8 Ausgabe 08/2015 Mehrere Backtesting-Verfahren für den Expected Shortfall setzen auf dieser Flügelverteilung auf [vgl. Wong 2008, Righi/Ceretta 2013, Acerbi/Székely 2014]. Insbesondere kann ein solches Verfahren auf Basis der Scoring-Funktion konstruiert werden, indem das Verfahren von Righi/Ceretta [vgl. Righi/Ceretta 2013] auf die Relation aus quadratischer Abweichung und Varianz der Flügelverteilung adaptiert wird. Ebenso kann man Verfahren über einen gegenüber dem Value at Risk verallgemeinerten Ausreißerprozess entwickeln [vgl. Constanzino/Curran 2014]. Beide Herangehensweisen werden im nächsten Abschnitt genauer betrachtet. Insgesamt ist Elizitierbarkeit also weder ursächlich für die Existenz der üblichen Backtesting-Verfahren des Value at Risk noch für die Schwierigkeiten der Backtesting-Verfahren für den Expected Shortfall. Backtesting Expected Shortfall – konkrete Verfahrensvorschläge Ungeachtet der vorhergehenden Diskussion wurde in den letzten Jahren eine Vielzahl verschiedener Verfahren für das Backtesting des Expected Shortfall vorgeschlagen [ für eine Übersicht bis 2011, vgl. BCBS 2011, aktueller auch Homescu 2014]. In diesem Abschnitt greifen wir drei dieser Verfahren auf und diskutieren Anwendungen und Weiterentwicklungen. Im Einzelnen handelt es sich hierbei um: • Quadraturformeln [aufgreifend Emmer/ Kratz/Tasche 2013], aufgrund ihres Zusammenhangs mit den Vorschlägen des Baseler Ausschusses [BCBS 2013, S. 27], • Ausreißerprozesse [ folgend Acerbi/Scéleky 2014, Constanzino/Curran 2014], aufgrund ihrer Nähe zum klassischen Backtesting des Value at Risk, • Streumaße auf der Flügelverteilung [ folgend Righi/Ceretta 2013], aufgrund ihrer formalen Nähe zur Scoring-Funktion des vorhergehenden Abschnitts. Für einige illustrative Rechnungen nutzen wir im Folgenden ein aus Gründen der Klarheit der Darstellung gegenüber einer realistischen Geschäftssituation vereinfachtes Anleiheportfolio. Das betrachtete Portfolio setzt sich aus fünfjährigen Anleihen mit Nondefault Ratings auf einer achtstufigen Ratingskala zusammen, deren Laufzeiten alle per 1. Januar 2008 beginnen und per 31. Dezember 2013 enden. Effektiv kann das Portfolio damit durch Annäherung des Expected Shortfall durch Summenbildung t Gleichung 04 Anwendung Gauß-Integration t Gleichung 05 eine ein zige Anleihe beschrieben werden, dessen effektiver Kupon bei 4,97 Prozent liegt. Die für ein realistisches Portfolio wesentliche Creditspread-Dynamik wird unterdrückt, weil es im Weiteren nur um das Studium des grundsätzlichen Verhaltens der verschiedenen Backtesting-Verfahren gehen soll. Deshalb wird nur eine begrenzte Zahl von Risikofaktoren simuliert, und die Dynamik des Portfolios beschränkt sich auf die Barwertveränderungen aufgrund der Veränderung in den Zinssätzen. Es wird eine historische Simulation dieser Zinsdynamik durchgeführt, wobei bzgl. jedes Berechnungsstichtags jeweils die letzten 250 historischen Szenarien verwendet werden. Es wird ein Ein- Tages-Risiko berechnet, das mit täglichen P&L-Veränderungen (Clean) verglichen wird. Quadraturformeln Aus der Definition des Expected Shortfalls als Integral ist unmittelbar einleuchtend, dass eine Annäherung als gewichtete Summe einzelner Quantile VaR i (L) möglich ist (t Gleichung 04). Diese Art der Näherung unterliegt den von [Emmer/ Kratz/Tasche 2013] bzw. dem Baseler Ausschuss [BCBS 2013, S. 27] vorgeschlagenen Backtesting-Methoden. Auf vorgegebenem Raster { i } i =1 … N aus vier Punkten {, 0.75+ 0.25, 0.5 + 0.5, 0.25+ 0.75} bzw. zwei Punkten {= 97,5 Prozent; 99 Prozent} sollen die bekannten Value at Risk-Backtesting-Methoden für jede Stützstelle einzeln angewandt werden. Implizit kann hierdurch getestet werden, ob die bedingten Wahrscheinlichkeiten ( i+1 – i )/ (1 – ) der Partitionen korrekt vorausgesagt werden. Ein solches Backtesting ist desto valider, je besser die getesteten Stützstellen den Expected Shortfall annähern. Wir schlagen daher eine Systematisierung der Approximation über die Methode der Gauß-Integration vor [vgl. z.B. Schwarz/Köckler 2004, S. 320 ff.] (t Gleichung 05). Die Stützstellen werden im Folgenden als Nullstellen von entsprechenden Legendre-Polynomen gewählt (Gauß-Legendre- Integration), die Gewichte w i ergeben sich hieraus. Die Nullstellen können in entsprechende Quantil-Stützstellen umgerechnet werden. Beispielsweise ergeben sich für die Zwei-Punkt-Näherung des Baseler Ausschusses die beiden Stützstellen { G = 98,03 Prozent; 99,47 Prozent} {98 Prozent; 99,5 Prozent}. Sollte eine höhere Genauigkeit benötigt werden, empfiehlt sich die Nutzung eingebetteter Integrationsregeln, beispielsweise der Gauß-Kronrod- Quadratur [vgl. z.B. Schwarz/Köckler 2004, S. 328 f.]. Hierdurch wird eine optimale Verfeinerung des Gitters unter Beibehaltung der alten Stützstellen erreicht. Für die diskutierte Zwei-Punkt-Näherung führt die Gauß-Kronrod-Erweiterung auf die Fünf-Punkt-Näherung { GK 97,6 Prozent; 98 Prozent; 98,75 Prozent; 99,5 Prozent; 99,9 Prozent}. Die höhere Genauigkeit verlangt in der Regel nach der Schätzung höherer Quantile, was im Hinblick auf die verfügbare Datenqualität stets gegen die theoretische Verbesserung abzuwägen ist. Die Zusammenhänge werden in t Abb. 01 anhand der historischen Simulation für das Anleiheportfolio exemplifiziert. Aufgetragen ist die relative Abweichung des Expected Shortfalls aus den unterschiedlichen Quadraturformeln zu der empirischen Schätzung. Bezogen auf die Zwei-Punkt-Näherung (Stützstellen nach Gauß-Quadratur mit Legendre-Polynomen bzw. Baseler Ausschuss) ist erwartungsgemäß festzustellen, dass die Zwei- Punkt-Gauß-Näherung stets eine bessere Approximation liefert. Auffällig ist die Höhe der Verbesserung von bis zu 17 Prozentpunkten, insbesondere im normalen Markt des Jahresanfangs 2008.
9 Ausreißerprozess für spektrale Risikomaße t Gleichung 06 Ausreißerprozess für den Expected Shortfall Güte der Approximationen rel. Abstand: empirischer ES und n-Punkt-Näherung 0,00% -5,00% -10,00% -15,00% -20,00% -25,00% -30,00% 2-Punkt-Gauß 2-Punkt-Basel 5-Punkt-Gauß-Kronrod 4-Punkt-Emmer et al. t Abb. 01 Abbildungsgüte der Approximation des Expected Shortfalls durch Quadraturformeln gemessen in der Simulation des Anleiheportfolios anhand des relativen Abstands zum empirischen Expected Shortfall. Sprunghafte Strukturen sind auf die Methode der historischen Simulation zurückzuführen. Wert des kumulativen Ausreißerprozesses BT(N) 16 14 12 10 8 6 4 2 0 VaR - Ausreißerprozess ES - Ausreißerprozess t Gleichung 07 t Abb. 02 Kumulierte Ausreißerprozesse BT(N) für Value at Risk (VaR) und Expected Shortfall (ES) für das Anleiheportfolio zwischen 2. Januar 2008 und 31. Dezember 2008. Bezogen auf die Vier-Punkt-Näherungen fällt auf, dass die Rechnung mit Stützstellen nach Emmer et al. in der Regel keine deutliche Verbesserung gegenüber der Zwei- Punkt-Näherung des Baseler Ausschusses liefert, vielmehr sogar stets unter der Qualität der Zwei-Punkt-Näherung nach Gauß verbleibt. Die Gauß-Kronrod-Näherung hingegen verbessert wie erwartet stets die Integration gegenüber der Zwei-Punkt-Näherung. Die scheinbare Verschlechterung der Fünf-Punkt- gegenüber der Zwei-Punkt- Näherung im ersten Quartal 2008 ist auf die Nutzung des empirischen Expected Shortfalls als Benchmark, kombiniert mit der historischen Simulation, zurückzuführen. Es überlagern sich die Bewegungen der Benchmark und der Quadraturformeln bei hinzukommenden extremen Szenarien in der historischen Simulation. Abschließend sei nochmals auf den exemplarischen Charakter der Analyse des Anleiheportfolios hingewiesen. Die aufgezeigten Zusammenhänge können jedoch als valider Ausgangspunkt für eine tiefergehende Analyse dienen. Ausreißerprozesse Das klassische Backtesting des Value at Risk beruht auf dem Zählen von Ausreißern, präziser auf einer Zufallsvariablen der Form [vgl. z. B. Campbell 2005]. Die Variable ist unter bestimmten Voraussetzungen binomial- bzw. näherungsweise normalverteilt und ist Grundlage des Baseler Ampelsystems [BCBS 1996]. Constanzino/Curran [Constanzino/Curran 2014] verallgemeinern diesen Prozess auf allgemeine spektrale Risikomaße mit Risikospektrum () (t Gleichung 06) und zeigen, dass die Variable BT (N) unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls asymptotisch normalverteilt ist. Die Statistik enthält den Spezialfall des Value at Risk über das entartete Risikospektrum () = ( – ). Für den Expected Shortfall mit seinem Risikospektrum () = (≥ ) ergibt sich ebenfalls eine sehr einfache Formel (t Gleichung 07, F L (L t ) ist die kumulative Verteilungsfunktion der P&L-Variablen L t ). Die Statistik ist gleichverteilt auf dem Flügel und verschwindet abseits davon. Ihr Erwartungswert ist , die Varianz . Die Statistik BT ES (, N) kann unter der Hypothese, dass L t tatsächlich F L -verteilt
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