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RISIKO MANAGER 04.2017

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48 RISIKO MANAGER 04|2017 Infobox 02 derlegt werden, aber sie können nach diesem Vorgehen dahingehend überprüft werden, wie realistisch solche Annahmen noch sind. Diese Formel impliziert also schon eine mögliche Trendaussage: Umso schneller und häufiger NM auftreten, desto höher wird die Wahrscheinlichkeit zu noch gröberen Vorkommnissen. Das RPR-Konzept geht über das Bayes- Theorem jedoch hinaus: Wo dieses nur eine Momentaufnahme liefert, bietet das RPR-Konzept eine Trendprognose, basierend auf der aktuellen Momentaufnahme. Für ein präventives Risikomanagement ist das ein signifikanter Vorteil, wenn das Ziel lautet Unsicherheitsreduktion zur Verbesserung der Chancen. Das bedeutet NM grenzen die noch verbleibende Unsicherheit ein. Damit wird die Definition Avens realistisch operationalisierbar. (b) Erweiterte Schätzung: Sind zusätzliche Informationen über die Menge jener Aktivitäten (AN), auf die sich ein RPR auswirken kann, verfügbar, so kann die erweiterte Risikoformel verwendet werden: R = E x S x H. Da das Gegenteil sehr ungewöhnlich wäre, wird für diese Formel folgendes Mengenverhältnis angenommen: AN > A > NM > S. h / (n / V) wobei h die Häufigkeit dieser Aktivitäten insgesamt (AN) bezeichnet und n die Aktivitäten bisher. V steht für die Summe von bekannten Vorfällen im Rahmen von n und ist gleichzusetzen mit der Menge all jener Auslöser, von denen bekannt ist, dass sie bereits wirksam waren, also alle NM- und S-Ereignisse zusammengenommen. Diese Formel sagt daher aus, dass bei aktuellem Stand bisheriger Aktivitäten (n), im Rahmen welcher es schon V gab, davon auszugehen ist, dass im Rahmen der gesamten tatsächlich geplanten oder angenommenen Aktivitäten (h), in welchen noch Vorfälle vorkommen können, solche insgesamt [h/(n/V)]-mal realistisch auftreten würden (ohne Maßnahmen gesetzt zu haben). Damit wird aber kein Schadensereignis kalkuliert, sondern die Anzahl all jener Auslöser, von denen nach aktuellem Stand anzunehmen ist, dass sie wirksam werden können. Doch ob dies ein NM oder ein S ist, bleibt das Risiko! NM sind also Indikatoren dafür, wie viele Auslöser überhaupt wirksam werden (= Fluktuation zwischen G und A), jedoch wie viele von ihnen welche Schadensausmaße auf der Unfallpyramide erreichen, kann nicht prognostiziert werden und bleibt ein Risiko (Fluktuation zwischen A und K). Auch NM verfälschen schon das tatsächliche Vorkommen von auslösenden Ereignissen, doch zeigen diese deren Vorkommnisse noch realitätsnah. Dabei handelt es sich also nicht um einen Rückblick, sondern um eine vom aktuellen Stand aus durchgeführte Ermittlung des Anstiegs realistischer Wahrscheinlichkeiten. Allerdings bleibt die Formel eine Schätzung, weil sich die Dynamik jederzeit verändern kann. Beispielsweise waren im Rahmen von bisher 50 Ereignissen (= n) zwei NM aufgetreten, so waren diese bei jedem 25 Mal eingetreten, was bedeutet, im Rahmen von bspw. geplanten 150 Aktivitäten (h) wäre somit insgesamt mit sechs solcher Ereignisse zu rechnen. Das bedeutet für die Variable H der erweiterten Risikoformel: H V = (h / (n / V)) - V Wobei H V die Anzahl prognostizierter Vorfälle basierend auf bisherigen bedeutet. Dieser Wert für H kommt einer realistischen Einschätzung sehr nahe. Durch die vorherige Formel wurden ohnehin die erhöhten Wahrscheinlichkeiten berücksichtigt. Somit lässt sich die Formel für alle ursprünglichen Annahmen für S adaptieren. Die modifizierte Risikoformel für den „realistic case“ lautet: R RC = E RC x S RC x H V E RC ... letzte Stand der modifizierten E-Werte in kontinuierlicher Zählung (eine realistische Korrektur erfolgt durch H V , falls der Wert von H V wieder abnimmt.) S RC ... realistische Einschätzung von S nach der Untersuchung bisheriger Vorfälle. Der Wert H ist besonders wichtig, um Trendaussagen zu konkretisieren, indem die verschiedenen Werte H 1 , H 2 , H 3 des Verhältnisses von (n / V) gegenübergestellt werden. Werden dagegen Sicherheitsvorkehrungen gesetzt, kann deren Wirksamkeit auf gleiche Weise überprüft werden, indem beachtet wird, ob das Verhältnis (n / V) zu einem späteren Zeitpunkt wieder größer wird. Falls eine Trendprognose über H nicht möglich ist, ist eine Trendberechnung für R realistisch schwierig. Das gelingt zwar für die 2-Faktorenund 3-Faktoren-Formel in Einzelfällen eventuell, jedoch nur eingeschränkt, da für E nur zunehmende Trends sichtbar werden. Bei einer Verlangsamung oder Umkehrung des Trends sowie beim Setzen von Maßnahmen sollte daher mit neuen Anfangswerten begonnen werden. Die einfache Formel dient daher primär der Überprüfung der ursprünglichen Annahmen. Nach dem Setzen von Maßnahmen ist daher nur eine kontinuierliche Fortführung von (n / V) geeignet. Schritte der Anwendung als Prüfinstrument: 1. Eine Anfangsannahme setzen. Dies kann mittels bisheriger Erfahrungswerte erfolgen oder auch unter Zuhilfenahme des Konzepts der Risikopotenziale (beispielsweise Fragen-Heuristik 1). Sodann wird auf diesbezüglich mögliche und relevante Vorwarnungen geachtet. 2. Eine erste Vorwarnung (NM) gegeben, wird die Anfangsannahme bezüglich S realistisch modifiziert: Was hätte bei diesem Vorfall schlimmstmöglich realistisch passieren können (siehe Fragen-Heuristik 2) – entspricht einem „realistic case“: Wovon ist realistisch schlimmst möglich auszugehen? –, sowie eventuell zwei zusätzliche Annahmen für Werte darüber – „worst case“: Was überhaupt schlimmstmöglich hätte passieren können – und darunter – „best case“: Was wäre bei diesem Vorfall realistisch passiert, wenn nicht... / Was wäre bei diesem Vorfall der geringste Schaden/Verlust gewesen? etc. 3. Ab dem zweiten NM wird die 2-Faktorenoder 3-Faktoren-Formel für E und H in kontinuierlicher Zählung modifiziert.

ERM 49 Felder (HF-EMF) durch Mobiltelefonie, kabellose Datenübertragung und dergleichen. Mittlerweile haben sich die Informationen verdichtet, dass es sich wegen akkumulierender Effekte um kein vernachlässigbares Risiko handelt. Der Grund dafür wurde jüngst in einer Studie der AUVA in Kooperation mit der MedUni Wien erkannt: „Die expositionsbedingten DNA-Schäden treten nicht unmittelbar nach Beginn der Exposition auf. Vielmehr braucht es eine gewisse Latenzzeit der Exposition, ehe die DNA-Schäden sichtbar werden.“ [Mosgöller 2016, S. 18]. Und daraus wird gefolgert: „Da sich Reparaturfehler und daraus entstandene permanente DNA-Schäden über Jahre ansammeln können, sind Vorsorgemaßnahmen indiziert.“ [Mosgöller 2016, S. 18]. Der Konjunktiv dieser Formulierung impliziert ein „Risiko“, nämlich eine Exposition von HF-EMF (G), einer Anzahl aller Aktivitäten, die die Exposition einschließen (AN), die persönliche Anfälligkeit (A) durch einen bestimmten Lebensstil (beispielsweise sonstige Gesundheitspflege) und das Risiko für den menschlichen Körper, besonders das Gehirn (K). Die klassischen Vorsorgemaßnahmen lauten zusammengefasst „Minimieren“. Nach der dynamischen „De Minimus“-Variante würde dies bedeuten bei gleichwertigen Risiken eines davon nicht einzugehen, also zumindest zu Hause HF-EMF Exposition zu vermeiden, wenn es im Arbeitsumfeld nicht möglich ist. Denn nach dieser Studie gilt, dass der Körper unbedingt gewisse regenerative Zeitphasen benötigt. Nach dem RPR-Konzept lässt sich dieser Summeneffekt leicht nachprüfen, da es gewisse Vorwarnungen gibt: „Die Analyse der kognitiven Fähigkeiten während der Exposition der freiwilligen Probanden ergab, dass sich unter HF-EMF-Exposition die Reaktionszeit verkürzte – allerdings um den Preis, dass bei einfachen Entscheidungstests die Fehlerrate anstieg. Das bedeutet, dass die exponierten Probanden zwar schneller reagierten, allerdings auch mehr falsche Reaktionen setzten. Etwas anders gelagert waren die Ergebnisse bei komplexeren Gedächtnistests. Hier stellte sich heraus, dass die Probanden unter Exposition eine längere Nachdenkzeit beanspruchten und gleichzeitig die Fehlerrate erhöht war.“ [Mosgöller 2016, S. 17]. Die Noch-Präventionspraxis (3) bedeutet also möglichst weitgehendes Vermindern von bereits „aktiven“ Risiken (hinsichtlich K). Metaphorisch: Gewisse „Klippen“ wurden nicht schon vorher geortet und vermieden (1), oder zumindest die schlimmsten schon umschifft (2), sondern der bisherige Wissensstand steht stets zur Prüfung, um von sonst noch auftauchenden „Klippen“ nicht überwältigt zu werden. Quellenverzeichnis sowie weiterführende Literaturhinweise: Apgar, D. (2006): Risk Intelligence. Learning to manage what we don't know. Harvard Business School Press: Boston. Aven, T. (2012): The risk concept—historical and recent development trends, in: Reliability Engineering and System Safety, 99, 33-44. Brunnhuber, R. (2016): Elemente einer historischen Resilienzforschung. Zur Geschichte der Bewältigung von Krisen und Nöten, Saarbrücken. Dekra (2016): Fußgänger beim Überqueren der Straße: Riskante Ablenkung durch Smartphones, Quelle: http:// www.dekra.de/c/document_library/get_file?uuid=33d- 00b1a-1da5-4849-b3b4-62a501da7739&groupId=10100 [Abruf am 17.02.2017]. 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