30 firm Frankfurter Institut für Risikomanagement und Regulierung nung, dass Modelle gute Dienste leisten, um reale Probleme zu lösen. Mittlerweile sind wir im Zeitalter von Big Data und FinTech angekommen – entscheidend sind aber immer noch die quantitativen Methoden. FIRM-Redaktion: In der öffentlichen Meinung werden quantitative Modelle pauschal für Misswirtschaft verantwortlich gemacht, und ihr Nutzen steht massiv in Frage. Was entgegnen Sie auf solche Vorwürfe? David Li: Ein Modell ist immer nur ein Teil des Gesamtgeschäfts. Zum einen müssen wir an besseren Modellen arbeiten, zum anderen benötigen wir vor allem Menschen, die Modelle erstellen können, deren Defizite nachvollziehen und das Geschäft selbst verstehen. FIRM-Redaktion: Mittlerweile wird in zahlreichen Büchern, Papieren, Filmen usw. versucht, die Finanzkrise zu erklären. Welche Perspektive kommt dabei Ihren eigenen Erfahrungen am nächsten? David Li: Über ein Jahr nach der Finanzkrise wollte ich eigentlich gar nichts dazu lesen. Ich arbeitete in Peking, einem anderen Land, einer anderen Volkswirtschaft, und beschäftigte mich mit anderen Problemen. Dann arbeitete ich intensiv mit einer Gruppe von Volkswirtschaftlern zusammen. Wir untersuchten, wie ein so großes Land wie China sich weiterentwickeln könnte und wie die großen Volkswirtschaften voneinander abhängen. Diese Makroperspektive öffnete mir durchaus die Augen hinsichtlich der Finanzkrise. Einiges wäre mir nicht klar geworden, wenn ich weiterhin eine Gruppe quantitativer Analysten geleitet hätte, die den Wertpapierhandel unterstützen soll. Mittlerweile habe ich einige Bücher zum Thema gelesen; Texte von Michael Lewis sind ohnehin immer wieder eine Freude. Ansonsten habe ich auch Werke von Bernanke und Geitner gelesen sowie Paulsons Memoiren, „Too Big to Fail“. Auch die Filme „Der große Crash“, „The Big Short“ habe ich gesehen. Ein Buch oder ein Artikel kann natürlich nicht alles abdecken, aber man bekommt jeweils andere, interessante Perspektiven. FIRM-Redaktion: Nach einer langen Dürrephase erholt sich der CDO-Markt wieder. Sind unsere Methoden mittlerweile so ausgereift, dass wir die damit verbundenen Risiken kontrollieren können? David Li: Das grundlegende Vorgehen, nämlich Vermögenswerte oder Risiken zu bündeln und anschließend wieder in Tranchen zu zerlegen, gibt es bereits seit mehreren Jahrhunderten. Beim Markt für einfache CDOs sollte das Gauß‘sche Copula-Modell mit Basiskorrelation und gewissen Variationen eigentlich ausreichen. Dennoch empfiehlt sich hier weitere Grundlagenforschung. FIRM-Redaktion: Wie fühlt es sich eigentlich an, wenn man sein eigenes Bild im Wall Street Journal entdeckt und in gewisser Weise zum Sündenbock für die Finanzkrise gemacht wird? David Li: Ich habe nie das Licht der Öffentlichkeit gesucht. Mark Whitehouse wurde mir von Professor Paul Glassman an der Columbia University vorgestellt. Er war ein hervorragender Journalist, der ein paar Jahre lang für Reuters gearbeitet hatte, bevor er dann ein Stipendium an der Columbia erhielt, mit dem er einen MBA machen konnte. 2005, als der Kreditmarkt unruhig wurde, wollte Mark mehr darüber erfahren, und Paul verwies ihn an mich. Paul hatte ich 1995 bei einer Simulationskonferenz kennengelernt. Ich half ihm dabei, den Markt besser zu verstehen, und erhoffte mir allenfalls, mit ein oder zwei Zitaten im Investmentteil des Wall Street Journal vertreten zu sein. Aber dann schaffte es die Geschichte, nicht nur über den Markt, sondern auch über die Menschen dahinter, auf die ersten Seiten. FIRM-Redaktion: Wie hat die Kreditkrise Sie persönlich betroffen? Welche Rolle spielte die Berichterstattung in den Medien? David Li: Die Finanzkrise wirkte sich definitiv auf alle aus, die mit strukturierten Kreditprodukten zu tun hatten. 2008 wurde ich zum Chief Risk Officer einer führenden chinesischen Investmentbank ernannt und war dann fast vier Jahre lang in Peking tätig. In den 21 Jahren, in denen ich im Ausland studiert und gearbeitet hatte, hatte sich China in beispielloser Weise weiterentwickelt: beispiellos im Hinblick auf Größe, Tempo und Auswirkungen. Ich war froh, in gewisser Weise mit dem Land und seiner Kultur aufschließen zu können und Teil dieser Entwicklung zu sein. Ich war für große, völlig unterschiedliche Bereiche verantwortlich: So leitete ich das komplette Risikomanagement und baute eine vollkommen neue Gruppe quantitativer Analysten auf. Weiterhin leitete ich ein IT-Team, um ein System für den globalen Aktienhandel samt Algo aufzubauen, ebenso Systeme für Fixed Income und Risikomanagement. Dann beriet ich Regierungsbehörden und Großunternehmen und war in diversen Think-Tanks engagiert. Die Berichterstattung in den Medien betrifft mich kaum. Meistens habe ich das ignoriert. Ich habe ohnehin in einem sehr technischen Bereich gearbeitet, der für andere Menschen schwer verständlich ist. FIRM-Redaktion: Wir konnten kein früheres Interview mit Ihnen finden. Warum haben Sie nicht die Gelegenheit genutzt, Ihre Rolle in der Kreditkrise zu erläutern? David Li: Ich stehe nicht so gerne im Mittelpunkt. Was die Forschung angeht, diskutiere ich gern mit jedem, der sich dafür interessiert. Die Kreditkrise ist ein riesiges Thema. Ich denke nicht, dass ich darin eine größere Rolle spiele. Vielleicht habe ich einen gewissen Beitrag zur Modellbildung im Kreditbereich geleistet, etwa zur Erstellung der Kreditkurve und der Modellierung eines Kreditportfolios mithilfe der Copula-Funktion. Aus theoretischer Perspektive ist mein Beitrag aber nicht so groß, als dass er das Aufheben rechtfertigen würde. Wir danken für das ausführliche Gespräch. David X. Li erhielt 1995 einen Ph.D. in Statistics von der renommierten University of Waterloo. Davor studierte er Mathematik, Aktuarwissenschaften und Finance an verschiedenen kanadischen (Waterloo, Laval) und chinesischen (Nankai, Yangzhou) Universitäten. Er besitzt über 20 Jahre an Berufserfahrung in führenden Positionen in der Finanzindustrie, insbesondere im Financial Engineering von Kreditderivaten, und ist Autor zahlreicher Fachpublikationen. Er ist Pionier beim Einsatz von Copulas in der Modellierung von Kreditportfolien.
31 Ausgabe 10/2016 Sponsoren Reputationsrisiken meistern – aber wie? Erkennen – Bewerten – Handeln Das RepRisk Forum ist eine Veranstaltung des Institute of Operational Risk (IOR) und der Zeitschrift RISIKO MANAGER. Experten von Banken und Versicherungen, aus anderen Branchen, von der Aufsicht und der Beratung widmen sich der Analyse des derzeitigen Stands im Reputationsrisiko-Management und erörtern die vor den Beteiligten liegenden Herausforderungen. Das RepRisk Forum dient generell der Förderung persönlicher Kontakte und dem intellektuellen Austausch mit Geschäftspartnern und Kollegen sowie dem Transfer von Fachwissen und der Identifizierung zukunftsrelevanter Themen im RepRisk-Management. Information & Anmeldung: Stefan Lödorf | Bank-Verlag GmbH Telefon: 0221/5490-133 | events@bank-verlag.de Jetzt anmelden events@ bank-verlag.de www.repriskforum.de
Laden...
Laden...
Laden...
Copyright Risiko Manager © 2004-2017. All Rights Reserved.