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RISIKO MANAGER 04.2016

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18 RISIKO MANAGER 04|2016 Bewertung und Regulatorik Vorsichtige Bewertung: Und nun? Kernstück der aufsichtsrechtlichen Beschäftigung mit der Unsicherheit in der Bewertung von Finanzinstrumenten ist die sogenannte „vorsichtige Bewertung“ (engl. prudent valuation) nach Artikel 34 CRR. Insbesondere deren Detaillierung als komplexes System von zusätzlichen Bewertungsanpassungen (sog. Additional valuation adjustments, kurz AVAs) und die direkte Kernkapitalwirkung dieser AVAs haben zu einem hohen Anpassungsdruck geführt. Dieser Beitrag legt sein Augenmerk nicht auf den derzeitigen Umsetzungsstand der AVAs und deren zahlreichen methodischen oder technischen Herausforderungen. Vielmehr wird die Perspektive erweitert auf die Möglichkeiten einer Optimierung der Eigenmittelbelastung, die Notwendigkeit einer Steuerung der AVAs und die Governance-Dimension der vorsichtigen Bewertung. Einleitung In den letzten Jahren hat die Bedeutung von Unsicherheiten in der Bewertung von Finanzinstrumenten und von einhergehenden Risiken für Bilanz und Kapital stark zugenommen. Neben dem originären, ökonomisch begründeten Interesse einer möglichst präzisen Kenntnis über die Werthaltigkeit der eigenen Geschäfte und Inventare, wurden auch die steigenden Anforderungen aus den Rechnungslegungsstandards und dem Aufsichtsrecht zu einer treibenden Kraft für viele Institute. Kernstück der aufsichtsrechtlichen Regelungen zu Bewertungsunsicherheiten ist das Regime der vorsichtigen Bewertung nach Artikel 105 der europäischen Capital Requirements Regulation (CRR). Es besteht aus organisatorischen und methodischen Vorgaben an die Bewertungsfunktion und die Bewertung selbst mit dem Ziel, „dass mit der vorsichtigen Bewertung […] ein angemessener Grad an Sicherheit erzielt wird […]“ [CRR 2013, Artikel 105 Abs. 1]. Nach Artikel 34 CRR ist dieses Regime auf alle zum beizulegenden Zeitwert bilanzierten Positionen anzuwenden und über sog. zusätzliche Bewertungsanpassungen (engl. additional valuation adjustments, kurz AVAs), die den beizulegenden Zeitwert auf einen vorsichtigen Wert senken, ein Abschlagsposten auf das harte Kernkapital zu bilden. Mithin wird über die AVAs eine eigene aufsichtsrechtliche Bewertung für die Zwecke der Eigenmittelbestimmung etabliert [vgl. auch Wächter/Keese/Christ 2013, Schaber 2015, S. 1687ff]. Die Berechnung dieser AVAs wurde in einem technischen Regulierungsstandard (im Folgenden kurz PV-RTS), der im Februar 2016 in Kraft treten wird, methodisch detailliert [EC 2015] und von den deutschen Instituten in weiten Teilen bereits entsprechend umgesetzt. In diesem Beitrag werden daher drei Fragestellungen zum Regime der vorsichtigen Bewertung betrachtet, die thematisch über die methodisch angemessene Berechnung der AVAs hinausgehen. Sie werden in der zukünftigen Diskussion eine bedeutende Rolle einnehmen. Im Einzelnen: • Optimierung: Welche Mittel existieren, um die Eigenmittelbelastung durch die AVAs gering zu halten? • Steuerung: Sollten AVAs als Steuerungsgröße genutzt werden? • Governance: Welche Anforderungen an die Organisation und Kontrollinstrumente der Bewertungsfunktion stellt das Regime der vorsichtigen Bewertung? AVAs – eine kurze Übersicht Zur späteren Referenz wird die Berechnung der AVAs im Folgenden zusammenfassend skizziert. Auf die Diskussion methodischer Details zur Ermittlung der AVAs wird verzichtet, um dem eigentlichen Anliegen des Beitrags größeren Raum zu geben. Die Autoren stehen selbstverständlich für fachliche Diskussionen und Auskünfte zur Verfügung. Wesentliche Quelle ist der PV-RTS [EC 2015], der die in Artikel 105 CRR genannten Bewertungsanpassungen methodisch detailliert. Er unterscheidet zwischen einem simplified approach, der von Instituten mit zeitwertbilanzierten Positionen unterhalb einer Bagatellgrenze (15 Mrd. ¤ unsaldierter Vermögensgegenstände und Schulden) angewandt werden kann, und einem core approach, der ansonsten anzuwenden ist. Der simplified approach beschränkt sich auf einen pauschalen Abschlag von 0,1 Prozent der unsaldierten, zeitwertbilanzierten Vermögensgegenstände und Schulden. Mithin ergibt sich ein maximaler Abschlag von 15 Mio. ¤ vom harten Kernkapital bei minimalem methodischen Aufwand. Die in diesem Beitrag betrachteten Fragestellungen können zwar entsprechend auf den simplified approach angewandt werden, sind jedoch von besonderer Relevanz für Institute, die den nachfolgend beschriebenen core approach anzuwenden haben. Der core approach besteht aus neun verschiedenen AVAs, die sich grob in zwei Kategorien einteilen lassen [vgl. auch Wächter/Keese/Christ 2013]: Anpassungen, die Unsicherheiten in der Zeitwertbilanzierung (Bewertungsunsicherheiten i. e. S.) betreffen, und Anpassungen, die

Marktrisiko 19 zusätzliche Komponenten eines letztlich institutsspezifischen, ökonomischen Werts berücksichtigen sollen. Für jeden AVA soll ein Konfidenzniveau von 90 Prozent zumindest angestrebt werden als Versuch, statistische Unsicherheiten zwecks Vergleichbarkeit zu normieren [vgl. EC 2015, Präambel lit. 5]. Die erste Kategorie umfasst Unsicherheiten bzgl. der Eingangsparameter in Bewertungsmodelle (Preise, Stützstellen von Zinskurven, Volatilitätsflächen usw.) und einen Abschlag auf die Geld- bzw. Briefseite (market-price uncertainty AVA und close-out cost AVA) sowie Unsicherheiten in der Wahl oder Kalibrierung des Bewertungsmodells selbst (model risk AVA). Die weiteren dieser Kategorie zuzuordnenden AVAs (unearned credit spread AVA und investing and funding cost AVA) sind im Grund Sonderfälle der beiden erstgenannten, da sie reguläre, jedoch meist separat bestimmte, Bestandteile der Zeitwerte (CVA bzw. FVA oder eigene Refinanzierungskosten) betreffen. Sie bedürften somit keiner gesonderten Erwähnung und werden konsequenterweise in die drei erstgenannten Anpassungen zerlegt [EC 2015, Artikel 12f]. Die zweite Kategorie enthält Verwaltungskosten, die durch Führung und Absicherung von Positionen zukünftig anfallen werden (future administration cost AVA), Abschläge, die für aufgrund ihrer Größe schwer marktgängige Positionen des Instituts anfallen (concentration AVA), sowie in der Regel unbedeutende Abschläge aufgrund außervertraglicher, frühzeitiger Vertragsbeendigungen (early termination AVA) und operationeller Risiken (operational risk AVA). Falls einer der vorgenannten AVAs für eine Position nicht berechnet werden kann, ist ein sog. fallback AVA vorgeschrieben [EC 2015, Artikel 7, Abs. 2 lit. b], der einen sehr hohen, pauschalen Abschlag fordert. Optimierung der Eigenmittelbelastung Die Eigenmittelbelastung durch die AVAs der vorsichtigen Bewertung wurden durch die EBA in einer quantitativen Auswirkungsstudie auf durchschnittlich 1,46 Prozent des harten Kernkapitals oder 0,07 Prozent des Zeitwerts der zeitwertbilanzierten Bestände geschätzt [vgl. EBA 2014]. Die tatsächlichen Zahlen jedes Instituts weichen hiervon aufgrund unterschiedlicher Geschäftsmodelle, aber auch aufgrund unterschiedlicher methodischer Zugänge, deutlich ab. Aufgrund der in den nächsten Jahren steigenden Eigenmittelanforderungen [vgl. bspw. Bundesbank 2013, S. 62] und etwaiger institutsindividueller Zuschläge [bspw. im Rahmen des SREP, vgl. EBA 2013, Tz. 465f], erscheint es angezeigt, den hKK-Abschlag der vorsichtigen Bewertung optimal zu gestalten. Zur Systematisierung der Diskussion seien drei Bereiche möglicher Optimierung definiert: die Bemessungsgrundlage, die Methodik und die Abgrenzung. Selbstverständlich kann die Eigenmittelbelastung auch durch Vermeidung von Geschäft mit hohen Unsicherheiten i. S. d. vorsichtigen Bewertung gering gehalten werden. Letztlich ist dies aber keine Optimierung, sondern eine Konsequenz, die ggf. durch Optimierung vermieden oder reduziert werden kann. Optimierung der Bemessungsgrundlage Die Optimierung der Bemessungsgrundlage ist durch den PV-RTS explizit vorgesehen, indem allgemein bestimmt wird, dass für zeitwertbilanzierte Positionen nur insoweit AVAs zu berechnen sind, als dass eine Änderungen ihres Zeitwerts in der Bilanz eine Änderung des hKK impliziert [vgl. EC 2015, Präambel lit. 3, Artikel 4 Abs. 2, Artikel 8 Abs. 1]. Mithin ist eine Prüfung auf zwei Ebenen vorzunehmen. Erstens ist zu prüfen, inwiefern die Abbildung in der Bilanz bereits mechanistisch eine hKK-Änderung ausschließt. Prominentestes Beispiel hierfür sind zeitwertbilanzierte Sicherungsgeschäfte im bilanziellen Hedge Accounting, die im Rahmen der Effektivität ihrer Sicherungsbeziehung ausgenommen werden können. Im Kontext des IFRS fallen hierunter sowohl Mikrohedges als auch Portfoliohedges von Zinsänderungsrisiken, jedoch ebenso bei ausreichender argumentativer Grundlage Positionen in der Fair-Value- Option.

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