studie eines Verbands für die Verkehrswirtschaft analysiert die Ursachen von Oberleitungsschäden und schafft einen Bezug zu den quantitativen Auswirkungen. Als Hauptursache für Oberleitungsschäden wird das Ereignis V „Fahrzeug mit zu hohen Aufsätzen (beispielsweise Leiter) berührt die Oberleitung“ genannt. Weiter kann aus dieser Studie gefolgert werden, dass in 90 Prozent aller Fälle, in denen ein großer finanzieller Schaden entsteht, ein Fahrzeug mit zu hohen Aufsätzen den Schadenvorfall verursacht hat. Umformuliert handelt es sich um eine bedingte Wahrscheinlichkeit, genauer die Wahrscheinlichkeit, dass das Ereignis V eingetreten ist, wenn ein großer Oberleitungsschaden vorliegt. Mathematisch ausgedrückt handelt es sich um die Wahrscheinlichkeit P(V│OS groß ) = 0,9. Ansonsten gibt es viele andere Ursachen, wie beispielsweise Unwetter oder technische Defekte des Stromabnehmers, die in dem zu V komplementären Ereignis V̅ zusammengefasst werden. Nur in 10 Prozent aller Fälle, in denen ein großer Oberleitungsschaden eingetreten ist, wurde dieser durch andere Ursachen verursacht (mathematisch formuliert P(V̅│OS groß ) = 0,1). Das Eintreten eines kleinen Oberleitungsschadens ist nur in 15 Prozent aller Fälle auf den Straßenverkehr, also das Ereignis V, zurückzuführen, d. h. es gilt P (V│OS klein )=0,15 und P(V̅│OS klein ) = 0,85. Zunächst kann die Wahrscheinlichkeit bestimmt werden, dass der Straßenverkehr den Oberleitungsschaden verursacht, ohne weiteres Wissen über die Wirkung vorauszusetzen. In Abhängigkeit der vorliegenden Schadenhöhe kann die Wahrschein-

OpRisk 49 lichkeit, die sogenannte „totale Wahrscheinlichkeit des Ereignisses V“, gemäß Gleichung 05 berechnet werden. Gleichung 05 Bei 75 Prozent der Oberleitungsausfälle verursacht der Individualverkehr den Schaden. Nur in 25 Prozent liegen andere Ursachen einem Schaden zugrunde. Somit besitzt auch die Zufallsgröße „Ursache eines Oberleitungsschadens“ eine Wahrscheinlichkeitsverteilung. Im Laufe des Jahres ereignet sich ein weiterer Oberleitungsausfall. Als Ursache wird das Ereignis V beobachtet. Die Anwendung des Bayesschen Theorems berücksichtigt nun diese neue Information und erlaubt die Bestimmung der A-posteriori-Wahrscheinlichkeit für OS groß . (Gleichung 06) Gleichung 06 Die A-posteriori-Wahrscheinlichkeit P(OS groß |V) ermöglicht, dem Wissen über die Wahrscheinlichkeit eines großen Oberleitungsschadens neue Informationen hinzuzufügen: Wie wahrscheinlich ist ein großer Schaden, wenn die Ursache V sich realisiert hat? Es wurde beobachtet, dass Individualverkehr einen Oberleitungsausfall verursacht, was zu einer wachsenden Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines großen Schadens (von 0,8 auf 0,96) führt. Bei Vorliegen des Ereignisses V nimmt die Plausibilität eines kleinen Oberleitungsschadens ab, die A-posteriori-Wahrscheinlichkeit für OS klein beträgt 0,04. Die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Zufallsgröße „Oberleitungsschaden je Vorfall“ bei Eintritt der Ursache V ist gegeben durch P(OS groß │V) = 0,96 und P(OS klein │V) = 0,04 und heißt A-posteriori-Verteilung der Schadenhöhe. (Abb. 02) Die A-posteriori-Verteilung der Schadenhöhe geht aus einer Kombination der A-priori-Verteilung der Schadenhöhe und der Wahrscheinlichkeit der (historischen) Daten hervor. Allgemeiner wird P(B│A) als Likelihood, auch Likelihood-Funktion, bezeichnet. Die Likelihood ordnet jeder Hypothese B ihre Eintrittswahrscheinlichkeit bei Vorliegen des Ereignisses A zu. Vom Bayesschen Theorem zur Modellierung von Parameterunsicherheiten Die klassische Statistik liefert basierend auf Daten Schätzwerte für die nicht direkt messbaren Parameter λ, μ und σ². Der wahre, aber unbekannte Wert, den beispielsweise der Parameter λ annimmt, existiert immer, wird jedoch nur sehr selten durch den statistischen Schätzer oder durch eine subjektive Expertenschätzung tatsächlich wertmäßig getroffen. Jede Bestimmung des unbekannten Parameters λ, der durchschnittlichen jährlichen Anzahl von Oberleitungsausfällen, weist einen Schätzfehler auf. Tatsächlich ist der Parameter λ unbekannt, sodass in der Praxis i. d. R. mehrere Werte für die Wahl von λ plausibel erscheinen. Daher wird der Parameter λ als Zufallsgröße bzw. -variable aufgefasst. Ausgangspunkt für die Modellierung der Parameterunsicherheit sind nun die infrage kommenden „wahrscheinlichen“ oder „plausiblen“ Werte für die durchschnittliche jährliche Schadenanzahl. Die Zuordnung von Wahrscheinlichkeiten erlaubt, die Parameterunsicherheit mithilfe einer Wahrscheinlichkeitsverteilung für λ zu modellieren. (Abb. 03) Die Wahrscheinlichkeiten repräsentieren nach Gleißner „den Grad des Vertrauens einer Person“ [Gleißner 2014] in die jeweils infrage kommenden Werte für den nicht messbaren Parameter λ. In der Bayesschen Statistik wird der Parameter λ als Zufallsgröße modelliert, wobei der Bayessche Ansatz einen Lernprozess erlaubt, indem er die Kombination unterschiedlicher Informationen ermöglicht. In der beispielhaften Ausgangssituation, der Quantifizierung eines jährlichen Oberleitungsschadens, bildet das (subjektive) Vorwissen des Betriebsleiters das anfängliche Wissen über die durchschnittliche jährliche Schadenanzahl. Das Vorwissen ist ohne weitere interne oder externe Informationen die beste Vorhersage. Die Plausibilisierung der theoretisch möglichen Werte erfolgt durch die vorhandenen (qualitativen) Vorinformationen, die unabhängig von der Existenz von Beobachtungswerten vorliegen, indem durch den Experten Wahrscheinlichkeiten hinterlegt werden – der Parameter λ besitzt einen Bereich theoretisch möglicher Werte, aber nicht alle Werte sind unbedingt gleich gewichtet. So wird die durchschnittliche jährliche Anzahl von Oberleitungsausfällen, der unbekannte Parameter λ, selbst als Zufallsvariable mit einer Wahrscheinlichkeitsverteilung aufgefasst. (Abb. 03) Die aus dem Vorwissen resultierende Verteilung für λ wird als A-priori-Verteilung von λ bezeichnet. Liegen im ersten Jahr der Quantifizierung bereits historische Jahresdaten zu Oberleitungsausfällen vor, so kann eine ergänzende Datenanalyse erfolgen. In der Folge verändert sich ggf. der Glaube an mögliche plausible Werte für λ. Beispielsweise erscheint eine mittlere Schadenanzahl von 1 nach der Datenanalyse wahrscheinlicher als die Werte 4 oder 5. Die Verteilung, die die zusammengeführten Informationen berücksichtigt, heißt A-posteriori-Verteilung von λ. Für die Bestimmung der A-posteriori-Verteilung von λ wird eine Stichprobe von Zufallsgrößen N 1 , N 2 , …, N n vom Umfang n betrachtet. Beispielsweise repräsentiert die Zufallsgröße N 1 die jährliche Schadenanzahl im ersten Jahr der Datenhisto-

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