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RISIKO MANAGER_07.2019

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16 RISIKO MANAGER 07|2019 lässt. Dabei werden die wichtigsten Einflussgrößen identifiziert und Parametrisierungen vorgenommen, was zu einer modellhaften Sicht des Kundenwerts und der daraus möglichen Kundenwertbestimmung eines kompletten Kundenportfolios führt. Die Konzeption des Berechnungsmodells erfolgt in mehreren Schritten: 1. Prüfung der zur Verfügung stehenden Kundendaten und Unterteilung in Wertkomponenten, 2. Integration der positiven Werttreiber des CLV, 3. Integration der negativen Werttreiber des CLV, 4. Berechnung des gesamten CLV. Erster Schritt: Prüfung der Daten und Unterteilung in Wertkomponenten Abb. 02 Kundenwertmodell des Firmenkundengeschäfts 9 Positive Werttreiber Monetärer Wert i. Sockel ii. Potenzial Kundenwert Kosten Negative Werttreiber Qualitativer Wert Kundenbindungsrate Zu Beginn der Berechnung muss geprüft werden, auf welche Kundendaten zur Bestimmung der Werttreiber des CLV zurückgegriffen werden kann. Eine Möglichkeit ist die Nutzung von bereits erhobenen Daten, sodass bei der Datenbeschaffung ein überschaubarer Aufwand entsteht. Auf Basis der Analysen von Bankdaten wurden einige grundsätzliche Entscheidungen über die Art und den Umfang des CLV-Modells getroffen: » Es wurde festgelegt, dass die zentrale monetäre Größe der Deckungsbeitrag I (hier: Bruttoerlöse abzüglich Refinanzierungskosten) ist. » Die Anzahl der zu prognostizierenden Zukunftsperioden wurde auf zehn Perioden limitiert, da Prognosen ohnehin mit sehr hoher Unsicherheit verbunden sind und die Genauigkeit der Kundenwerte bei Berücksichtigung von mehr als zehn Perioden nicht automatisch ansteigt. » Das aufgestellte CLV-Modell besteht aus zwei Dimensionen: Die erste Dimension bildet alle Einnahmen durch eine Kundenbeziehung ab und die zweite Dimension die Kosten. Die positiven Werttreiber des CLV untergliedern sich in den monetären Wert des Kunden, der die künftigen positiven Cashflows widerspiegelt, sowie einen qualitativen Kundenwert, aus dem zwar keine direkten Cashflows resultieren, der allerdings ebenfalls – zumindest in kleinem Umfang – den Kundenwert beeinflusst. Die negativen Werttreiber setzen sich aus den vom Kunden verursachten Kosten und der Kundenbindungsrate zusammen. Die Kundenbindungsrate beeinflusst alle anderen Werttreiber, da daraus die Wahrscheinlichkeit des Zu- bzw. Abfließens aller Erträge und Kosten abgeleitet wird. Abb. 02 Zweiter Schritt: Integration der positiven Werttreiber des CLV Der monetäre Wert untergliedert sich in zwei Teilkomponenten, einen „Sockel“ und eine Potenzialkomponente. Der Sockel entspricht den prognostizierten Erträgen je Kunde für das Gesamtjahr 1 und gilt für alle weiteren Perioden. Verschiedene Verfahren wurden zur Bestimmung des Sockels simuliert und anschließend ihre Validität verglichen. Auf Ba-

ERM 17 sis dieser Analysen wurde wie folgt vorgegangen: Zur Prognose der ersten Perioden werden die vergangenen zwölf Perioden einer Kundenbeziehung auf Trends hin untersucht. Liegt ein Trend mit einem Bestimmtheitsmaß von 90 Prozent vor, wird der Trend bei der Ermittlung des Sockels berücksichtigt. Liegt kein Trend vor, wird der Sockel durch einen exponentiell gewichteten Mittelwert der vergangenen Perioden bestimmt. Das Potenzial eines Kunden wurde in vier Einzelpotenziale unterteilt, die von diversen bekannten und unbekannten Einflussfaktoren beeinflusst werden: » Das individuelle Kundenpotenzial: Zur Ermittlung des individuellen Kundenpotenzials wird jeder Kunde mit einer ähnlichen Kundengruppe verglichen. Dazu wurden die Merkmale Umsatzsegment und Branche herangezogen. Fragt ein Kunde ein Produkt weniger stark nach als die Vergleichsgruppe oder noch gar nicht, besteht ein höheres Potenzial. Besteht eine enge Beziehung zu einem Kunden, wird angenommen, dass das Potenzial deutlich geringer ist. » Das Branchenpotenzial: Die verschiedenen wirtschaftlichen Branchen, in denen die Firmenkunden aktiv sind bzw. von denen sie geschäftsmodellbedingt abhängig sind, werden sich in Zukunft unterschiedlich weiterentwickeln. Einige Branchen werden in Zukunft wachsen (z. B. vermutlich die Gesundheitsbranche), andere hingegen eher schrumpfen (z. B. vermutlich das Verlagswesen). Die künftige Branchenentwicklung wird wie folgt berücksichtigt: Es wird angenommen, dass ein Branchenwachstum je Prozent etwa 0,3 Prozent Potenzial auf steigende Nachfrage nach Bankprodukten hat. 10 » Das Produktpotenzial: Die Nachfrage nach den verschiedenen Bankprodukten wird sich ebenfalls in Zukunft unterschiedlich entwickeln. Das Auslandsgeschäft wird womöglich im Rahmen der weiter voranschreitenden Internationalisierung tendenziell zunehmen. Die Nachfrage nach Zinsderivaten wird sich eher rückläufig entwickeln, da die anhaltende und womöglich langfristig andauernde Niedrigzinsphase die Notwendigkeit von Zinsderivaten verringert. 11 Es wird angenommen, dass bei einer Produktgruppe mit steigendem Bedarf ein Potenzial von insgesamt 0,7 Prozent p. a. bezogen auf die bisherige Produktnachfrage gehoben werden kann. » Das Kundenlebenszykluspotenzial: Des Weiteren wurde der typische Beziehungszyklus mit einem Firmenkunden hergeleitet. Im Gegensatz zu einem klassischen Lebenszyklus eines Menschen weist ein Unternehmen keinen klassischen Lebenszyklus auf. Im Datenbestand konnte aber ein Zusammenhang zwischen der Länge der bisherigen Kundenbeziehung und der Intensität der Kundenbeziehung bestimmt werden: je länger die Kundenzugehörigkeit ist, desto geringer ist das Potenzial. Der Vollständigkeit halber fließen in die Kundenbewertung auch Werte ein, die nicht unmittelbar mit Zahlungsströmen zusammenhängen, allerdings nur in sehr geringem Umfang (0,25 Prozent des Kundenwerts). Bestimmten Kundeneigenschaften werden monetäre Werte per Schätzung zugewiesen, wobei die zwei wesentlichen qualitativen Firmenkundenwerte der Referenzwert und der Informationswert sind. Dritter Schritt: Integration der negativen Werttreiber des CLV Im nächsten Schritt fließen die Kosten einer Kundenbeziehung in das CLV-Modell ein. Dabei werden lediglich die Standardrisikokosten berücksichtigt, da das CLV-Modell auf Deckungsbeiträgen basiert und alle weiteren Kosten wie z. B. Personal- oder IT-Kosten in der Regel nicht genau einer Kundenbeziehung zugeordnet werden können. Falls institutsspezifisch weitere verursachungsgerecht zuordenbare Kosten vorhanden sind, so kann dies im Modell erweitert werden. Die Prognose über die Dauer einer Kundenbeziehung ist äußerst schwierig und folgenschwer, da bei Abbruch der Kundenbeziehung sofort alle durch den Kunden verursachten Zahlungsströme wegfallen würden. 12 In den meisten CLV-Modellen wird dieses Risiko in Form einer Kundenbindungsrate berücksichtigt. 13 Auch im hier konzipierten CLV-Modell wird so vorgegangen. Für jeden Kunden wird eine individuelle Kundenbindungsrate berechnet, die aus verschiedenen Eigenschaften hergleitet wird. 15 Zunächst wird bei jedem Kunden eine Basiskundenbindung von 98 Prozent unterstellt. Je nach Anzahl an nachgefragten Kredit- und Cross-Selling-Produktgruppen steigt die Rate (CS = Cross Selling). Des Weiteren erhöht sich die Kundenbindungsrate durch ein ausgewogenes Ertragsverhältnis zwischen Kredit- und Cross-Selling-Produkten. Dazu wird die CS-Quote herangezogen. 16 Da für die meisten Firmenkunden ein Rating erstellt wird, fließt zudem die Ausfallwahrscheinlichkeit eines Kunden mit ein. Vierter Schritt: Berechnung des gesamten CLV Im letzten Schritt werden alle zuvor berechneten Werttreiber verarbeitet und in die Kennzahl Customer Lifetime Value überführt. Der Kalkulationszinsfuß wurde auf 3 Prozent festgelegt, da die Renditen im Bankgewerbe derzeit sehr niedrig sind (Eigenkapitalrenditen deutscher Banken liegen aktuell bei knapp 2 Prozent 17 ). Zur Berechnung der CLVs werden die Erträge und Kosten pro Kunde und pro Periode summiert, mit der periodenindividuellen Kundenbindungsrate multipliziert und anschließend auf den Gegenwartszeitpunkt abgezinst. Der gesamte CLV wird nach der Formel in Abb. 03 berechnet. Analyse der beispielhaften Berechnungsergebnisse Nach Konzeption des CLV-Berechnungs- Modells konnte anhand der Praxisdaten eine umfassende Berechnung und Analyse erfolgen, um neue Schlüsse aus der so konzipierten Kundenbewertung ziehen zu können. Neben dem CLV spielt zudem die

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