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RISIKO MANAGER 08.2016

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44 firm Frankfurter

44 firm Frankfurter Institut für Risikomanagement und Regulierung Darüber hinaus werden die durch Illiquidität ausgelösten Preisabschläge von Anleihen betrachtet und Implikationen für die Steuerung von Liquiditätsrisiken entwickelt. Nils-Christian Detering wies in seinem Vortrag „Model Risk of Contingent Claims and Risk Minimizing Hedging Strategies“ darauf hin, dass die Modellwahl und Modellparametrisierung eine potenzielle Risikoquelle bei der Bewertung von (Markt-)Risiken darstellt. Es gilt daher, die möglichen Verluste im Zusammenhang mit dieser Art von Modell-Fehlspezifikation entsprechend zu quantifizieren. Entwickelt wurden Maße für die Bewertung des Modellrisikos anhand der potenziellen P&L, die eine abgesicherte Position generiert. Im Wesentlichen wird durch Hedging das Marktrisiko der Position eliminiert. Eine etwaige verbleibende P&L ergibt sich demnach aus Absicherungen im Rahmen eines fehlspezifizierten Modells. Durch Wahrscheinlichkeitsgewichtung des Absicherungsfehlers gegenüber einer Reihe möglicher Modelle wird eine kombinierte Wahrscheinlichkeitsverteilung dieser „Rest-P&L“ erzeugt. Diese dient schließlich als Grundlage für die Berechnung von Modellrisikomaßen, wie etwa dem Value at Risk oder dem Expected Shortfall. „Ein solches Risikomaß hat den Vorteil, dass das Modellrisiko mit den anderen Risikoarten aggregiert werden kann", erklärt Wolfgang Hartmann, Vorstandsvorsitzender FIRM. Es trage damit zu einer ganzheitlichen Einschätzung der Risiken in den Handelspositionen bei und könne dazu verwendet werden, eine geeignete Kapitalunterlegung für unerwartete Verluste durch Modellrisiken zu bestimmen. Belohnungsstruktur beeinflusst Entscheidungen Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile, wusste bereits der große Philosoph Aristoteles. Nach der Mittagspause beschäftigte sich Bernd Weber, Professor und Neurowissenschaftler an der Universität Bonn mit den biologischen Einflüssen auf individuelles reales Anlageverhalten. Ganzheitliches Denken bedeutet auch mit beiden Gehirnhälften zu denken – links mit dem rationalen und analytischen Denken und rechts mit dem Vermögen an Phantasie und Kreativität. Entscheidungen für oder gegen spezifische finanzielle Anlagen werden durch unterschiedlichste Faktoren beeinflusst, etwa das soziale Umfeld, verfügbares Vermögen, Bildung oder Persönlichkeit. In den letzten Jahren ist durch die Zusammenarbeit der Lebens- mit den Sozialwissenschaften auch die biologische Heterogenität stärker in den Fokus der Forschung gelangt. In der Zwischenzeit wird immer besser verstanden, welche neuronale Basis risikobehaftete – und auch spezifisch finanzielle – Entscheidungen haben. So untersucht Bernd Weber beispielsweise, welche Regionen im Gehirn bei der Bewertung von Entscheidungsoptionen eine Rolle spielen. Wie werden Risiken und Unsicherheiten in Bewertungsprozesse integriert? Die Wissenschaftler der Universität Bonn beschäftigen sich in verschiedenen Studien mit dem Zusammenhang von neurobiologischen Unterschieden in der Wahrnehmung und Prozessierung von Risiken im Labor und im realen Kontext. In einem Laborexperiment konnte mittels Blickbewegungsmessungen und funktioneller Kernspintomografie gezeigt werden, wie Informationssuchprozesse bei Lotterieentscheidungen mit der neuronalen Reaktion auf Gewinne und Verluste zusammenhängen. Personen unterscheiden sich in der Aufmerksamkeit, die sie auf mögliche Gewinnhöhen und die Wahrscheinlichkeiten für deren Eintreten richten. Manche Personen richten dabei eine stärkere Aufmerksamkeit auf die Beträge, während andere mehr auf die Eintrittswahrscheinlichkeiten achten. Das Experiment machte erstmalig deutlich, dass diese Aufmerksamkeitsprozesse mit der Reaktion in Belohnungsstrukturen des Gehirns zusammenhängen: Die Belohnungsstrukturen des Gehirns sind essenziell für die Motivation von Verhalten. Betrachtung aus der Distanz hilfreich Kai Wilhelm Franzmeyer, viele Jahre CEO der Portigon AG, setzte sich in seinem Vortrag mit der Umsetzung von Abwicklungsplänen in der Realität auseinander. „Wenn Sie Probleme und Schwachstellen einer gefährdeten Bank finden wollen, hilft eine Betrachtung aus der Distanz. Dies erleichtert den Fokus auf das Wesentliche“, war seine Empfehlung an die Teilnehmer der Forschungskonferenz der Gesellschaft für Risikomanagement und Regulierung e.V. Am Beispiel der Hypo Real Estate (HRE) und der WestLB analysierte er die primären Ursachen für die Krise. Zur kurzfristigen Refinanzierung langfristiger Kredite diente das Geschäft mit institutionellen Anlegern. Große Teile der langlaufenden Wertpapierbestände der HRE waren über Repo-Geschäfte – also ebenfalls kurz – finanziert. Fatal, wie sich während der Banken- und Finanzmarktkrise zeigte. Ein geringer Preisverfall bei den Anleihen genügte, um die Liquidität aufzuzehren. Ein Downgrading erst recht. „Die großen Probleme haben einfache Anlässe“, so die Erkenntnis von Franzmeyer. In der Krise ist vor allem ein effektives Notfallmanagement mit Bereitstellung von Liquidität und Kapital erforderlich. Dies erlaubt eine wertschonende Behandlung von Problemportfolios. Und insbesondere die Reduktion von Komplexität ist ein entscheidender Erfolgsfaktor in Krisensituationen. Risiko ist unser Geschäft „Banken konkurrieren seit jeher um die richtige Einschätzung von Risiken. In gewisser Weise gilt, Risiko ist unser Geschäft“, so Wolfgang Kirsch, Vorsitzender des Vorstands der DZ BANK und Laudator bei der Verleihung des FIRM-Forschungspreises 2016. Kirsch wies darauf hin, dass Risiken per se nichts Schlechtes sind. Denn Risiko hat immer zwei Seiten: Die Chancen- und die Gefahrenseite. Eine originäre Aufgabe der Banken besteht in der Risikotransformation. Und Risikomanagement heißt nicht Risikovermeidung oder gar -eliminierung. „Bis 2007 hatten wir es vorrangig mit der Bewertung und dem Management von Einzelrisiken zu tun, wie zum Beispiel dem Zinsänderungs- oder dem Adressausfallrisiko auch in Extremszenarien, für sich betrachtet durchaus kalkulierbar. In der Finanzkrise wurde die existenzielle Bedeutung des Liquiditätsrisikos wieder sichtbar und damit auch die Sinnhaftigkeit der Goldenen Bankregel.“ Kirsch zeigte in seinem Vortrag auf, dass wir uns heute einer zunehmend komplexen Risikosituation gegenüber sehen. Denn als unmittelbare Folge der Finanzkrise sind wir nicht mehr „nur“ mit den klassischen Einzelrisiken konfrontiert, sondern haben es mit

45 Ausgabe 08/2016 Prof. (em.) Dr. Dr. h.c. Wolfgang Bühler, Universität Mannheim. Philipp Schuster, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), ist Gewinner des FIRM Forschungspreises 2016. Prof. Dr. Bernd Weber, Center for Economics and Neuroscience, Universität Bonn, zeigte auf, dass die Belohnungsstrukturen des Gehirns essenziell für die Motivation von Verhalten sind. Tom Wilson, Chief Risk Officer der Allianz Gruppe, diskutierte mit den Teilnehmern über Risikomanagement und wertorientierte Steuerung. Dr. Carsten Lehr (Beiratsvorsitzender FIRM, Geschäftsführer, Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH) im Dialog mit Christiane Kunisch-Wolff (Mitglied des Vorstands, Aareal Bank AG). Von links nach rechts: Prof. Dr. Thomas Kaiser (Goethe-Universität Frankfurt am Main), Dr. Nader Maleki (Präsident, International Bankers Forum e.V.) und Jürgen Sonder (Geschäftsführer, Intrum Justitia GmbH).

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