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RISIKO MANAGER 10.2015

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16 firm Frankfurter Institut für Risikomanagement und Regulierung INTERVIEW Risikokultur als Fundament der Unternehmenssteuerung Interview mit Christoph Schwager, verantwortlicher Partner für die Enterprise Risk Management Practice von EY Seit der jüngsten Finanzmarktkrise steigt der Aufwand für die Umsetzung regulatorischer Anforderungen permanent an. Aus Sicht der Politik dreht es sich im Kern um die Verankerung von Werten in der Finanzbranche und einen klaren gesellschaftlichen Auftrag. Ziel der Finanzmarktregulierung ist in Summe der Schutz der Kundeninteressen und der Stabilität sowie Integrität des Marktes und damit letztlich des Systems, auf dem unsere Wirtschaft fußt. Um dieses Ziel zu erreichen, werden Regeln gesetzt – Spielregeln für alle, die mitspielen wollen. Sowohl bei der Aufstellung als auch bei der Umsetzung dieser Regeln kommt es nicht selten zu Fehljustierungen. Leider führen diese häufig zu überbordender Bürokratie und vertanen Chancen. Und korrigiert werden solche Fehljustierungen nur äußerst selten. Es gilt also, sich nicht nur ernsthaft mit regulatorischen Anforderungen und den zugehörigen Compliancerisiken zu befassen. Gleichzeitig sollten Organisationen eine Risikokultur etablieren, die dafür sorgt, dass Unternehmertum und unternehmerisches beziehungsweise betriebswirtschaftliches Risikomanagement nicht aus Angst vor Compliancerisiken abgewürgt werden. Denn das hätte mittel- bis langfristig schwerwiegende Folgen für die Kreativität, Innovationskraft und Profitabilität der Finanzbranche und damit auch für die Erfüllung des gesellschaftlichen Auftrags. FIRM-Redaktion: Sie waren viele Jahre Chief Risk Officer bei Europas führendem Luft- und Raumfahrtkonzern. Welche Relevanz hatte hierbei das Thema „gelebte Risikokultur“? Christoph Schwager: Risikokultur ist immer auch Führungskultur und Unternehmertum. Ein guter Unternehmer hat eine gute Führungskultur, was wiederum eine gute Risikokultur bedingt. Dies sind Grundvoraussetzungen für eine funktionierende Unternehmenssteuerung. Um das zu erreichen, haben wir über viele Jahre sehr erfolgreich ein großes „Risikokulturprogramm“ betrieben, um den Spagat zwischen einem eher regulativem und einem unternehmerischen Risikomanagement bestmöglich zu meistern. Dies hat zu enormen Steigerungen bei der Unternehmenssteuerung beigetragen. FIRM-Redaktion: Wie kann eine gute Risikokultur zur Unternehmenssteuerung beitragen? Christoph Schwager: Lassen sie mich dies an einem Beispiel verdeutlichen. Sie haben Ihre Strategie gerade neu entwickelt oder angepasst und möchten diese jetzt umsetzen. Sie setzen also alle erforderlichen Maßnahmen auf, planen die Ablaufschritte und starten los. Sie lassen sich dann im Rahmen Ihrer Unternehmenssteuerung über die Fortschritte bei der Umsetzung berichten, beispielsweise unterstützt durch KPIs und Werttreiberbäume. Sie denken, sie sind auf einem guten Weg, ihr Management bestätigt ihnen das auch so und trotzdem stellen sie nach einiger Zeit fest, irgendetwas stimmt nicht und die Erreichung der strategischen Ziele ist deutlich gefährdet. Eine gute Risikokultur hätte Ihnen jedoch frühzeitig ermöglicht, die Schwachstellen zu erkennen und gegenzusteuern. Sie ist zwingend notwendig, um die Strategieerreichung abzusichern. FIRM-Redaktion: Welche Maßnahmen haben Sie konkret um gesetzt, damit die Risikokultur die Unternehmenssteuerung verbessert? Welche Rolle spielt hierbei die Unternehmensleitung? Christoph Schwager: Bei Risikokultur geht es immer um Menschen. Der Mensch ist der entscheidende Faktor, um die Unternehmenssteuerung zu verbessern. Häufig sind die Methoden der Unternehmenssteuerung nur als Top-Down-Methoden ausgewählt und werden der Organisation übergestülpt. Und dann wird erwartet, dass die Menschen dies ohne zu zögern sofort und ideal leben. Damit erhält man zwar einen gewissen Grad an Transparenz, aber meistens nicht den entscheidenden, der einen vor Überraschungen bestmöglich schützt. Die eingesetzten Maßnahmen drehten sich darum, wie man Menschen dazu bewegt, aktiv die Risiken auf dem Weg zur Zielerreichung zu erkennen, transparent zu machen und zu managen. In der Luft- und Raumfahrt hat man beste Erfahrungen mit Simulationen gemacht, beispielsweise in der Pilotenausbildung. Dieses Konzept haben wir auf das Entwickeln der Risikokultur übertragen und damit sehr gute Erfolge erzielt. Die Rolle der Unternehmensleitung war eine wesentliche. Ohne den berühmten „Tone from the Top“ wäre dies nicht möglich gewesen. Angefangen vom Aufsichtsrat über den Vorstand haben alle das Kulturentwicklungsprogramm unterstützt. Es konnte damit deutlich zur besseren Profitabilität des Unternehmens beitragen.

17 17 Ausgabe 10/2015 FIRM-Redaktion: Eine Risikokultur basiert auf einer guten Unternehmenskultur: Was kann ich als Risikomanager überhaupt tun, damit das Fundament einer Unternehmenskultur stabiler wird? Christoph Schwager: Die Rolle des Risikomanagers ist eine entscheidende. In der Theorie sollte der Risikomanager es sein, der die wesentliche Treiberrolle für die Verbesserung der Risikokultur übernimmt. In der Praxis ist das selbstverständlich von der jeweiligen Situation abhängig. Alle Unternehmen sind verschieden, aber irgendjemand im Unternehmen sollte diese Rolle ausfüllen. Das wichtigste ist, dass man dazu die richtige Persönlichkeit mitbringt. Natürlich sollte jeder Risikomanager, unabhängig von der Frage, ob er dazu einen offiziellen Auftrag hat, bestmögliche Methoden zur Verbesserung der Risikokultur einsetzen. FIRM-Redaktion: Welche Bedeutung hat die Methodenauswahl bei der Umsetzung einer Risikokultur? Christoph Schwager: Die Methodenauswahl spielt eine entscheidende Rolle. Am besten verwendet man solche, die sich in der Praxis schon bewährt haben. Oft werden komplizierte Vorgehensweisen und Methoden entwickelt, die in der Praxis nicht akzeptiert werden. Ebenso bei der Messung der Risikokultur, die häufig komplex und künstlich wirkt. FIRM-Redaktion: Wie bewerten Sie die Risikokultur im Bereich der Finanzdienstleister – auch im Vergleich zur sonstigen Industrie? Christoph Schwager: Prinzipiell hat man das Thema wohl erkannt. Jedoch sehe ich hier genau die Gefahr, da man noch wenig Erfahrungswerte hat, die Risikokultur zu sehr theoretisch, komplex und messbar machen zu wollen anstatt mit den Menschen zu arbeiten. Dies sollte im Vordergrund stehen. Die Messbarkeit der Risikokultur sollte dann darauf aufbauend so natürlich wie möglich erfolgen. Dazu haben wir Methoden entwickelt. FIRM-Redaktion: Verhindert eine starke Regulierung möglicherweise eine „gelebte Risikokultur“, da der Schwerpunkt des Risiko- und Compliancemanagements darauf ausgerichtet ist, die regulatorischen Anforderungen zu erfüllen. Für eine betriebswirtschaftliche Perspektive bleiben dann keine Ressourcen mehr übrig. Christoph Schwager: Die Regulierung ist auf jeden Fall etwas, was in die Risikokulturentwicklung einfließen sollte. Sie ist da und bedeutender Teil der Welt. Dies muss aber kein Hinderungsgrund für die Erreichung der Strategie und Profitabilitätsziele sein. Genau dies, nämlich beides zu erreichen, die Einhaltung der Compliance und gleichzeitig die Ziele, beispielsweise durch zufriedene Kunden, funktioniert exzellent mit einem guten Risikokulturentwicklungsprogramm. FIRM-Redaktion: Wir neigen im deutschsprachigen Raum dazu, das Thema „Opportunities“ und „Upside-Risiken“ in unserer Betrachtung auszublenden. Hängt dies vor allem mit dem negativ belegten Begriff der Risiken im Sinne von Gefahren zusammen? Christoph Schwager: Das sehe ich nicht als ein Phänomen nur des deutschsprachigen Raums. Der Mensch hat prinzipiell eher eine Verlustaversion, das heißt, Verluste schmerzen mehr als Gewinne glücklich machen. Beziehungsweise ist es leichter, über Risiken und hier insbesondere Compliancerisiken zu reden, als über Chancen oder Upside-Risiken. Es ist also ein ganz natürlicher Vorgang, es sei denn man übt es. Dazu hilft ebenfalls ein Risikokulturentwicklungsprogramm. FIRM-Redaktion: Der Deutsche Rechnungslegungs Standard Nr. 20 (DRS 20) des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) hat die Chancenberichterstattung deutlich aufgewertet. Zukünftig soll ausgewogen über Chancen und Risiken berichtet werden. Ist dies nicht reine Theorie? Welches Unternehmen hat ein Interesse daran, offen und transparent über Chancen zu berichten? Christoph Schwager: Ich glaube nicht, dass dies nur Theorie sein wird. Je mehr Unternehmen Richtung Integrated Reporting gehen werden, umso mehr werden sie auch über Chancen berichten. Die Schwierigkeit wird sein, diese auch zu identifizieren und eine Chancenkultur im Unternehmen zu pflegen. Christoph Schwager ist Partner bei EY (Ernst & Young) und leitet als verantwortlicher Partner die Enterprise Risk Management Practice von EY in Deutschland, Österreich und Schweiz. Christoph Schwager war im Zeitraum 2011 bis Mitte 2014 Chief Risk Officer im EADS-Konzern (Airbus Group). Seit 2006 hat er mit seinem Team das integrierte Risikomanagement des EADS-Konzerns aufgebaut. Außerdem ist er Redakteur beim Kompetenzportal RiskNET sowie Trainer der Risk Academy. Er absolvierte sein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Augsburg und erwarb an der University of Chicago den Grad eines Certified Public Accountant. Seine berufliche Karriere begann er als Assistent des Vorstandsvorsitzenden eines internationalen Softwareunternehmens, wo er in der Folge für den Bereich Controlling und Accounting verantwortlich war. Im Anschluss wechselte er zur Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PWC). Dort war er in der Beratung, im Projektmanagement, bei Abschlussprüfungen und M&A-Projekten tätig. Seit Anfang 2001 ist er für EADS tätig, wo er zunächst Head of Accounting Principles EADS Group war. 2003 wurde er Vice President mit Verantwortung für Accounting Policies und das Strategic Accounting bei Airbus. 2006 übernahm er zusätzlich die Verantwortung für das gruppenweite Chance-Programm zur Entwicklung eines integrierten Risikomanagements zur Verbesserung der Steuerungsfähigkeit. Sein Ziel ist nachhaltige Wertsteigerung durch vorwärts gerichtete Unternehmenssteuerung, dynamisches und ganz heitliches Chancen- und Risikomanagement mit dem Fokus auf Good Governance, Risk Management Execution, Risikointelligenz, Compliance, Risikokultur und Interes Kontrollsystem. Christoph Schwager ist außerdem Direktor am International Institute for Governance, Management, Risk & Compliance der HDU sowie Beirat beim Kompetenzportal RiskNET.

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