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RISIKO MANAGER 07.2017

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RISIKO MANAGER ist das führende Medium für alle Experten des Financial Risk Managements in Banken, Sparkassen und Versicherungen. Mit Themen aus den Bereichen Kreditrisiko, Marktrisiko, OpRisk, ERM und Regulierung vermittelt RISIKO MANAGER seinen Lesern hochkarätige Einschätzungen und umfassendes Wissen für fortschrittliches Risikomanagement.

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28 RISIKO MANAGER 07|2017 tiell für jede Bank, und jede Risikoentscheidung unterliegt Verzerrungen. Wenn ein Kreditsachbearbeiter einen Kreditantrag mit dem Vermerk versieht „Das Management ist zwar erst seit Kurzem im Unternehmen, bringt aber viel Erfahrung mit“, dann kann das einfach nur eine wahre Aussage sein oder aber der Versuch, ein möglicherweise negatives Merkmal auszugleichen. Führende Wissenschaftler und Praktiker haben Methoden entwickelt, um solche kognitiven Verzerrungen zu verhindern, und diese Methoden finden bereits in unterschiedlichen Branchen Anwendung. Einige Energiekonzerne versuchen Verzerrungen zu verhindern, indem sie ihre Entscheidungsprozesse für Großinvestitionen neu überdenken. Für Banken bietet es sich ebenfalls an, die Entscheidungsfindung mit entsprechenden Methoden objektiver zu machen; dazu gehören analytische Maßnahmen, die den Entscheidungsträgern eine bessere Faktengrundlage verschaffen, Diskussionstechniken, die Verzerrungen in Gesprächen und Entscheidungen verhindern, und organisatorische Maßnahmen, die neue Methoden der Entscheidungsfindung etablieren. Die Risikofunktion könnte bei der Bekämpfung von kognitiven Verzerrungen in Banken eine Führungsrolle übernehmen. Sie könnte sogar ein Center of Excellence werden, das für unterschiedliche Bankbereiche entsprechende Prozesse und Tools entwickelt und umsetzt. Trend 6: Der Kostendruck wird anhalten Das Bankensystem leidet in den meisten Ländern und Produktkategorien unter einem langsamen, aber stetigen Margenschwund. Diese Entwicklung dürfte nicht zuletzt aufgrund der Low-Cost-Geschäftsmodelle von neuen digitalen Wettbewerbern anhalten. Deshalb werden Banken ihre Betriebskosten vermutlich drastisch senken müssen. Nachdem sie traditionelle Ansätze wie Zero Base Budgeting und Outsourcing ausgereizt haben, werden sie feststellen, dass Vereinfachung, Standardisierung und Digitalisierung am effektivsten sind. Die Risikofunktion muss dazu ihren Teil beitragen, denn diese Methoden schaffen auch Möglichkeiten, die Risiken zu reduzieren. Ein stark automatisierter Kontrollrahmen kann zum Beispiel die menschlichen Eingriffe reduzieren und Risiken auf bestimmte Sollbruchstellen im Prozess begrenzen. Da der Kostendruck anhalten dürfte, muss das Risikomanagement durch Digitalisierung und Automatisierung weiteres Kostensenkungspotenzial erschließen und mit deutlich weniger deutlich mehr erreichen. Vorbereitung auf den Wandel Die sechs Trends deuten an, wie eine leistungsstarke Risikofunktion im Jahr 2025 aussehen könnte. Sie wird ein zentraler Bestand der strategischen Planung sein, eng mit den Geschäftsbereichen zusammenarbeiten und als Center of Excellence für Analysen und die Objektivierung der Entscheidungsfindung agieren. Ihre Fähigkeit, mehrere Risikoarten zu managen, die bestehenden Aufsichtsregeln einzuhalten und sich gleichzeitig auf neue vorzubereiten, wird ihren Wert innerhalb der Bank weiter erhöhen, und über ihre Mitwirkung beim Erfüllen der Kundenerwartungen wird sie vermutlich einen wesentlichen Ergebnisbeitrag leisten. In den

ERM 29 meisten Banken ist das Risikomanagement noch ein gutes Stück davon entfernt, diese Rolle übernehmen zu können. Im Idealfall zeichnet sich die Funktion durch folgende Merkmale und Fähigkeiten aus: » vollständige Automatisierung von Entscheidungen und Prozessen mit minimalen manuellen Eingriffen; » stärkere Nutzung von Advanced-Analytics-Modellen, um kognitive Verzerrungen bei Entscheidungen zu verhindern; » enge Zusammenarbeit mit operativen Bereichen und anderen Bankfunktionen, um ein besseres Kundenerlebnis zu erzielen, Entscheidungen von kognitiven Verzerrungen zu befreien und die Vorwegnahme aufsichtsrechtlicher Vorschriften zu erhöhen; » starke Förderung von Unternehmenswerten und Prinzipien, gestützt von einer stabilen Risikokultur, die klar definiert, kommuniziert und in der gesamten Bank umgesetzt wird; » einen Talentpool mit erstklassigen Advanced-Analytics-Fähigkeiten. Um all das umzusetzen, müssen die Risikofunktionen ihre Betriebsmodelle verändern. Wie fangen sie das am besten an? Sie können sich nicht auf alle Eventualitäten vorbereiten, aber sie können Initiativen ergreifen, die kurzfristige geschäftliche Vorteile bringen und gleichzeitig dazu beitragen, in den nächsten zehn Jahren die Grundlagen für eine leistungsstarke Risikofunktion zu legen. Hier sind Beispiele für solche Initiativen, die sich sofort umsetzen lassen: » Kernprozesse digitalisieren: Vereinfachung, Standardisierung und Automatisierung sind entscheidend, um nichtfinanzielle Risiken und die Betriebskosten zu senken. Die Risikofunktion kann die Digitalisierung von Kernprozessen wie Kreditanträge oder -entscheidungen beschleunigen, indem sie den betreffenden operativen Bereichen Vorschläge unterbreitet, statt zu warten, bis die Geschäftsbereiche damit auf sie zukommen. Mehr Effizienz, ein erstklassiges Kundenerlebnis und bessere Verkaufszahlen dürften zu den positiven Nebeneffekten zählen. » Mit Advanced Analytics und Machine Learning experimentieren: Risikofunktionen sollten sich stärker mit modernen Analyseansätzen befassen, insbesondere mit Machine Learning, um die Prognosegüte von Modellen zu verbessern. Diese Modelle lassen sich für unterschiedliche Zwecke einsetzen, darunter für das Erkennen von Finanzkrimi nalität, die Kreditentscheidung, für Frühwarnsysteme und beim Inkasso bei Privat- und Mittelstandskunden. » Risikoberichterstattung verbessern: Die immer breiter werdenden Regulierungsvorschriften und die notwendige Anpassung an Marktentwicklungen erfordern schnelle, faktenbasierte Entscheidungen und damit eine bessere Risikoberichterstattung. Die Qualität der verwendeten Daten und deren rechtzeitige Verfügbarkeit haben sich durch verschärfte Regulierungsvorschriften bereits deutlich verbessert, aber das Format oder eine bessere Verwendbarkeit der Berichte für die Entscheidungsfindung standen bislang weniger im Fokus. Stünden die Berichte statt auf Papier als interaktive Tabletversionen mit Echtzeitdaten bereit, die detaillierte Ursachenanalysen ermöglichen, könnten Banken schneller bessere Entscheidungen treffen und auch potenzielle Risiken schneller erkennen. » Gemeinsam die Bilanz optimieren: Angesichts der Vielzahl der aufsichtsrechtlichen Beschränkungen ist die Zusammensetzung der Bilanz für die Rentabilität einer Bank wohl wichtiger denn je. Das Risikomanagement kann zur Optimierung der Bilanzstruktur beitragen, indem es mit der Finanzund Strategieeinheit unterschiedliche Szenarien für die wirtschaftliche Entwicklung, Regulierungsthemen und strategische Möglichkeiten durchspielt. Wie gut wäre die Bank zum Beispiel auf eine Verkleinerung oder Ausweitung der Kreditportfolien vorbereitet? Solche Analysen, die mit leistungsstarken Werkzeugen durchgeführt werden, können Banken zeigen, wie sich die Kapitalrendite trotz Einhaltung aller aufsichtsrechtlichen Bestimmungen steigern lässt. » Talentpool auffrischen: Leistungsstarke Risikofunktionen stützen sich in der Regel auf eine hochentwickelte IT- und Dateninfrastruktur – zum Beispiel auf einen zentralen „Datensee“ (Data Lake) mit einheitlichen Definitionen und einer klaren Datengovernance. Ebenso wichtig ist der richtige Personalmix. Data Scientists mit einem stark spezialisierten Wissen in Mathematik und Statistik werden in allen Bereichen der Bank helfen, Datenergebnisse in konkrete Geschäftsentscheidungen zu übersetzen. Risikomanager entwickeln sich zu zuverlässigen Beratern der Geschäftsbereiche, während der Personalbedarf in den traditionellen operativen Bereichen sinkt. Talentierte Mitarbeiter zu gewinnen, ist eine Herausforderung für sich, denn potenzielle Kandidaten gehen oft lieber zu Technologieunternehmen, wenn die Banken nicht ihre Positionierung und Attraktivität verbessern. » Starke Risikomanagementkultur etablieren: Das Ermitteln, Bewerten und Managen von Risiken muss allen Bankmitarbeitern in ihrer täglichen Arbeit in Fleisch und Blut übergehen – nicht nur den Kollegen im Risikomanagement. Der Einsatz von Automatisierung und hoch entwickelten analytischen und technischen Werkzeugen erfordert Menschen, die für Angemessenheit und die Einhaltung ethischer Grundsätze sorgen. Hinweis Dieser Beitrag basiert auf „The future of bank risk management“ von Philipp Härle, Andras Havas, Andreas Kremer, Daniel Rona und Hamid Samandari, der als McKinsey Working Papers on Risk, Nummer 72 im Dezember 2015 veröffentlich wurde. Erstmalig wurde dieser Beitrag im Jahrbuch 2017 des Frankfurter Instituts für Risikomanagement und Regulierung veröffentlicht. Autoren Dr. Thomas Poppensieker, Senior Partner, McKinsey & Company, München. Dr. Gerhard Schröck, Partner, McKinsey & Company, Frankfurt.

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