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RISIKO MANAGER 08.2017

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36 RISIKO MANAGER 08|2017 Anwendung des VaR-Risikomaßes Das Risiko, einen Verlust zu erleiden, zeichnet sich durch eine unterschiedliche Form der Verteilung aus. Im Bereich der erwarteten Risiken, der sich durch eine hohe Frequenz von Verlusten auszeichnet, sieht die Verteilung der Risiken anders aus, als in dem Bereich der unerwarteten, in der Regel extremen Risiken. Der Blick auf diesen Teil der Randverteilung mit der Lupe zeigt, dass sie eine Form der Zacken hat ( Abb. 01). Das ist der Bereich, in dem Stresstesting-Verfahren angewendet werden. Es ist sichtlich schwer, eine Verlustverteilung für diesen Bereich zu bestimmen, auch wenn mit der Extremwerttheorie deutliche Fortschritte gemacht werden konnten. Abb. 01 Tab. 01 Finanzielle Risiken Operationelle Risiken Compliance Risiken Strategische Risiken Andere Risiken Risiken: Verlust-Verteilung Erwartete Verluste gewähltes Konfidenzniveau Risiken bei Finanzinstituten Marktrisiken, Zinsänderungsrisiken, Kreditrisiken, Liquiditätsrisiken, Fremdwährungsrisiken, Außerbilanzielle Risiken Operationelle Risiken, Modellrisiken, Technologie-Risiken Verhaltensrisiken Die meisten Finanzinstitute wenden ein oder mehrere Risikomaße an, um das Gesamtrisiko zu messen. Überschreitet diese Maßzahl das gesetzte Zielniveau für das Risiko, werden die Risiken reduziert, ansonsten besteht die Tendenz zur Risikoerhöhung. Das meist verwendete Risikomaß ist der Value at Risk (VaR), der zu den einseitigen – den „downside“-Risikomaßen gehört. Damit wird das Risiko als Gefahr der Unterschreitung eines bestimmten Sicherheitsniveaus verstanden. Es kann auf täglicher Basis bestimmt werden und auch für längere Zeitabschnitte geschätzt werden. VaR ist sehr nützlich, aber nur dann, wenn die Frage, auf die es seine Antwort liefert, richtig verstanden wird. VaR ist definiert als maximaler potenzieller Unerwartete Verluste Vergrößert: Extreme Risiken kommen in Form von "Zacken" Geschäftsmodell-Risiken, Länderrisiken, Hoheitsrisiken, Insolvenzrisiken Event-Risiken, Makroökonomische Risiken, Systematische Risiken Verlust im Wert des Portfolios von Finanzinstrumenten, mit einer gegebenen Wahrscheinlichkeit p über einen bestimmten Zeithorizont. Sei zum Beispiel die Wahrscheinlichkeit von einem Prozent gewählt und der Zeithorizont von fünf Tagen. Dann gibt der VaR das Minimum des potenziellen Verlustes, den das Portfolio erleiden kann, in dem ein Prozent von „worst cases“ in fünf Tagen. Oder gleichbedeutend: VaR ist das Maximum des potenziellen Verlusts, den das Portfolio erleiden kann, in den 99 Prozent „best cases“ in fünf Tagen [Vgl. Acerbi 2004, S. 153, 154]. Wie aus diesem Beispiel ersichtlich ist, ist der VaR nicht der erwartete größte Verlust innerhalb der Zeitspanne. Vielmehr ist es das beste Szenario aus den „worst case“-Szenarien. Es sagt ebenfalls nichts über die Verluste aus der Randverteilung aus, dass heißt über die Verlustwerte, die den VaR- Wert überschreiten. Der VaR wurde in der akademischen Literatur insbesondere für seine mathematischen Eigenschaften kritisiert, in der Praxis eher aus anderen zwei Gründen: einerseits, dass der VaR den Schaden nicht rechtzeitig abbildet, andererseits, dass der VaR für komplexe Portfolien unbrauchbar ist. Ein Risikomaß, das bessere Eigenschaften aufweist und gleichzeitig eine Aussage über die Risiken aus der Randverteilung der Verlustfunktion ermöglicht, wurde eingeführt: der Expected Shortfall (ES). Dieser gibt die Schätzung des Erwartungswerts des Verlusts hinter dem VaR an, was Gleichung 01 veranschaulicht [Vgl. Acerbi, 2004, S. 156, 157, 159]. Wird das oben genannte Beispiel betrachtet, stellt der ES den Erwartungswert des Portfolioverlusts in dem ein Prozent der „worst cases“ in fünf Tagen dar. Es ist ersichtlich, dass die komplette Auswahl von Szenarien beziehungsweise Daten hinter dem p-Niveau untersucht wird. Dies steht im Zentrum des Interesses des Stresstesting, bei dem die Höhe des möglichen Verlusts, wenn ein extremes Ereignis eintritt, im Mittelpunkt des Interesses steht. Diese Risikomaße können unter Anwendung von parametrischen (beispielsweise Monte-Carlo-Simulation), nicht parametrischen (beispielsweise Historische Simulation) und semiparametrischen (Extrem-

ERM 37 Gleichung 01 werttheorie) Methoden berechnet werden. Je nach gewählter Methode bestehen Unsicherheiten über die Passung der Verteilungen, Parameter, der Daten und natürlich den statistischen Fehlern der jeweiligen Methode. Risikoquantifizierung und Gestaltung der Entscheidungsfindung Eine der Aufgaben des Risikomanagements besteht darin, das passende Risikomaß zu finden. Aufgrund der Interaktion der notwendigen Input-Parameter, die für die Durchführung der Risikoberechnung geschätzt werden müssen, der Datenproblematik (zu wenige Daten für gewisse Ereignisse, qualitativ niedrigwertige oder inkonsistente Daten etc.), aber auch statistischer Fehler kann die Berechnung tatsächlich ein wenig aussagekräftiges Ergebnis liefern: Beispielsweise können hinter dem Wert VaR = 10.000 EUR deutlich höhere Verlustbeträge verborgen sein. Die Wahl des VaR versagt ebenfalls bei Portfolien, die mit einer hohen Wahrscheinlichkeit kleinere Beträge erwirtschaften, aber mit einer sehr kleinen Wahrscheinlichkeit sehr hohe Verluste erleiden können. Hier könnte zwar ES eine Abhilfe bieten – unter der Bedingung, dass es ausreichend viele Daten für die Randverteilung gibt beziehungsweise, dass diese genau genug geschätzt werden kann. Die oben genannte Problematik der Parameterschätzung, Daten und so weiter bleibt jedoch bestehen. An dieser Stelle ist ersichtlich, dass der Entscheider, dem die Risikozahl kommuniziert wird, die Hypothesen, die gemacht wurden, und die Rechenmethodik verstehen muss. Hierbei liegt die Verantwortung des Risikomanagements in der verständlichen und zeitnahen Kommunikation der Ergebnisse an die Entscheidungsträger [Vgl. MaRisk, 18.2.2016, AT 4.3.2. Tz 4]. Die Verantwortung für die Entscheidung liegt jedoch bei der Führungsebene selber. Der Prozess der Informationsweitergabe ist ein bedeutender Teil der effizienten Risikokultur. Das Versagen des Risikomanagements in diesem Fall wäre, die Risikozahlen zu berechnen, ohne die grundlegenden Informationen über ihre Entstehung verständlich den Entscheidungsträgern zu kommunizieren. Es zählt nicht zu seinen Versäumnissen, wenn die Kommunikationswege oder Hierarchien im Unternehmen, die teilweise als ein Filter agieren, dazu führen, dass gewisse Informationen nicht, nicht vollständig oder zu spät bei den richtigen Führungskräften als Entscheidungsgrundlage ankommen. Zwei weitere Hauptprobleme bei der Risikomessung sollten ebenfalls Beachtung bei der Überprüfung oder Neugestaltung der Risikokultur finden: Erstens, Risiken werden nicht adäquat gemessen, weil die modernen Risikomethoden nicht für die Krisenrisiken geeignet sind. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das tägliche VaR in Zeit von Turbulenzen sehr oft überschritten wird, ohne dass sich die Bankpositionen ändern. Die ökonomischen Marktgegebenheiten können so gestaltet sein, dass es kaum möglich wird, das tägliche Risiko zu bestimmen. Seine Aussagekraft wird also sinken. Ähnlich wenig versagt das Risikomanagement, wenn beispielsweise ein Ein-Tages-VaR mit einem Prozent Wahrscheinlichkeit 10 Mio. EUR beträgt und einmal in 150 Tagen dieser Wert doch überschritten wird, mit einem Verlust von einer Milliarde EUR. Die verfügbaren Daten und Methoden, mit denen dieses Ergebnis gemessen wurde, würden jedoch auf eine sehr gute Arbeit des Risikomanagements zeigen. Zweitens, die Risiken werden ignoriert oder ihre Wirkung wird falsch eingeschätzt. Das passiert beispielsweise, wenn es für eine Risikoart noch keine Abbildungsmöglichkeit in bestehenden Risikosystemen gibt. Oder wenn es Anreize gibt, zumindest für eine gewisse Zeit, Risiken zu verbergen. Zum anderen spielt die völlige Unkenntnis der Risiken eine Rolle. Zum Beispiel gab es vor der Subprime-Krise keinerlei Erfahrungen mit dem Rückgang auf dem Immobilienmarkt. Es gab auch keine Erfahrung mit den Risiken der komplex strukturierten Produkte. Folglich gab es keine Daten, auf die die quantitativen Methoden aufsetzen konnten. Nun stellt sich noch die Frage, wie das Institut mit solchen unbekannten Risiken umgeht mit Risiken, für die kein quantitatives Modell eine Antwort liefern kann. Von der Regulierung wird die Durchführung von Stress-Szenarien für alle wesentlichen Risiken verlangt, es sollen ebenfalls „inverse“ Stresstests, als eine Ergänzung zu sonstigen Stresstests, aufgestellt werden [Vgl. MaRisk, 18.2.2016, AT 4.3.3. Tz 1, 2 und 4]. Das Unwahrscheinliche und Unvorstellbare, jedoch Plausible, soll aufgedeckt werden, die möglichen Handlungsund Notfallpläne sollen aufgestellt werden. Vielleicht wäre es empfehlenswert, für solche Eventualitäten ein gewisses Kapital zusätzlich zum Puffer aufzunehmen. Bei diesem Punkt ist die professionelle Urteilsfähigkeit der Risikomanager gefragt. Diese jedoch, beinhaltet signifikante Elemente der Subjektivität. Der Umgang mit der Plausibilität solcher Überlegungen gehört ebenfalls zu der Risikokultur, die gelebt wird (in den MaRisk, 18.2.2016, AT 4.1 Tz 5 wird z.B. explizit gefordert, dass eine qualifizierte Expertenschätzung für die Plausibilisierung des Risikobetrags, für den es keine geeignete Quantifizierungsverfahren gibt, für die Risikotragfähigkeit durchgeführt wird). Oft ist die Situation anzutreffen, dass je weiter das Risikomanagement von den etablierten quantitativen Methoden abrückt, desto mehr wird es in die intra-politischen Kontroversen des Instituts verwickelt. Hier jedoch hängt das Ergebnis mehr von dem Risikoappetit des Instituts und seiner Kultur ab, als von den

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