4 RISIKO MANAGER 05|2017 Marktanalyse Negative Zinsen: Eine Analyse aus Bankensicht Um Wirtschaftswachstum und Inflation zu erhöhen und einem weiteren Anstieg der Wechselkurse entgegenzuwirken, nutzen Zentralbanken in Europa und Japan seit Mitte 2014 unorthodoxe Maßnahmen zur Einleitung einer Negativzinspolitik. Zu diesen Maßnahmen zählen negative Zinsen auf Einlagefazilitäten, die bei Banken direkte Verluste verursachen. Die vollständigen Auswirkungen dieser Politik sind noch nicht bekannt, doch derzeit sind Banken mit der Herausforderung konfrontiert, ihre Gewinne zu verteidigen, obwohl sie die Zinsen auf Kundeneinlagen ohne feste Laufzeit, sogenannte Bodensatzprodukte, kaum unter null senken können. Das Ergebnis ist eine wirtschaftliche Entkoppelung zwischen Einlagenzinsen, Renditen von Vermögenswerten und den Bewegungen am breiteren Markt. Weil die Höhe der Verluste vorwiegend von den Geschäftsmodellen der Banken abhängen, könnte dies das Bankmanagement dazu zwingen, seine Strategien zu überdenken.
OpRisk 5 Negativzinspolitik als neues Standardinstrument der Zentralbanken Das Phänomen einer Negativzinspolitik ist nicht gänzlich neu und trat in der Geldpolitik von Zentralbanken bereits in früheren Jahrzehnten auf. So führte die Schweizer Nationalbank bereits in den 1970er Jahren phasenweise negative Zinsen ein. Damals führten die weltweite Währungskrise und der Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems zu einer Flucht in den Schweizer Franken. Der Aufwertung des Franken wurde mit negativen Zinsen versucht entgegenzuwirken. Neu ist jedoch die Vielzahl an Zentralbanken, die das geldpolitische Instrument der negativen Zinsen heute heranziehen: Dänemark, Eurozone, Japan, Schweden und auch die Schweiz ( Tab. 01). Die Auswirkungen auf Geldund Kapitalmärkte sind bedeutend. So weisen selbst mittel- bis langfristige Staatsanleihen negative Renditen auf. Für viele Banken bedeutet dies, dass sie sich an negative Einlagenzinsen bei der Zentralbank wie auch am Geld- und Kapitalmarkt gewöhnen und über neue Strategien nachdenken müssen. Negative Einlagenzinsen haben nicht in allen Ländern dieselben Auswirkungen. Jedoch haben die meisten Banken in Ländern, wo eine solche Politik betrieben wird, die Folgen zu spüren bekommen. Schweizer Banken müssen beispielsweise eine Gebühr von 0,75 Prozent auf jegliche Sichteinlagen oberhalb eines Schwellenwerts bezahlen, der dem 20-Fachen der Mindestreserveanforderung bei der Zentralbank von 10 Mio. CHF und mehr entspricht. Im Juni 2016 lagen die Einlagen von UBS und Credit Suisse etwa beim 26-Fachen der Mindestreserve, die der Kantonalbanken etwa beim 24-Fachen. Ähnliches lässt sich über die meisten Banken der Eurozone sagen, die derzeit einen Negativzins von 0,4 Prozent auf sämtliche Einlagen oberhalb der Mindestreserve bezahlen müssen. Geld- und Kapitalmärkte rentieren ebenfalls negativ Tab. 01 Zentralbank Dänemark (DNB) Eurozone (EZB) Japan (BoJ) Eines der Hauptprobleme für die Banken besteht darin, dass es quasi keine wirkliche Alternative gibt: Kurzlaufende Staatsanleihen aus der Schweiz oder Deutschland werfen mittlerweile geringere Renditen ab als Sichteinlagen mit Negativzins. Schweizer Staatsanleihen weisen selbst bei Laufzeiten von zehn Jahren negative Renditen auf, deutsche Bundesanleihen rentieren knapp über der Null-Prozent-Grenze. Auch LIBOR- beziehungsweise EURIBOR- und Swap-Sätze sind bis in mittlere Laufzeiten negativ. Auf etwaig höher rentierenden Anlagen auszuweichen, geht lediglich einher mit höheren Kredit- und Marktliquiditätsrisiken: Anlageinstrumente mit Credit-Spreads sind daher nicht unbedingt eine nachhaltige Lösung. Riskantere Assets würden höhere Ausfallraten bedeuten, sodass der Versuch, eine höhere Rendite zu erzielen, zum Gegenteil führen könnte. Vereinzelte Einführung negativer Zinsen bei Kundenprodukten Die Gesamtsituation ist problematisch: Wenn Banken gezwungen sind, Gebühren beziehungsweise negative Zinsen für ihre Ein- beziehungsweise Anlagen zu bezahlen, entgeht ihnen eine entscheidende Einnahmequelle, die auszugleichen wäre. Intuitiv wäre, diese Kosten an die Bankkunden weiterzugeben. Da das Negativzinsumfeld noch eine Weile anhalten wird, lautet eine entscheidende Frage der Banksteuerung, ob beziehungsweise wie sehr die Einlagenzinsen gesenkt werden können, bis die Beziehung zwischen Bank und Kunde darunter nachhaltig leidet. Bislang ist es den Banken Schweden (Riksbank) Schweiz (SNB) Eingeführt September 2014 Juni 2014 Februar 2016 Februar 2015 Januar 2015 Einlagefazilität - 0,65 % - 0,40 % -0,10 % - 1,25 % -0,75 % Gültigkeit Überblick über Zentralbanken, die effektiv negative Zinsen auf Einlagen berechnen Nach individuellen Grenzen (basierend auf der Gesamtsumme) Durchschnittliche Reserven über Mindestanforderung Dreistufiges System; Ausnahmen für Reserven Restsalden auf Zahlungskonto Stand: Februar 2017. Norwegen und Ungarn sind hier nicht aufgeführt. Ihre Zentralbanken haben/hatten zwar negative Einlagenzinsen, aber keine effektive Negativzinspolitik zur Beeinflussung der Marktzinsen. Ab dem 20-Fachen der Mindestreserveanforderung kaum gelungen, ihren Kunden Negativzinsen zu berechnen, auch wenn einige Banken teilweise damit zu beginnen scheinen, wie Tab. 02 aufzeigt. Wo befindet sich die untere Zinsgrenze für Kundeneinlagen? Solange es Bargeld gibt, besteht stets eine Alternative zu Bankeinlagen. Bargeld wirft zwar keine Zinsen ab, kostet aber auch keine. Das bedeutet: Wenn die Zinsen auf Einlagen unter den von Kunden tolerierten Wert fallen, könnten sie Bargeld eher horten, als es auf der Bank zu belassen. Banknoten mit hohem Nennwert in der Schweiz sowie der Eurozone erleichtern die Vorgehensweise (wobei die EZB ihren 500-Euro-Schein ab 2018 auslaufen lässt). Die Ironie dieser Grenze ist: Nur wenige Kunden würden eine Negativrendite auf ihre Einlagen akzeptieren, obwohl viele von ihnen dies bereits seit Jahrzehnten erleben. Die Erklärung dafür liegt in der sogenannten Nominalillusion – der Tendenz, in nominalen statt realen Werten zu denken. Während die Nominalzinsen in der Vergangenheit positiv blieben, waren negative Realzinsen in manchen Ländern eher der Normalfall als die Ausnahme. Das Unterschreiten der nominalen Nullgrenze war trotzdem deutlich umstrittener, weshalb sie in der Literatur üblicherweise als „effektive Untergrenze“ bezeichnet wird. Aufgrund der Trägheit von Einlagen könnten einige Kunden „entscheiden“, auch unter dieser
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