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RISIKO MANAGER 10.2016

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28 firm Frankfurter Institut für Risikomanagement und Regulierung Untersuchungen zur Leistung der Absicherung von Kreditspreadrisiken auf Grundlage des Gauß‘schen Copula-Modells. Dabei konnte kein endgültiger Schluss gezogen werden. Vielleicht ist mir da etwas entgangen, aber ich habe keine umfassenden Studien zu diesem Thema gefunden. Alex Refman schrieb während seiner Tätigkeit für Bear Sterns einen Forschungsbericht. Bei Citi und Barclays untersuchten wir diese Thematik intensiv, aber kamen zu keinem klaren Ergebnis. Die Absicherung gegen Ausfälle ist noch komplizierter. Beispielsweise beschäftigten wir uns mit der Ausfallabsicherung bei einem kleinen Basketproblem wie FTD. Um eine perfekte Absicherung eines Viertitel-FTD zu gewährleisten, benötigen wir Handelsinstrumente sämtlicher Eintitel-CDS, FTD von jeweils zwei Titeln sowie FTD und STD von jeweils drei Titeln. Zudem würde die Überprüfung der Leistung der Absicherung sehr, sehr lange dauern, sofern man keine perfekte Absicherung besitzt. Schließlich ist ein Ausfall ein recht seltenes Ereignis. All diese Aspekte waren mir wohlbekannt, als ich meine praktische Tätigkeit im Vertrieb und Handel von Finanzinstituten begann; zudem leistete ich mit dem Team, das ich leitete, und meinen Kollegen eine Menge Forschungsarbeit. Aus technischer Sicht ließe sich über Probleme des Gauß‘schen Copula-Modells noch einiges sagen, weitaus schwieriger ist es aber, ein Alternativmodell zu finden, mit dem sich die Schwachpunkte beheben ließen. Ich würde gerne mehr wissenschaftliche Forschung in diesem Bereich sehen. FIRM-Redaktion: Als Außenstehender könnte man den Eindruck haben, dass die Finanzbranche ihr Risikomanagement bei dem Milliardengeschäft an Collateralized Debt Obligations (CDOs) allein auf einer einfachen Formel aufbaute, die eine einzelne Person in sehr kurzer Zeit entwickelt hat. Steckt in dieser Aussage ein bisschen Wahrheit, oder vereinfacht sie das Ganze zu sehr? Warum gibt es zu so wichtigen Themen wie der Abhängigkeitsmodellierung nicht mehr Forschung oder Zusammenarbeit mit der Welt der Wissenschaft? David Li: Der Markt entwickelt sich weiter, ob er nun ein Modell zur Hand hat oder nicht. Natürlich ist es hilfreich, ein allgemein akzeptiertes Modell zur Hand zu haben, und beschleunigt mitunter auch die Marktentwicklung eines neuen Produkts. Das Paper wurde im Jahr 2000 veröffentlicht, obwohl das Modell bei CIBC bereits etwa 1997 zum Einsatz gekommen war. Der Markt für Kreditderivate und der Handel mit Kreditportfolios wiederum hatte Anfang der Neunziger begonnen. Die frühe Entwicklung des Markts machte eine saubere Modellbildung erforderlich, um die ganzen Fragen und Herausforderungen zu beantworten, die sich in der Praxis stellten. Bei den Ratingagenturen waren bereits viel früher Modelle für das Portfoliorating zum Einsatz gekommen, beispielsweise das binomiale Expansionsmodell bzw. das BET-Modell. Zu meiner Überraschung ist dieses Modell bei Moody’s immer noch im Einsatz, um CLO-Geschäfte zu bewerten. Ich wünschte mir, mehr Wissenschaftler würden sich diesem Modell intensiv widmen! Auch wenn ich die erste Arbeit zur Anwendung von Copula-Funktionen bei der Modellierung von Kreditportfolios verfasste, habe ich nicht den Eindruck, das alleine gestemmt zu haben. Wie bereits erwähnt, stand ich mit zahlreichen Wissenschaftlern und Leuten aus der Praxis im Austausch. All diese trugen erheblich dazu bei, die Idee zu formulieren und letztlich umzusetzen. Ohnehin wurden in jenem Zeitraum zahlreiche alternative Ideen und Ansätze veröffentlicht, was die Weiterentwicklung der Idee vereinfachte. Viele von diesen standen nicht zwangsläufig mit dem Ansatz im Einklang. Beispielsweise traf ich Professor Darrell Duffie einige Male – und jedes Mal beteuerte er: „Ich mag Copulas nicht, aber ich habe einfach noch keine bessere Lösung gefunden.“ Möglicherweise war Professor Stuart Turnbull der erste Wissenschaftler, dem ich die Idee präsentierte, Copulas bei der Modellierung von Kreditportfolios einzusetzen, aber auch er konnte sich für Copulas nicht sehr begeistern. Ich hatte mehr die Lösung praktischer Probleme im Sinn. Schließlich arbeitete ich im Team für den Handel mit Kreditderivaten, wo täglich neue Ideen für Produkte und Handel aufkamen. Tagsüber saß ich mit Tradern und Strukturierern zusammen, um die praktischen Probleme zu verstehen. Abends kämpfte ich mich dann durch die Forschungspapiere aus Wissenschaft und Industrie, um zu einer überzeugenden Lösung zu gelangen. Ich versuchte, so weit wie möglich, die gesamte wissenschaftliche Forschung ebenso wie die jüngsten Entwicklungen in der Finanzbranche, aufzunehmen. Als Mann aus der Praxis sprach ich mit anderen – und dabei wiederum vor allem mit Wissenschaftlern – recht offen über technische Probleme, stets in der Hoffnung, dass wir besser geeignete Lösungen finden könnten. Dies sollten insbesondere theoretisch begründete Lösungen sein, nicht nur Lösungen, die man sich in der Finanzbranche mal eben so „zusammengebastelt“ hat. Ich referierte dazu an führenden Universitäten wie Columbia, Stanford, Fudan usw. Eines Tages saßen mein Chef bei Citibank, Thierry Bollier, und ich mit einer Gruppe Wissenschaftlern zu Tisch, darunter Professor Ken French. Thierry stellte genau Ihre Frage: Warum können sich Wissenschaftler nicht stärker mit praktischen Problemen beschäftigen, wie der Modellierung von Kreditportfolios? Ken widersprach zunächst und meinte, unser Problem sei nicht so wichtig wie das Problem einer optimalen Kapitalstruktur im Finanzwesen, gab aber dann zu, dass Wissenschaftler diese Probleme nicht kannten und keine Daten zur Hand hätten. Ich bin ein großer Befürworter enger wissenschaftlicher Zusammenarbeit, um praktische Probleme anzugehen. FIRM-Redaktion: Wenn Sie mit Ihren Erfahrungen von heute noch einmal vor dem Problem stünden: Inwiefern würden Sie Ihre Publikation aus dem Jahr 2000 anders formulieren? Würden Sie sie überhaupt noch einmal verfassen? David Li: Dies ist eigentlich nur ein technischer Ansatz zur Lösung eines praktischen, heiklen Problems. Damals war ich bei der RiskMetrics Group als Forscher tätig, und dazu zählte auch das Verfassen von Forschungspapieren für Kunden. Dies erklärt, warum der Artikel als Arbeitspapier für die RiskMetrics Group entstand. Ich fasste einfach eine Arbeit zusammen, die ich ein paar Jahre zuvor geleistet hatte. Meine Produktion als Autor hält sich in Grenzen: Schließlich war ich ja in der Praxis tätig und sollte für meinen Arbeitgeber vor allem geschäftliche Probleme lösen. Das Papier ist nicht durch eine starke finanzökonomische Theorie gedeckt. Seit Jahren denke ich über dieses Problem nach und hoffe, dass ich noch ein weiteres Papier zum Thema verfassen kann und den Ansatz in theoretischer Hinsicht ergänzen kann. FIRM-Redaktion: Wie äußerten sich die Gutachter zu Ihrem Artikel im Journal of Fixed Income? David Li: Ich bekam nicht allzu viele Rückmeldungen. Das Journal of Fixed Income richtet sich mehr an Leute aus der Praxis. Der Ansatz war neu, das Thema populär, und somit passte es ganz gut ins Heft.

29 Ausgabe 10/2016 FIRM-Redaktion: Kommen wir zum Punkt: Hat Ihr Modell tatsächlich der Wall Street den Todesstoß versetzt, wie es der berühmte Artikel in der Zeitschrift Wired, „Recipe for disaster: The formula that killed Wall Street“ behauptet? David Li: Ausgangspunkt der Finanzkrise war die Subprime-Krise. Mit Subprime bezeichnet man ein Hypothekendarlehen an Kreditnehmer mit schlechter Bonität. Dabei gibt es letzten Endes zwei Risiken: Vorfälligkeitsrisiko und Ausfallrisiko. Dies ist eine ganz andere Situation als bei einer Unternehmensanleihe, bei der es nur Ausfallrisiko gibt. Wie zuvor bereits erläutert, beschreiben wir zunächst mithilfe von Überlebenszeiten ein Ausfallereignis und erstellen anschließend mit Copula-Funktionen eine gemeinsame Verteilung der Überlebenszeiten. Bei Hypotheken müssen wir Ausfall und Vorfälligkeit mit der Multiple-Decrement-Theorie beschreiben. Im Hinblick auf die Modellbildung ist klar, dass dabei kein Copula-Modell zum Einsatz kommen kann. Natürlich wollten manche Leute in der Branche ein solches Modell „hinbiegen“, indem sie davon ausgingen, dass die Vorfälligkeit vorab festgelegt und eine Hypothek somit lediglich dem Ausfallrisiko ausgesetzt ist. Dann muss man festhalten, dass ABS-Bonds und CDOs sich bei der Anzahl an Titeln ziemlich unterscheiden. In einem ABS können sich Tausende bis Zehntausende Kredite verbergen. Bei Portfolios mit Unternehmensanleihen sprechen wir von allenfalls ein paar Hundert Titeln. Die wichtigsten Faktoren für den Ausfall und die Vorfälligkeit von Hypotheken sind das Zinsniveau, die Wertentwicklung der Hauspreise und die Eigenschaften des Kreditnehmers, etwa Beleihungsverhältnis, Bonität, die Frage fester oder variabler Zinssatz usw. Bei Subprime-Krediten nutzte ich ein Modell namens „dynamisch konkurrierendes Risikomodell“, in das wir Vorauszahlung und Ausfall mithilfe eines Cox-Modells hatten einfließen lassen und die Bonität des Kreditnehmers und die jeweiligen Darlehensmodalitäten als Kovariaten verwendeten. Dieses Modell war dynamisch angelegt, da es sich ja auch beim Zinssatz und der Entwicklung der Hauspreise um dynamische Variablen handelt. Aus der Perspektive der Modellbildung hat das Gauß‘sche Copula-Modell somit nichts mit der Subprime-Krise zu tun. Das Gauß‘sche Copula-Modell samt Basiskorrelation kam vielmehr während der Finanzkrise bei CDX und Itraxx sowie bei der Modellierung von Portfolios mit Unternehmensanleihen zum Einsatz, übrigens noch heute. Es sollte einmal verbessert werden, da während der Finanzkrise die Kalibrierung an den Markt schwer fiel. Am gängigsten ist die Verwendung stochastischer Verwertungsquoten. Der Autor des besagten Artikels, Felix Salomon, versuchte, mit mir in Kontakt zu treten. Eines Tages erreichte er mich per Switchboard, als ich für CICC in Peking tätig war. Ich musste ihm mitteilen, dass ich aufgrund der Unternehmensrichtlinien nicht mit ihm sprechen könne. Der Artikel überraschte mich, insbesondere der Titel. FIRM-Redaktion: Einige wissenschaftliche Arbeiten erwecken den Eindruck, als hätte sich die Finanzkrise verhindern lassen, wenn statt der Gauß‘schen Copula eine geeignetere Familie zum Einsatz gekommen wäre. Sehen Sie das auch so – oder macht man es sich da zu einfach? David Li: Ich sehe das nicht so. Wie bereits erläutert, hat das Modell nichts mit der Finanzkrise und insbesondere nichts mit der Subprime-Krise zu tun. Höchstens könnte das Modell dazu beigetragen haben, den Markt für Kreditderivate aus Portfolios mit Unternehmensanleihen in einen großen Markt zu verwandeln. Natürlich kann man andere Copula-Funktionen verwenden, um eine bessere Übereinstimmung mit den Marktpreisen zu erzielen. Das heißt aber noch lange nicht, dass man das Problem wirklich gelöst hätte; man hat lediglich eine gewisse technische Verbesserung herbeigeführt. Die quantitativen Analysten bei Lehman Brothers plädierten einige Jahre lang für die Student-t-Copula, mussten dann aber zugeben, dass sie sich nicht allzu sehr von der Gauß‘schen Copula unterscheidet. Ich würde mich sehr freuen, wenn Kolleginnen und Kollegen den theoretischen Aspekt des Modells intensiver aus finanzökonomischer Perspektive betrachteten. Bislang ist das Ganze lediglich ein technisches Modell, um ein kompliziertes Problem in den Griff zu bekommen, allerdings ohne theoretische Begründung. Dies ist insofern traurig, als wir uns seit 20 Jahren mit der Problematik von Kreditportfolios beschäftigen, ohne aber zu einer vernünftigen Theorie zu kommen. In meinem Postgraduate-Studium besuchte ich einige entsprechende Kurse, weshalb ich einen theoretischen Durchbruch und einen einfachen technischen Lösungsvorschlag sehr wohl unterscheiden kann. FIRM-Redaktion: Nach Meinung eines Kollegen hätte das Gauß'sche Copula-Modell – bei richtiger Auslegung – die Wall Street sogar retten können. Er argumentiert: Wenn man eine kurze Korrelation innerhalb des Gauß‘schen Copula-Modells hat (das im Hinblick auf bspw. Extremrisiken nicht konservativ ist), sollte man SEHR vorsichtig sein. Dies hätte für alle Beteiligten ein deutliches Warnsignal sein müssen. Stimmen Sie ihm zu? David Li: Zu unterschiedlichen Zeiten mit unterschiedlichen Tranchen können unterschiedliche Strategien zum Einsatz kommen. Generell kann man für eine kurze Korrelation sorgen, indem man die Absicherung der Eigenkapitaltranche abstößt oder eine Absicherung der vorrangigen Tranche erwirbt. Je nachdem, wann die Strategie zum Einsatz kommt, sind unterschiedliche Ergebnisse möglich. FIRM-Redaktion: Bislang haben wir nur über das Ausfallrisiko gesprochen. Wie sieht es aber mit der Subprime-Krise aus? Kann man einen Bezug zwischen Ihrem Modell und Risiken wie dem „Vorauszahlungsrisiko“ oder Veränderungen des Zinssatzes herstellen? David Li: Wie bereits erläutert: Als quantitativer Analyst sollte man das Gauß‘sche Copula-Modell nicht zur Modellierung von Hypotheken nutzen. FIRM-Redaktion: Wenn wir die Finanzkrise ab dem Jahr 2008 als sehr teure Fallstudie in quantitativem Missmanagement betrachten, was lässt sich dann daraus lernen, um eine ähnliche Katastrophe in der Zukunft zu verhindern? David Li: Ich wünschte, wir hätten vor Beginn der Finanzkrise bei Subprime-Hypotheken ein standardmäßiges, öffentliches und allgemein angewandtes Modell gehabt, so wie das Gauß‘sche Copula-Modell bei der Modellierung von Portfolios mit Unternehmensanleihen. Ich wünschte mir, mehr Wissenschaftler könnten Zeit und Energie in die Lösung praktischer Probleme investieren. Man könnte zunächst das BET-Modell von Moody’s analysieren, das immer noch beim CLO-Rating zum Einsatz kommt, oder ein Zeitraum nach Zeitraum betrachtendes Copula-Modell, das die Ratingagenturen vor der Finanzkrise zur SIV-Modellierung einsetzten. Ich bin immer noch der Mei-

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