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RISIKO MANAGER 10.2019

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RISIKO MANAGER ist das führende Medium für alle Experten des Financial Risk Managements in Banken, Sparkassen und Versicherungen. Mit Themen aus den Bereichen Kreditrisiko, Marktrisiko, OpRisk, ERM und Regulierung vermittelt RISIKO MANAGER seinen Lesern hochkarätige Einschätzungen und umfassendes Wissen für fortschrittliches Risikomanagement.

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44 RISIKO MANAGER 10|2019 und nachvollziehbar zusammengeführt werden können. Sie stellt wissenschaftliche Methoden zur Verfügung, die die Zusammenführung qualitativer Informationen aus Experteninterviews und quantitativer Informationen aus Datenanalysen „objektivieren“ und Transparenz über die Herleitung eines Risikomodells schaffen. Um die Möglichkeiten der Bayesschen Statistik darzustellen, werden zunächst an einem Praxisbeispiel die Methoden der klassischen Statistik aufgezeigt, die bei der quantitativen Beschreibung eines operationellen Risikos zum Einsatz kommen (der sogenannte „frequentistische Ansatz“ zur Risikomodellierung). Die mit der Risikomodellierung einhergehende Schätzunsicherheit wird aufgezeigt und die Anwendung des „Bayesschen Ansatzes“ in die Risikomodellierung implementiert. ( Abb. 01) Klassische Statistik in der Risikoquantifizierung Im weiteren Verlauf wird ein fiktives kommunales Verkehrsunternehmen betrachtet, dessen Aufgabe der Betrieb von öffentlichem Personennahverkehr (ÖPNV) ist. Unter Betrieb wird die „Gesamtheit aller Maßnahmen eines Verkehrsunternehmens, die der Personen- und Güterbeförderung dienen“ [Verband deutscher Verkehrsunternehmen 2006] verstanden. Der Betrieb eines Verkehrssystems unterliegt einer Vielzahl verschiedener Störeinflüsse wie technischen Störungen, Unregelmäßigkeiten an den Fahrwegen oder Fahrzeugen sowie gefährlichen Ereignissen [vgl. Schnieder 2015]. Andererseits verpflichtet der gesetzliche Rahmen oder zumindest ein Verkehrsvertrag das Verkehrsunternehmen „den genehmigten Betrieb während der Zeitdauer der Genehmigung aufrecht zu erhalten“ [Schnieder 2015]. Das fiktive Verkehrsunternehmen setzt u. a. Straßenbahnen zur Personenbeförderung ein. Im Rahmen der Mittelfristplanung wird das Risiko von Oberleitungsausfällen identifiziert und am entstehenden jährlichen monetären Schaden gemessen. Der Betriebsleiter erläutert dem Risikomanagement die Situation eines Oberleitungsausfalls wie folgt: Straßenbahnen beziehen ihre Energie zum Fahren aus einer Oberleitung. Das ist ein blanker Draht, der über dem Fahrweg und damit über dem Fahrzeug angeordnet ist. Mithilfe eines Stromabnehmers auf dem Dach des Fahrzeugs wird während der Fahrt der Kontakt, und somit die Stromversorgung, hergestellt. Die Oberleitung befindet sich in einer Höhe von rund fünf Metern, das entspricht ungefähr der zweiten Etage eines Hauses. Trotz der Höhe kommt es vor, dass die Leitung von anderen Verkehrsteilnehmern, wie LKWs, beschädigt oder auch heruntergerissen wird. Zur Wiederherstellung des Straßenbahnbetriebs muss die Oberleitung instandgesetzt, das heißt repariert werden. Da dies oft mehrere Stunden dauern kann, werden in der Zeit die Fahrgäste mit Bussen weiterbefördert. Man spricht dabei vom Schienenersatzverkehr. Im Unternehmen fallen deshalb neben den Kosten für die Schadenbehebung auch Kosten für den Schienenersatzverkehr an. Der Betriebsleiter teilt ferner mit, dass keine aktuellen oder historischen Daten vorliegen, er kann nur aus seiner langjährigen Erfahrung in einem anderen Unternehmen einen Wert für die Anzahl der jährlichen Oberleitungsschäden und die mögliche Schadenhöhe schätzen. Für das kommunale Verkehrsunternehmen wird im Folgenden die Quantifizierung des operationellen Risikos „jährlicher Oberleitungsschaden“ unter Einsatz der Methoden der klassischen Statistik präsentiert und damit einhergehende mögliche Modellierungsunsicherheiten aufgezeigt. Gesamtrisikomodell für den jährlichen Oberleitungsschaden Ein Risikomodell für die Oberleitungsausfälle wird durch die jährliche Gesamtschadensumme (SH) anhand der Schadenanzahl N sowie der Schadenhöhe je Vorfall X i , für i=1, …, N, beschrieben ( Gleichung 01). Gleichung 01 Die Größen N und X i , für i=1, …, N, sind unbekannt und können unterschiedliche Werte annehmen, sie stellen in der stochastischen Modellierung Zufallsvariablen mit korrespondierender Wahrscheinlichkeitsverteilung dar. Für die Schadenanzahl wird in der aktuariellen Praxis oft die Poisson-Verteilung verwendet, unter Angabe eines die Wahrscheinlichkeitsverteilung spezifizierenden Parameters λ. Es wird für bekannte Werte der Verteilungsparameter angenommen, dass die Schadenanzahl und die Schadenhöhe (stochastisch) unabhängig sind, das heißt, dass die Wahrscheinlichkeit für eine bestimmte jährliche Schadenanzahl unabhängig von der Ausprägung der Schadenhöhe ist und umgekehrt. Auch für die Schadenhöhen je Vorfall X i , für i=1, …, N, wird angenommen, dass sie unabhängig sind und identische Wahrscheinlichkeitsverteilungen besitzen. Die sich aus der Kombination von Schadenanzahl- und Schadenhöheverteilung ergebende Verteilung der Gesamtschadensumme bezeichnet man unter diesen Modellierungsannahmen als Compound-Verteilung, das heißt zusammengesetzte Verteilung. Solche zusammengesetzten Verteilungen werden in der aktuariellen Praxis zur Schadenmodellierung eingesetzt, sind aber allgemein auch bei der Quantifizierung operationeller Risiken von Bedeutung [vgl. beispielsweise Romeike 2018, S. 175 ff.]. Die quantitative Beschreibung des Gesamtrisikos erfolgt im Grunde genommen dadurch, dass eine Wahrscheinlichkeitsverteilung für die Schadenanzahl und eine Wahrscheinlichkeitsverteilung für die Schadenhöhe je Vorfall unterstellt wird. Implizit wird infolgedessen angenommen, dass die einzelnen Oberleitungsausfälle dieselbe Schadenhöheverteilung besitzen, unabhängig vom Eintrittszeitpunkt sind und unabhängig voneinander eintreten. Submodell für die Schadenanzahl In der Quantifizierung des jährlichen Oberleitungsschadens ist zunächst eine geeignete Wahrscheinlichkeitsverteilung für die Schadenanzahl auszuwählen. Diskrete Verteilungsmodelle wie Binomial-, negative Binomial- sowie Panjer-Verteilung kommen für die Schadenanzahlmodellierung infrage [vgl. Cottin/Döhler 2009, S. 48 ff.]. Häufig

OpRisk 45 wird die Poisson-Verteilung verwendet, die besonders zur Modellierung der Anzahl von seltenen, unabhängigen Ereignissen in einem festen Zeitraum geeignet ist. Die Poisson-Verteilung wird durch den Verteilungsparameter λ spezifiziert, das heißt, die exakte Nennung eines reellen Werts für den Parameter λ konkretisiert die in diesem Praxisbeispiel zugrunde liegende Schadenanzahlverteilung. Und ermöglicht so die konkrete Berechnung von Wahrscheinlichkeiten und das Formulieren von Wahrscheinlichkeitsaussagen wie beispielsweise, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 Prozent die Anzahl jährlicher Oberleitungsschäden den Wert 2 nicht übersteigt. Der Parameter λ, der Erwartungswert der Schadenanzahl N, kann hier als durchschnittliche jährliche Anzahl von Oberleitungsausfällen aufgefasst werden. Da λ in der Realität oft unbekannt ist, muss λ im Rahmen der Risikoquantifizierung geeignet geschätzt werden. Submodell für die Schadenhöhe Liegen einem Schadenvorfall nur einige wenige infrage kommende Schadenwerte zugrunde, so kommen diskrete Verteilungsmodelle bei der Beschreibung der Schadenhöhe zur Anwendung. In erster Linie wird die Schadenhöhe jedoch durch stetige Verteilungsmodelle wie Gamma-Verteilung, t-Verteilung, Weibull-, Pareto-Verteilung oder logarithmische Normalverteilung beschrieben. Die Wahl des Verteilungsmodells hängt dabei von der Größe der möglichen Schäden, insbesondere möglicher wahrscheinlicher Großschäden, ab [vgl. Cottin/Döhler 2009, S. 29]. Ein häufig verwendetes Verteilungsmodell für die Schadenhöhe eines operationellen Risikos ist die logarithmische Normalverteilung. Dabei ist die Schadenhöhe X logarithmisch normalverteilt mit den Verteilungsparametern μ und σ², wir schreiben X ~LN(μ; σ²), wenn die logarithmierten Werte der Schadenhöhe, also ln(X), einer Normalverteilung mit Erwartungswert μ und Varianz σ² (bzw. Standardabweichung σ) folgen. In der Praxis können lediglich plausible Aussagen und Schätzungen über die durchschnittliche Schadenhöhe E[X] und die Varianz Var(X), ein Maß für die durchschnittliche Streuung der möglichen Schadenwerte vom Erwartungswert, formuliert werden. Für die anschließende Berechnung der Verteilungsparameter μ und σ² kann der in Gleichung 02 und Gleichung 03 dargestellte Zusammenhang ausgenutzt werden. Gleichung 02 Gleichung 03 Parametrisierung des Gesamtrisikomodells Das Verteilungsmodell der jährlichen Gesamtschadensumme aus Oberleitungsausfällen setzt sich im Kern aus den beiden Submodellen, den Wahrscheinlichkeitsverteilungen von Schadenanzahl und Schadenhöhe je Oberleitungsausfall zusammen. Im ersten Schritt ist der jeweilige Verteilungstyp, wie vorher beschrieben, auszuwählen. Im zweiten Schritt erfolgt die Bestimmung der Parameter des ausgewählten Verteilungsmodells. Die anschließende Ableitung des Risikogehalts von jährlichen Oberleitungsausfällen erfolgt Abb. 02 Gegenüberstellung der Verteilung der Schadenhöhe bei Vorliegen der Ursache V A-priori-Verteilung der Schadenhöhe A-posteriori-Verteilung der Schadenhöhe

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