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RISIKO MANAGER_07.2019

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12 RISIKO MANAGER 07|2019 sen, sondern deren Wahrnehmung durch die Mitarbeiter. Was nutzt ein Ethik- oder Verhaltenskodex, wenn die Mitarbeiter davon überzeugt sind, dass dieser nicht ernst zu nehmen ist? Was bringen Richtlinien und Verfahrensanweisungen, wenn Mitarbeiter glauben, dass diese leicht umgangen werden können? Wie effektiv können Hinweisgebersysteme sein, wenn Mitarbeiter nicht bereit sind, Verstöße zu melden? Wirkung von Maßnahmen messen Unterstützt wird dieses Ziel durch das Compliance-Index-Modell (vgl. Rick 2018). Es ist das Ergebnis zweier empirischer Studien, die an der Frankfurt University of Applied Sciences mit Unterstützung des Frankfurter Instituts für Risikomanagement und Regulierung (FIRM) durchgeführt wurden. Im Prinzip umfasst das Compliance-Index-Modell eine Reihe statistischer Verfahren zur Untersuchung komplexer Beziehungsstrukturen zwischen Maßnahmen und Mitarbeiterverhalten und ermöglicht so die quantitative Abschätzung der Wirkungszusammenhänge. Ein charakteristisches Merkmal des Modells ist, dass mit latenten Variablen (auch hypothetische Konstrukte genannt) gearbeitet wird. Latente Variablen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie sich einer direkten Beobachtbarkeit auf empirischer Ebene entziehen. Es bedarf daher zunächst geeigneter Indikatoren, mit deren Hilfe empirische Beobachtungswerte für die latenten Variablen gewonnen werden können. Indikatoren sind direkt gemessene Beobachtungen (Rohdaten), die entweder als Items (eines Fragebogens) oder als Messvariablen bezeichnet werden. Ein Beispiel für eine latente Variable im Compliance-Index-Modell ist das wahrgenommene Compliance-Risiko, also das aktuelle oder potenzielle Risiko für Erträge und Kapital, das durch Verstöße gegen Gesetze, Regelungen, Vorschriften, Vereinbarungen, vorgeschriebene Praktiken oder ethische Standards entsteht. Unter Verwendung dieser Ausgangsdaten können dann die Wirkungszusammenhänge zwischen den latenten Variablen mithilfe der Verfahren der Strukturgleichungsanalyse geschätzt werden. Dazu werden die Wirkungszusammenhänge in einem linearen Mehrgleichungssystem (sog. Strukturgleichungen) abgebildet und die Modellparameter mithilfe des Partial Least Squares (PLS)-Ansatzes (vgl. Wold 1973, 1975, 1982) so geschätzt, dass die Erklärungs- und Prognosekraft des Modells im Hinblick auf das Compliance-Risiko maximiert wird. Im Prinzip ist der dabei zur Anwendung kommende PLS-Algorithmus eine Sequenz von Ordinary Least Squares (OLS)-Regressionen in Form von gewichteten Vektoren, die nach dessen Konvergenz Fixpunktgleichungen erfüllen. In anderen Worten fasst das Modell die Wirkungszusammenhänge zwischen Maßnahmen und Mitarbeiterverhalten formal so, dass diese effektiv messbar und damit steuerbar werden. In Kombination mit einer Clusteranalyse lassen sich auf diese Weise Mitarbeitergruppen im Unternehmen finden, die sich in der Wirksamkeit der Maßnahmen unterscheiden. Unter dem Begriff Clusteranalyse werden unterschiedliche Verfahren zur Gruppenbildung zusammengefasst, die sich vor allem im Hinblick auf folgende zwei Aspekte unterscheiden: » Wahl des Proximitätsmaßes, d. h. des statistischen Maßes, mit dem die Ähnlichkeit bzw. Unähnlichkeit (Distanzmaße) zwischen Objekten gemessen wird. » Wahl des Gruppierungsverfahrens, d. h. der Vorgehensweise, nach der eine Zusammenfassung von ähnlichen Objekten zu Gruppen (Fusionierungsalgorithmen) oder aber die Zerlegung einer Erhebungsgesamtheit in Gruppen (Partitionierungsalgorithmen) erfolgen soll. Das Ergebnis ist ein mitarbeitergruppenspezifischer Compliance-Index (KPI), mit dem die Wirksamkeit der Maßnahmen innerhalb der Organisation gemessen, gesteuert und überwacht werden kann. Abb. 01 Darüber hinaus ist der Index auch in Einzelkomponenten zerlegbar. Er stellt somit ein aussagekräftiges Analyseinstrument dar und ist ein hilfreiches Controllinginstrument für das Management eines Unternehmens. Der Compliance-Index wird genutzt, um Stärken und Schwächen im Compliance-Management-System zu identifizieren und daraus, falls notwendig, strategische Maßnahmen zur Verbesserung abzuleiten. Dazu können modellgestützt konkrete, datengetriebene Handlungsportfolios aufgebaut werden, auf die man sich konzentrieren sollte, um vorhandene Ressourcen effektiv einzusetzen. Abb. 02 Um das gemessene Indexniveau zu halten, müssen Maßnahmen im rechten oberen Quadranten beibehalten werden („Stärken“). Um das gemessene Indexniveau zu verbessern, müssen Maßnahmen im rechten unteren Quadranten überarbeitet werden („Schwächen“). So zeigt das Beispiel „Mitarbeitercluster B“, dass hier präventive und reaktive Maßnahmen (Trainings und Investigations) des Compliance-Management-Systems verbessert werden müssen, um die Wirksamkeit zu erhöhen. Der Tone from the Top (z. B. die Vorbildfunktion der Führungskräfte) und detektive Maßnahmen (wie Monitoring & Testing) sind hier von untergeordneter Bedeutung. Durch wiederkehrende Messungen kann der Erfolg von Maßnahmen zur Verbesserung der Wirksamkeit des Compliance-Management-Systems im Zeitablauf aufgezeigt werden, so wie es bspw. vom U.S. Department of Justice seit kurzem gefordert wird (vgl. DOJ 2019, S.13).

ERM 13 Abb. 02 Handlungsportfolio Mitarbeitercluster B 10 9 8 Hier fokussieren 7 Wahrnehmung 6 5 4 3 2 Tone from the Top Vorbeugen von Fehlverhalten Erkennen von Fehlverhalten Reagieren auf Fehlverhalten 1 0 % 5 % 10 % 15 % 20 % 25 % 30 % Einfluss auf Mitarbeitercompliance Fazit Der Compliance-Index hat zum einen eine Informationsfunktion, denn er vermittelt wichtige Informationen über Stärken und Schwächen des Compliance-Management- Systems eines Unternehmens. Außerdem kann er in einzelne Komponenten zerlegt werden. Wird zusätzlich eine Clusteranalyse durchgeführt, ermöglicht diese eine Betrachtung der Wirksamkeit des Compliance-Managementsystems in unterschiedlichen Mitarbeitergruppen. Zum anderen hat der Index eine Steuerungsfunktion, da aus den ermittelten Stärken und Schwächen strategische Maßnahmen zur Verbesserung der Wirksamkeit des Compliance-Managementsystems abgeleitet werden können. Die Wirkung umgesetzter Maßnahmen kann im Zeitablauf betrachtet werden und zeigt die Entwicklung des Compliance-Indexes. Eine weitere Funktion des Indexes ist die Kommunikation, denn er bildet ein wichtiges Diskussionsthema im Unternehmen, um an der Verbesserung der Compliance-Kultur zu arbeiten. Darüber hinaus wird der Compliance-Index von Unternehmen dazu eingesetzt, eine Verbesserung der Wirksamkeit des Compliance-Management-Systems nach außen zu kommunizieren (vgl. E.ON SE 2019, S. 89). Autoren Dr. Sebastian Rick, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Frankfurt. Timo Purkott, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Frankfurt. Professor Dr. Ralf Jasny, Frankfurt University of Applied Sciences. Literaturverzeichnis KPMG LLP (2019). 2019 CCO Survey: Insights for the future of ethics and compliance. U.S. Department of Justice (2019). Evaluation of Corporate Compliance Programs: Guidance Document. Updated: April 2019. E.ON SE (2019). Sustainability Report 2018. Rick, S. (2018). Das Compliance-Index-Modell: Wie der Wertbeitrag von Compliance aufgezeigt werden kann. Springer Gabler, Wiesbaden. Wold, H. (1973). Nonlinear Iterative Partial Least Squares (NIPALS) Modeling: Some Current Developments, in Multivariate Analysis, vol. 3, Paruchuri R. Krishnaiah, Hrsg., New York: Academic Press, 383-407. Wold, H. (1975). Path Models with Latent Variables: The NIPALS Approach, in Quantitative Sociology: International Perspectives on Mathematical and Statistical Modeling, H.M. Blalock, A. Aganbegian, F.M. Borodkin, R. Boudon, and V. Capecchi, Hrsg., New York: Academic Press, 307-357. Wold, H. (1982). Soft Modeling: The Basic Design and Some Extensions, in Systems Under Indirect Observations: Part I, Karl G. Jöreskog and Herman Wold, Hrsg., Amsterdam: North-Holland, 1-54.

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