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RISIKO MANAGER 06.2019

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26 RISIKO MANAGER 06|2019 Praxisbericht: BCBS 248 – Innertägiges Liquiditätsrisiko Von der Aufsicht zum Glück gezwungen Mit LCR, NSFR und ALMM hat sich die Aufsicht bis auf einen Liquiditätshorizont von einem Tag vorgearbeitet. Jetzt beginnt sie sich zunehmend dafür zu interessieren, welche Fähigkeiten die Banken haben, auch die innertägige Verwendung der verfügbaren Liquidität zu überwachen. Und sind die Augen für die Innertageswelt erstmal geöffnet, merkt man schnell: Der Blick lohnt sich.

ERM 27 Die meisten Banken werden die erwarteten Liquiditätsabflüsse und -zuflüsse eines Tages quantifizieren können. Aber wie viele mag es geben, die darunter auch die zeitspezifischen und anderweitig kritischen Zahlungen identifizieren und priorisieren können, um sie den Usancen entsprechend zu bedienen? Wie viele davon können darüber hinaus die innertägigen Zeitpunkte von Zu- und Abflüssen prognostizieren und die innertägige Liquiditätsposition gegenüber den erwarteten Vorgängen und der verfügbaren Liquidität überwachen – und das nicht nur in Euro, sondern in allen wesentlichen Währungen? Es mag löbliche Ausnahmen geben. Dennoch darf auch zehn Jahre, nachdem der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS) diese und noch weitere Anforderungen in seinen „Principles for Sound Liquidity Risk Management and Supervision” (BCBS 144) formuliert hat, bezweifelt werden, dass europäische Banken diese Ansprüche flächendeckend und vollumfänglich erfüllen. Und anscheinend hat sich die Aufsicht im Euroraum daran auch lange nicht gestört. Denn ebenso wie die Principles waren auch die darauf aufbauenden „Monitoring tools for intraday liquidity management“ (BCBS 248) fast ein wenig in Vergessenheit geraten, nachdem sie 2013 veröffentlicht wurden. Hatte der Ausschuss selbst noch eine Berichtspflicht ab dem 1. Januar 2015 vorgesehen („preferably no later than 1 January 2017“), hat die EBA ihre Ankündigung, diese Anforderungen 2016 in ihren „Guidelines on intraday liquidity risk“ zu konkretisieren, zunächst auf 2017 verschoben und dann 2018 stillschweigend von der Agenda genommen. In jüngster Zeit drängt die EZB allerdings die von ihr direkt beaufsichtigten Institute verstärkt dazu, Rechenschaft über die Anstrengungen in diesem Bereich abzulegen. Damit liegt der Handlungsbedarf zu einem gewissen Grad im Ermessen des Aufsehers. Aufsicht braucht mehr Überblick Dabei geht es der Aufsicht um zwei verschiedene Dinge: Zum einen will sie mit den Monitoring Tools einen Überblick gewinnen, um systemische Risiken beurteilen zu können. Gerade engvernetzte Zahlungsverkehrssysteme bergen das Risiko, dass Liquiditätsengpässe eines Instituts (und seien sie „nur“ innertägig) schnell auf im Zahlungsverkehr nachgelagerte Institute übertragen werden und letztlich die reibungslose Funktionsfähigkeit des gesamten Zahlungsverkehrssystems gefährdet wird. Die Bedeutung dieser Systeme wird in Anbetracht der Volumina, die darüber abgewickelt werden, sehr schnell deutlich. So werden über TARGET2 pro Tag durchschnittlich rund 340.000 Zahlungen im Wert von ca. 1,7 Bio.¤ abgewickelt (Angabe der Deutschen Bundesbank für 2017). Das übersteigt schon seit einigen Jahren die Bilanzsumme der Deutschen Bank. Zum anderen geht es der Aufsicht darum, dass sich Institute aktiv mit dem Thema Innertagesliquiditätsrisiko beschäftigen: Ist es ein Problem für das Institut selbst, wenn im Lauf des Tages die Liquidität knapp wird und Zahlungen nicht direkt ausgeführt werden können, sondern vielleicht erst am Tagesende? Ist es ein Problem, sich auf unverbindliche Kreditlinien für die Ausführung von Zahlungen zu verlassen? Ist es auf der anderen Seite ein Problem, wenn sich innertägig ein Überschuss an Liquidität bei einer Korrespondenzbank ansammelt? Die Monitoring Tools lehnen sich inhaltlich eng an die Principles an. So soll zum einen die verfügbare Liquidität dargestellt werden, die sich aus höchstliquiden Vermögenswerten, Kreditlinien, Tagesanfangssalden bei Korrespondenzbanken und Zentralbankreserven zusammensetzt. Zum anderen soll demgegenüber die Verwendung der Liquidität dargestellt werden, die sich aus den Vorgängen auf den verschiedenen Zahlungsverkehrskonten ergibt. Dabei ist es insbesondere erforderlich, Kenntnisse über die innertägige Entwicklung der Liquidität in Form des innertägigen Saldoverlaufs auf Korrespondenzund Zentralbankkonten zu haben. Abb. 01 Hier zeigt sich ein konzeptioneller Unterschied zwischen dem Liquiditätsrisiko, das Skalen größer als einen Tag behandelt, und dem innertägigen Liquiditätsrisiko. Das Liquiditätsrisiko ist üblicherweise ein Feld, das vom Treasury und den Handelsweinheiten auf der einen Seite und dem Risikomanagement auf der anderen bestellt wird. Beim innertägigen Liquiditätsrisiko kommt nun noch der Zahlungsverkehr hinzu. Organisatorische Herausforderungen Daran lässt sich schon eine der organisatorischen Herausforderungen eines Umsetzungsprojekts sehen: Das Wissen über die dargestellten Kennzahlen verteilt sich breit in der Bank. So ist üblicherweise im Liquiditätsrisikocontrolling das größte Wissen über die Liquiditätsklassifizierung von Vermögenswerten und die meiste Erfahrung mit der Erstellung von Risikoberichten und den dazugehörigen Prozessen vorhanden. Das Treasury und die Handelseinheiten verfügen über das größte operative Wissen über die Verknüpfung von liquiden Vermögenswerten mit der Verwendung von Innertagesliquidität. Und schließlich ist insbesondere für das Wissen über die Zahlungsverkehrsdaten und die Korrespondenzbanken die Einbeziehung des Zahlungsverkehrs unerlässlich. Nicht nur in einem Umsetzungsprojekt sollte daher frühzeitig ein offener, transparenter Umgang mit der Frage nach den Verantwortlichkeiten gepflegt werden. Auch langfristig sollten die Verantwortlichkeiten möglichst früh verankert werden. Jeder Wechsel der Verantwortlichkeiten führt unweigerlich zu einem Verlust von Know-how und kostet im Zweifel wertvolle Zeit – ein Verlust, der nicht nur ökonomisch schmerzhaft ist, sondern unter Umständen auch zeitlich untragbar, wenn einem die Aufsicht auf die Finger schaut. Die größte fachlich-technische Herausforderung eines Umsetzungsprojekts liegt für die meisten Institute in der Verfügbarkeit von Innertagesdaten aus dem Zahlungsverkehr. Während die meisten Kennzahlen der Monitoring Tools in der Regel aus bereits verfügbaren Daten berechnet werden können, sind über Tagesendkontoauszüge zwar alle Bewegungen auf Kor-

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