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RISIKO MANAGER 05.2016

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14 RISIKO MANAGER 05|2016 Interview mit Andreas Kolbe „Risikoaufschlag satte 900 Basispunkte“ Turbulente Zeiten an den Rohstoffmärkten: Die Preise für Öl, Gold, Kupfer und andere Rohstoffe fielen in den vergangenen Jahren auf breiter Front und setzten damit ihren Abwärtstrend fort. Die Ursachen für den Preisverfall sind vor allem auf der Angebotsseite zu finden: Erhebliche Investitionen von Minenund Ölförderunternehmen in den boomenden Jahren bis etwa 2012 führten zu großen Angebotsüberhängen. Währungsveränderungen und geopolitische Einflüsse waren weitere Treiber. Wir sprachen mit Dr. Andreas Kolbe, Leiter des Investmentresearch für Kreditmarktstrategie im Bereich Emerging Markets bei Barclays in London, über Chancen und Risiken an den ölbezogenen Anleihemärkten. RISIKO MANAGER: Der Preis für Rohöl ist seit Mitte 2014 um mehr als 76 Prozent gefallen. Große Teile der deutschen Wirtschaft (sowie der privaten Verbraucher) freuen sich über die aktuell günstigen Ölpreise. Doch welche Auswirkungen hat dies auf Anleihemärkte – insbesondere von erdölproduzierenden Ländern? Kolbe: Der Ölpreisverfall im Tandem mit anderen Entwicklungen, wie der Wachstumsschwäche in China, hat zu bedeutenden Kurskorrekturen an internationalen Anleihemärkten geführt. Anleihen erdölproduzierender Unternehmen und Länder sind davon besonders stark betroffen. Im Bereich der Emerging Markets haben sich deren Risikoprämien seit Anfang 2014 mehr als verdoppelt. Emerging-Markets-Emittenten mit einem A-Rating aus dem Öl- und Gassektor handeln derzeit mit einem Riskoaufschlag von durchschnittlich 30 Basispunkten, verglichen mit Anleihen aus erdölimportierenden Ländern und Unternehmen aus anderen Sektoren mit gleichem Rating. Für spekulativere Anleihen mit B-Rating beträgt dieser Risikoaufschlag satte 900 Basispunkte [vgl. hierzu Abb. 01]. RISIKO MANAGER: Noch vor wenigen Jahren galt ein langfristig steigender Ölpreis als gesichert. Eine wachsende Bevölkerung, Kriege und Krisen in vielen Förderländern, die Motorisierung Afrikas und Asiens und letztendlich endliche Ressourcen waren plausible Begründungen. Klassischer Fall von narrativer Verzerrung? Oder hat sich in den letzten Jahren etwas fundamental geändert, was wirklich nicht vorhersagbar war? Kolbe: Ich denke, man muss hier zwischen Angebots- und Nachfrageseite differenzieren. Es ist sicherlich zutreffened, dass ökonomische Wachstumsprognosen insbesondere für Emerging Markets zu optimistisch waren. Dennoch ist die Nachfrage nach Öl gestiegen. Die weniger vorhersagbaren Entwicklungen waren meines Erachtens auf der Angebotsseite. Neue Technologien und Effizienzsteigerungen haben dazu geführt, dass selbst bei stark fallenden Ölpreisen die Produktion des US-Shale-Sektors nicht so unmittelbar zurückgegangen ist, wie man das anfangs vielleicht vermutet hatte. Außerdem haben sich politische Ziele wichtiger erdölproduzierender Länder in der OPEC verändert. Insbesondere Saudi Arabien ist offenbar darauf bedacht, seinen Marktanteil zu sichern, im Kontext seiner niedrigen Produktionskosten und einer breiter angelegten geopolitischen Strategie. Das hat dazu beigetragen, dass sich die OPEC nicht auf Produktionskürzungen verständigen konnte. Letztendlich ist auch zu erwähnen, dass Kriege und Konflikte in Produktionsländern, wie zum Beispiel im Irak, nicht zu Produktionsausfallen in dem Maß geführt haben, wie man das in der Vergangenheit vielleicht befürchtet hatte. RISIKO MANAGER: Welche politischen Maßnahmen haben die erdölproduzierenden Länder unternommen, um dem fallenden Ölpreis zu begegnen? Kolbe: Hier gibt es große Unterschiede. Russland hat relativ schnell reagiert und durch Währungsflexibilität – also Abwertung des Rubels – sowie Ausgabenkürzungen die negativen Auswirkungen des Ölpreisverfalls auf Leistungs- und fiskalische Bilanz abgemildert. Kasachstan und Aserbaidschan gehen einen ähnlichen Weg, wenn auch zeitlich gesehen etwas verspätet. Administrative Importrestriktionen, Sondersteuern zum Beispiel auf Luxusgüter und Ausgabenkürzungen sind Maßnahmen in einigen afrikanischen Ländern wie etwa Angola. Die Herausforderung einer Währungsabwertung und gleichzeitiger Ausgabenkürzungen besteht darin, die Auswirkungen auf die Dynamik der oft in Fremdwährung aufgenommenen Schulden und die negativen Wohlstandseffekte zu begrenzen. Dies hat eine klare politische Dimension und erklärt die Schwierigkeiten, die einige Länder mit Anpassungsmaßnahmen

Marktrisiko 15 haben. In der Golfregion sind erste Schritte eingleitet worden, zum Beispiel in Form von Subventionskürzungen oder die geplante Einführung einer Mehrwertsteuer in den Ländern des Gulf Cooperation Council. Sorge bereitet uns Venezuela, dessen fehlende wirtschaftspolitische Anpassung die Situation als nicht mehr nachhaltig erscheinen lässt. RISIKO MANAGER: Experten des Internationalen Währungsfonds (IWF) hatten bereits im Oktober letzten Jahres ein Umsteuern in Saudi Arabien angemahnt und darauf verwiesen, dass dem Land andernfalls innerhalb von fünf Jahren das Geld ausgehen könnte. Vor wenigen Wochen hat nun als erstes Land Aserbaidschan mit dem IWF und der Weltbank über ein milliardenschweres Hilfsprogramm für die gebeutelte Ölexport-Nation verhandelt. Gibt es Ihrer Einschätzung nach erdölproduzierende Länder, die akut ausfallgefährdet sind? Kolbe: Venezuela. Sollte der Ölpreis nicht sehr bald und sehr deutlich ansteigen, drohen unserer Einschätzung nach spätestens in der zweiten Hälfte dieses Jahres akute Liquiditätsengpässe. Ein Ausfall venezolanischer Staatsanleihen und der staatlichen Ölgesellschaft Petroleos de Venezulea S.A. (PDVSA) wird den Markt sicherlich nicht überraschen, in Anbetracht derzeitiger Marktpreise. Allerdings machen Venezuela und PDVSA einen nicht unerheblichen Anteil (rund 1,7 Prozent) des globalen Markts für Emerging- Market-US-Dollar-Anleihen aus. Mit der Ausnahme Venezuelas sind anstehende Maturitäten von Staatsanleihen erdölproduzierender Länder in den nächsten zwei Jahren allerdings eher gering. Das gibt Regierungen Zeit, die nötigen Anpassungsmaßnahmen zu ergreifen und sollte das Risiko eines sprunghaften Anstiegs von Ausfällen im Bereich der Emerging- Markets-Staatsanleihen begrenzen. RISIKO MANAGER: Mit welchen Methoden bestimmen Sie die Ausfallwahrscheinlichkeit von Staatsanleihen? Kolbe: Grundlage der Modellierung von Ausfallwahrscheinlichkeiten für Staatsanleihen bildet eine Analyse der Nachhaltigkeit der Staatsverschuldung, wie sie zum Beispiel auch vom Internationalen Währungsfonds durchgeführt wird. Zusammen mit der Einschätzung der Insolvenzrisiken muss aber auch eine Analyse der Liquiditätssituation stattfinden. Die Umschuldung und der Schuldenschnitt in der Ukraine letztes Jahr sind ein gutes Beispiel. In den Verhandlungen zwischen der Ukraine, begleitet durch den Internationalen Währungsfonds, und den internationalen Gläubigern waren diese beiden Punkte – also Schuldenstand und Liquiditätssicherung – die zentralen Themen. RISIKO MANAGER: In welcher Form werden hierbei politische und geopolitische Risiken berücksichtigt? Arbeiten Sie hier mit szenario-orientierten Ansätzen? Welche Informationsquellen für die Bewertung von Länderrisiken nutzen Sie? Kolbe: Politische und geopolitische Entwicklungen und Risiken beeinflussen wichtige Parameter wie zum Beispiel Dr. Andreas Kolbe ist Leiter des Investmentresearch für Kreditmarktstrategie im Bereich Emerging Markets bei Barclays in London. Sein Verantwortungsbereich umfasst die Analyse von Staats- und Unternehmensanleihen von Emittenten aus Lateinamerika, Osteuropa, dem Mittleren Osten, Afrika und Asien. Nach Tätigkeiten für die BayernLB und Merrill Lynch in München und London wechselte er im Jahr 2009 zu Barclays. Wachstumsprognosen oder die Fiskalbilanz. Aus Sicht des Analysten ist es also wichtig, politische und wirtschaftliche Zusammenhänge möglichst gut zu erfassen und plausible Szenarien abzuleiten. Die unterschiedlichen Szenarien sollten dann in eine Gesamtbeurteilung der Ausfallwahrscheinlichkeiten einfließen und eine Einschätzung adäquater Risikoprämien eines Emittenten ermöglichen. Politische und geopolitische Parameter, zum Teil auch in quantifizierter Form wie etwa die Governance-Indikatoren der Weltbank, werden natürlich auch von Ratingagenturen in deren Bonitätseinschätzung verwendet. RISIKO MANAGER: Gibt es nennenswerte Unterschiede zwischen den Anleihen von erdölproduzierenden Firmen zu den Anleihen der Länder, in denen sie ansässig sind? Kolbe: Eine interessante Charakteristik des Anleihenmarkts in den Emerging Markets ist, dass rund 90 Prozent der Unternehmen im Öl- und Gassektor

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