38 RISIKO MANAGER 05|2017 Tilgung um je 10 GE und keine Verzinsung erfolgen. Darüber hinaus wird ohne Beschränkung der Allgemeinheit angenommen, dass die (bedingte) Ausfallwahrscheinlichkeit für jede der Perioden gleich groß ist. Wie bereits erwähnt, wird davon ausgegangen, dass ausgefallene Darlehen gesunden können. Erneut wird ohne Beschränkung der Allgemeinheit davon ausgegangen, dass die Gesundungswahrscheinlichkeit für alle Perioden gleich groß ist. Abgewickelte Darlehen sind nicht mehr Teil des Bestands, und die Verlustquote im Abwicklungsfall beträgt 40 Prozent für alle Perioden. Um ein möglichst breites Spektrum an Portfolien abzubilden, werden vier unterschiedliche Möglichkeiten zur Gesundung analysiert: 1. Alle Gesundungen finden innerhalb der Periode des Ausfalls statt. 2. 50 Prozent der Gesundungen erfolgen innerhalb der Periode des Ausfalls und 50 Prozent erfolgen in der nächsten Periode. 3. 70 Prozent der Gesundungen erfolgen innerhalb der Periode des Ausfalls und 30 Prozent erfolgen in der nächsten Periode. 4. 50 Prozent der Gesundungen erfolgen innerhalb der Periode des Ausfalls, 30 Prozent in der nächsten Periode, 15 Prozent erfolgen in der übernächsten und nochmals fünf Prozent in der darauffolgenden Periode. Für jede dieser Möglichkeiten zur Gesundung erfolgt eine gesonderte Simulation. Abschließend wird aus Vereinfachungsgründen unterstellt, dass keine Diskontierung erfolgt. b. Durchführung Basierend auf diesen Annahmen soll nun der durchschnittliche realisierte Lifetime Loss für bestimmte Kombinationen von Ausfall- und Gesundungswahrscheinlichkeit ermittelt werden. Hierzu werden die vorliegenden Monte-Carlo-Experimente jeweils 1.000 Mal wiederholt und anhand der sich ergebenden Verteilung der durchschnittliche realisierte Lifetime Loss für jede Kombination berechnet. Für große Stichprobenumfänge nähert sich der durchschnittliche realisierte Lifetime Loss dem Expected Lifetime Loss an. Der durchschnittliche realisierte Lifetime Loss wird für 120 unterschiedliche Kombinationen von Ausfall- und Gesundungswahrscheinlichkeit berechnet. Die Ausfallwahrscheinlichkeiten nehmen dabei die Werte 1 Prozent, 2 Prozent und 5 Prozent an und laufen danach in 10 Prozent-Schritten von 10 Prozent bis 90 Prozent. Die Gesundungswahrscheinlichkeiten variieren in 10 Prozent-Schritten von 10 Prozent bis 100 Prozent. Ziel dieser Analyse ist es, die durchschnittliche Abweichung des Expected Lifetime Loss unter Anwendung der Ereigniszeitanalyse vom auf Basis der Simulation erzeugten tatsächlichen Verlust zu untersuchen. Es wird deshalb, ohne Beschränkung der Allgemeinheit, angenommen, dass die geschätzte bedingte PD der tatsächlich vorliegenden Ausfallwahrscheinlichkeit entspricht. Die marginale PD wird nun gemäß der Ereigniszeitanalyse als mPD t = bPD t × (1-LPD (t-1) ) berechnet. Anhand dieser wird für sämtliche Kombinationen von Ausfall- und Gesundungswahrscheinlichkeit der Expected Lifetime Loss gemäß Gleichung 01 ermittelt. c. Ergebnisse Die Ergebnisse der Simulationsstudie sind in Abb. 02 dargestellt. Die vier Panels entsprechen jeweils einer der zuvor angesprochenen Gesundungsvarianten. Auf der Horizontalen ist jeweils die PD, auf der Vertikalen jeweils die Gesundungswahrscheinlichkeit abgebildet. Dabei gilt für alle Panels, dass von hellgrau nach rot die Unterschätzung des Expected Lifetime Loss ansteigt. Es zeigt sich, dass der Expected Lifetime Loss unter Anwendung der gemäß den Zusammenhängen der Ereigniszeitanalyse abgeleiteten marginalen PDs stets zu geringe Werte aufweist. Die durchschnittliche (relative) Unterschätzung kann durch den Quotienten aus geschätztem Expected Lifetime Loss und dem durchschnittlich realisierten Lifetime Loss angegeben werden. Unabhängig von der gewählten Gesundungsvariante steigt die Unterschätzung mit zunehmender (bedingter) PD und zunehmender Gesundungswahrscheinlichkeit (von hellgrau nach rot) an. Für ein beispielhaftes Portfolio mit einer Ausfallwahrscheinlichkeit von 20 Prozent und Gesundungswahrscheinlichkeit von 50 Prozent wird der Lifetime Loss durchschnittlich um circa 20 Prozent bis 30 Prozent unterschätzt. Ein Vergleich der vier Szenarien in Abb. 02 lässt zudem erkennen, dass der Grad an Unterschätzung abhängig von dem Anteil derjenigen Verträge ist, deren Gesundung mehrere Perioden andauert. Die stärkste Unterschätzung tritt für die im linken oberen Panel dargestellte Gesundungsvariante auf, in welcher sämtliche Gesundungen bereits in der Ausfallperiode erfolgen. Mit zunehmendem Anteil an Gesundungen in den Folgeperioden nimmt der Grad an Unterschätzung ab. Grund hierfür ist, dass weitere Ausfälle eines Kredits ceteris paribus umso häufiger auftreten können, je schneller die Gesundung erfolgt. Da der Ausfall Voraussetzung für die Abwicklung und damit den Eintritt eines Verlusts ist, erhöht sich dadurch auch die Wahrscheinlichkeit eines Verlusts. Der erwartete Verlust des Portfolios liegt folglich umso höher, je größer der Anteil an Verträgen ist, welche nach einem Ausfall schnell gesunden. Daher ist die Unterschätzung dieses Verlustes anhand eines auf Basis der Ereigniszeitanalyse konstruierten Expected Lifetime Loss umso geringer, je höher der Anteil an Gesundungen in den der Ausfallperiode nachfolgenden Perioden ist (vgl. etwa die im rechten unteren Panel dargestellte Gesundungsvariante). Fazit Der vorliegende Artikel verbindet in einem ersten Abschnitt die im IFRS 9-Kontext verwendeten Ausfallwahrscheinlichkeitsbegriffe und die Logik der Ereigniszeitanalyse. Letztere stellt eine anschauliche Beziehung zwischen den Größen bedingte, marginale und Lifetime PD her. Grundlage für die Anwendbarkeit der Ereigniszeitanalyse im klassischen Sinn ist jedoch das Vorliegen eines absorbierenden Zustands. Somit ist die Verwendung der Ereigniszeitanalyse nicht mehr sachgerecht bei einer möglichen Gesundung von Krediten. Dies wird anhand einer einfa-
Kreditrisiko 39 chen Illustration verdeutlicht. Wird die Ereigniszeitanalyse trotz Vorliegens von Gesundungen verwendet, so kann dies zu einer Lifetime PD führen, welche Werte größer eins annehmen kann oder es kann eine Unterschätzung der marginalen PD verursachen. Insbesondere letzteres stellt für die Praxis ein Problem dar, da die marginale PD direkt in den Expected Lifetime Loss eingeht. Eine Simulationsstudie bestätigt die Vermutung, dass die Nicht-Berücksichtigung von Gesundungen bei der Ermittlung der marginalen PD zu substanziellen Unterschätzungen des Lifetime Loss führen kann. Der Grad an Unterschätzung ist dabei einerseits abhängig von der Ausfallwahrscheinlichkeit (je höher, desto höher) und andererseits von der Gesundungswahrscheinlichkeit (je höher, desto höher). Eine Berücksichtigung von Gesundungen wird deshalb für Portfolien beziehungsweise Teilportfolien mit hohen Ausfall- und hohen Gesundungswahrscheinlichkeiten als zwingend notwendig erachtet. Für Kredite, die nach IFRS 9 ein signifikant erhöhtes Ausfallrisiko aufweisen und für die daher die Berechnung eines Expected Lifetime Loss erforderlich ist, gilt dies im Besonderen. Bislang unbeantwortet ist die Frage eines geeigneten Verfahrens zur Berücksichtigung von Gesundungen in der Ermittlung marginaler PDs. Dieser Frage wird im zweiten Teil dieser Artikelserie nachgegangen. Das dort beschriebene Korrekturverfahren stellt eine einfach zu implementierende Methode für eine unverzerrte Ermittlung des Expected Lifetime Loss nach IFRS 9 dar. Quellenverzeichnis sowie weiterführende Literaturhinweise: Haas, M./Huergo, L./Niedergesäss, M./Schmid, K. [2017]: Ermittlung laufzeitabhängiger PDs im Kundenkreditgeschäft, in: RISIKO MANAGER 02/2017. Haas, M./Huergo, L./Niedergesäss, M./Schmid, K. [2017]: Ein unverzerrtes Verfahren zur Berechnung mehrjähriger PD-Profile bei möglicher Gesundung von Krediten (Teil II), in: RISIKO MANAGER 06/2017 (im Druck). IASB [2014]: International Financial Reporting Standard „IFRS-9 Financial Instruments“, 24.07.2014, International Accounting Standards Board (IASB). Autoren: Markus Haas, Fachreferent quantitatives Risikomanagement, Württembergische Versicherung AG, Stuttgart. Dr. Luis A. Huergo, Fachexperte quantitatives Risikomanagement, Württembergische Versicherung AG, Stuttgart. Dr. Markus Niedergesäss, Manager quantitatives Risikomanagement, IPE Institut für Politikevaluation, Stuttgart. Dr. Kai D. Schmid, Fachreferent quantitatives Risikomanagement, Wüstenrot Bausparkasse AG, Ludwigsburg. Anzeige Sponsoren Information & Anmeldung: Stefan Lödorf | Bank-Verlag GmbH Telefon: 0221/5490-133 | events@bank-verlag.de Jetzt anmelden www.opriskforum.de
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