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RISIKO MANAGER 08.2016

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16 RISIKO MANAGER 08|2016 Kommentar Sind Risikomanager Spezialisten in Sachen Risikomanagement? Bei den vielfältigen Herausforderungen einer nicht vorhersehbaren Zukunft ist die Fähigkeit mit Risiken umzugehen – und damit das Risikomanagement – potenziell ein zentraler Erfolgsfaktor für ein Unternehmen. Der praktische Mehrwert ist jedoch noch immer stark eingeschränkt, weil Erkenntnisse aus Risikoanalysen zu wenig konsequent genutzt werden, um bei der Vorbereitung unternehmerischer Entscheidungen erwartete Erträge und Risiken gegeneinander abzuwägen. Wenn jedoch Informationen über Chancen und Gefahren (Risiken) kaum oder gar falsch bei unternehmerischen Entscheidungen beachtet werden, kann man auch keinen größeren Mehrwert erwarten.

ERM 17 Der Grund für den gewaltigen „Gap“ zwischen potenziellen Möglichkeiten und realisiertem Nutzen liegt – neben den persönlichen Interessen und psychologischen Faktoren – insbesondere darin, dass die notwendigen fachlichen Spezialkenntnisse für eine wirkliche risiko- und wertorientierte Unternehmensführung in den meisten Unternehmen kaum zu finden sind. Fehlende „Risikomanagement-Spezialkompetenzen“ und die damit unzureichenden betriebswirtschaftlichen Methoden (beispielsweise im Bereich der Risikoaggregation) führen speziell bei Industrie- und Handelsunternehmen dazu, dass die Potenziale nicht erschlossen werden. Die meist eher generalistisch ausgerichtete Unternehmensführung kennt die Potenziale einer risikoorientierten Unternehmensführung oft gar nicht und – besonders problematisch – selbst in Risikomanagement und Controlling findet man das an sich notwendige Spezial-Know-how leider nur selten. Ursache dafür ist in der Regel nicht fehlende Intelligenz oder Motivation der dort agierenden Personen, beispielsweise des „Risikomanagers“. Das Problem besteht darin, dass die überwiegende Mehrheit der Risikomanager oder Risikocontroller wegen einer fehlenden vertiefenden Ausbildung eben auch nicht im eigentlichen Wortsinn die „Spezialisten“ sind, wie man sie in anderen Themenfeldern (von Rechnungswesen bis zur ingenieurwissenschaftlichen Entwicklung) ganz selbstverständlich findet. Um es – mit ausdrücklicher Entschuldigung an die Betroffenen und ohne Abwertung ihrer sonstigen Fähigkeiten – etwas plakativ zu formulieren: Viele Mitarbeiter im Risikomanagement kann man charakterisieren als „fortgeschrittene Anfänger mit Zusatzausbildung und Praxiserfahrung im Risikomanagement“ – was aber allen anderen, mit noch weniger Spezialkenntnissen meist verborgen bleibt. Praktisch keiner hat ein breites und tiefes fachlich methodisches Fundament, das man beispielsweise als „Betriebswirtschaftslehre, Fachrichtung Risikomanagement“ interpretieren könnte. Es fehlt auch an Ausbildungsangeboten, ausreichenden personellen Ressourcen und Zeit, die fachlichen Grundlagen im Rahmen der Arbeitszeit adäquat zu vertiefen. Besonders deutlich wird das Manko, wenn man sich das Weiterbildungsangebot für Risikomanager ansieht. Das an sich durchaus sinnvolle und empfehlenswerte Angebot reicht von ein- bis zweitägigen Seminaren bis hin zu gut durchdachten und qualitativ hochwertigen Angeboten, beispielsweise der Universität Augsburg (ZWW) oder das Programm „Enterprise Risk Manager“ der Universität Würzburg. Die Programme sind sicherlich empfehlenswert, wenn man eine Basisqualifikation in Sachen Risikomanagement aufbauen möchte. Nur wenige Programme gehen weit über dieses Basiswissen hinaus. Aber wird man dadurch zu einem „Spezialisten“ oder – wie dies in einem Programm genannt wird – „Profi“? Wieviel Wissenstransfer kann man in einem Ausbildungsprogramm von beispielsweise zehn Tagen erwarten? Ganz sicher keinen, der zum Level eines Spezialisten führen könnte, sondern bestenfalls zu einer Fachkraft mit einer überblickartigen Zusatzqualifikation in Sachen Risikomanagement. Dies wird sofort offensichtlich, wenn man diese Zehn-Tage-Ausbildung vergleicht mit dem Arbeitsumfang in einem mehrjährigen Studium. Auch ein intelligenter Mensch mit Vorwissen benötigt wahrscheinlich schon rund zehn Tage, um die notwendigen Techniken für die im IDW PS 340 vernünftigerweise geforderte „Aggregation von Risiken über die Zeit“ zu beherrschen: Neben fundierten Kenntnissen über Wahrscheinlichkeitsverteilungen und ihre Parametrisierung muss man sich mit stochastischen Prozessen und Simulationsverfahren auseinandersetzen. Und andere Themenfelder, die ein Experte in Sachen Risikomanagement benötigt, um tatsächlich ökonomischen Mehrwert zu bieten, sind auch nicht weniger arbeitsintensiv. Während vielleicht rechtliche Grundlagen, Psychologie und Organisation wegen allgemein nutzbaren Vorwissens noch relativ „kompakt“ bearbeitbar sind, erfordern „anwendungsreife“ Kenntnisse der Verfahren im Bereich Rating und risikogerechter Bewertung, die man zur Auswertung von Risikoinformationen benötigt, sicherlich meist viel Zeit. Und wenn ein Risikomanager neben den allgemeinen grundlegenden Methoden seiner Disziplin auch noch Kompetenzen in einzelnen Risikobereichen aufbauen möchte – man denke an strategische Risiken, technische Risiken oder Finanzrisiken – wird eines schnell klar: Zehn Tage sind der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Mit 100 Tagen könnte man vielleicht von einem soliden Fundament ausgehen (aber wirkliche „Experten“ hat man damit auch noch nicht). Welche Unternehmen investieren jedoch 100 oder 200 Arbeitstage, um wirklich fachlich fähige Risikomanager zu erhalten? Lohnen würde sich eine derartige Investition aufgrund der oben gezeigten Potenziale ganz sicher. Gefordert sind die Unternehmen und die Hochschulen: Wir brauchen wirkliche Top-Spezialisten im Risikomanagement (wie es sie in anderen Disziplinen längst gibt). Dies erfordert ein anspruchsvolles universitäres Ausbildungsprogramm (Studium), dessen Realisierung sicherlich nur in Zusammenarbeit mit der privaten Wirtschaft gelingen kann. Das akkreditierte Masterstudium „Risikound Compliancemanagement“ der Technischen Hochschule Deggendorf ist ein sehr guter Schritt in die Richtung einer Expertenausbildung. Autor: Prof. Dr. Werner Gleißner, Vorstand Future- Value Group AG, Leinfelden-Echterdingen, Honorarprofessor für BWL, insb. Risikomanagement, an der TU Dresden.

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