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RISIKO MANAGER 09.2019

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RISIKO MANAGER ist das führende Medium für alle Experten des Financial Risk Managements in Banken, Sparkassen und Versicherungen. Mit Themen aus den Bereichen Kreditrisiko, Marktrisiko, OpRisk, ERM und Regulierung vermittelt RISIKO MANAGER seinen Lesern hochkarätige Einschätzungen und umfassendes Wissen für fortschrittliches Risikomanagement.

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10 RISIKO MANAGER 09|2019 gen herausgenommen werden, um ein vereinfachtes Bild und lediglich einzelne Beziehungen zu präsentieren. Auf der Entscheidungsebene sollten Risikomanager von ihrer Erfahrung im Finanzbereich Gebrauch machen, nicht im Sinne einer Einbeziehung eines obskurantistischen Intuitionismus oder einer mechanischen und unkritischen Anwendung von Denkgewohnheiten auf andere Bereiche als die, in denen sie gebildet wurden; sondern eine Erfahrung, die sie für das sensibilisiert, was formal modelliert werden sollte und wie; sowie eine Erfahrung, die sie gelehrt hat, sehr bescheiden bei der Anwendung der Mathematik auf reale Systeme zu sein, und äußerst vorsichtig gegenüber ehrgeizigen Theorien zu sein, die letztlich versuchen, menschliches Verhalten zu modellieren. Anstatt nur durch die Regeln und Anreize anderer zu navigieren, werden Risikomanager ermutigt, ihre praktische Weisheit zu erkennen und zu kultivieren. Unsere technischen Risikobewertungen sehen sich schließlich dem Tribunal der Reflektivität und dieser praktischen Weisheit gegenüber. In anderen, kontextbezogenen Worten, kommt es auf praktische Weisheit an, die sich wie folgt auszeichnet. » Offenlegung des Abstraktions- und Reduktionsprozesses (oder Reduktionismus?) der Risikomodellierung in seinem ganzheitlichen Umfang und seiner Erscheinungsform; » Risikoexperten, die sich auf qualitative Managementbeurteilungen über Investitions- oder Risikostrategien, Marktbedingungen usw. konzentrieren, die wertvolle Beiträge zu Risikomanagementprozessen leisten (bestenfalls systematisch und konsistent mit quantitativen Instrumenten integriert); denn nicht alles, was für die Risikobewertung relevant ist, kann in formalen Modellen artikuliert werden, und insbesondere die Risikomessung sollte einer nicht-formalen heuristischen Argumentation folgen, um einer klaren, transparenten und gesteuerten Formalisierung von Risiken den Weg zu bereiten; » Disziplinierung oder Anfechtung der Intuition, weil die Qualität eines intuitiven Urteils eine Bewertung der Regelmäßigkeit in diesem Gebiet und der Vorhersehbarkeit der Umwelt erfordert; » Streben nach einem sogenannten Überlegungsgleichgewicht [Rawls, 1971; Goodman, 1955], 4 im weitesten Sinne der Endpunkt eines Abwägungsprozesses, in dem wir unsere Überzeugungen zu einem Untersuchungsgegenstand prüfen und diese revidieren; die Untersuchung könnte sich an der allgemeinen Frage festmachen, „wie man extreme und systemische Risiken effektiv managt“ oder sie könnte viel spezifischer sein; » das ganzheitliche und systemische Denken mit dem ganzheitlichen und systemischen Handeln in Einklang zu bringen, was einschließt, dass wir die Bewältigung des Open-Loop-Denkens [Sterman, 2000] als permanente und kontinuierliche Aufgabe betrachten; » … Praktische Weisheit hilft, das Bewusstsein dafür zu schärfen, wie die mithilfe von Risikomodellen gewonnenen Ergebnisse zu interpretieren und in den größeren Risikomanagementprozess einzubetten sind. Fazit Trotz der Fortschritte, die mit diesen besser operationalisierbaren Leitlinien im Vergleich zu den bisherigen Arbeiten der Critical Finance Community [Mikes, 2011; Bhidé, 2010; Power, 2007] erzielt sein mögen, ist es noch ein langer Weg bis zu einer nachhaltigen Lösung sowohl theoretischer als auch praktischer Fragen und zur Überwindung von Misserfolgen des Risikomanagements. Es bleibt noch viel zu tun, aber der Weg ist markiert und abgesteckt. Mit Ludwig von Mises [1957/2005: 175] geben wir für die Reise den Denkanstoß mit, dass so effizient die Schulausbildung auch sein mag, sie würde bloß zu Stagnation, Orthodoxie und starrer Pedanterie führen, wenn es keine ungewöhnlichen Denker gäbe, die über die Weisheit ihrer Lehrer hinausgingen. Bis zur Weiterentwicklung oder Zurückweisung (worüber Popper seine Freude hätte) durch rigorosere Arbeiten fasst die diesen Beitrag abschließende Proposition unsere vorläufigen Erkenntnisse über ein effektives Risikomanagement und Entscheidungskompetenz im Banking zusammen. Proposition: Ein effektives Risikomanagement lässt sich charakterisieren im Sinne von Entscheidungskompetenz. In Abgrenzung zum ineffektiven Risikomanagement weisen Entscheidungskompetenz und effektives Risikomanagement die folgenden Merkmale auf: » Einsicht, dass jeder Risikomanagementansatz inadäquat sein kann; » Verständnis und Kenntnis von Risiken; » Eröffnung und Nutzung von Spielräumen für eine stärker systemorientierte Regulierung anstelle der Risikokontrolle » intellektuelle Bescheidenheit und Grenzen sowie Einschränkungen der Methoden wahrnehmen; » Verwendung effektiver Risikomodellierungsansätze, die den Bereich der bekannten Risiken erweitern; » Pflege der Bedachtsamkeit als erfolgreiche Strategie im Risikomanagement; » Förderung der praktischen Weisheit. Referenzen Bernstein (1996): Against the Gods: The Remarkable Story of Risk. New York: Wiley. Bhidé (2010): A Call for Judgment: Sensible Finance for a Dynamic Economy. New York: Oxford University Press. Boatright (2011): The Ethics of Risk Management: A Post-Crisis Perspective. In. BBVA (Eds.). 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Marktrisiko 11 Daníelsson et al. (2001): An Academic Response to Basel II. LSE Financial Markets Group. Special Paper Series. No. 130. Available at: http://www.bis.org/bcbs/ca/fmg.pdf (16/11/16). Das et al. (2013): Four theorems and a financial crisis. International Journal of Approximate Reasoning, 54: 701–716. Derman & Wilmott (2009): The financial modelers’ manifesto. Available at: http://ssrn.com/abstract=1324878. Duffie (2007): Innovations in Credit Risk Transfer: Implications for Financial Stability mimeo, Stanford University, Stanford, CA: http://www.stanford.edu/~duffie/BIS.pdf. Goodman (1955): Fact, Fiction, & Forecast, Cambridge, MA: Harvard University Press. Hellwig (2008): Systemic risk in the financial sector: an analysis of the subprime-mortgage financial crisis. Preprints of the Max Planck Institute for Research on Collective Goods Bonn 2008/43: 129–207. Jorion (1997): Value at Risk: The New Benchmark for Controlling Market Risk. Chicago: Irwin. 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Er arbeitet daneben als Senior Scientist am Lehrstuhl für Entrepreneurial Risks an der ETH Zürich, berät das FinTech Innovation Lab der Universität Zürich und lehrt FinTech im Executive Programm an der Universität von Liechtenstein. Darüber hinaus ist Hoffmann als Autor aktiv. 1 Wilhelm von Humboldt notierte einige Aphorismen, die seine Editoren posthum unter die Überschrift „Über das Denken und Sprechen“ stellten. Die ersten drei Aphorismen widmen sich der Reflexion, „der Essenz des Denkens“, und der zweite sticht hervor: „Um zu reflektieren, muss der Geist für einen Moment in seiner progressiven Tätigkeit stillstehen, das gerade Gesagte als Einheit begreifen und es so als Objekt gegen sich selbst stellen“ [zitiert in von Glaserfeld, 1995: 90; übersetzt vom Autoren]. 2 In den weniger drastischen und scharfen Worten von Zaleznik [2004]: Manager „instinctively try to resolve problems quickly – sometimes before they fully understand a problem’s significance.“ 3 Williams [2010: 107] schreibt zum Beispiel naiv: „Lehman traders took on risk with each trade every day. At day’s end, these bets showed up on the firm’s profit and loss (P&L) statement as either profit or loss. This provided immediate feedback on whether risk was appropriately managed or not.“ 4 Auch wenn im Wesentlichen die Idee des Überlegungsgleichgewichts im Mittelpunkt von Goodmans Arbeit steht, wurde der Begriff durch John Rawls prominent. Vgl. https://plato. stanford.edu/entries/reflective-equilibrium/.

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