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RISIKO MANAGER 03.2017

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42 RISIKO MANAGER 03|2017 Methode des dynamischen Replikationsportfolios zum Initialmischungsverhältnis gelangt, das für die weiteren Berechnungen zugrunde gelegt wird. Neben Licht scheint es auch beim Replikationsportfolio Schatten zu geben. Für die Treasury und damit insbesondere die Zinsrisikosteuerung kommen die Methode der gleitenden Durchschnitte mit Ausgleichszahlungen und die Methode der gleitenden Durchschnitte auf Basis von dynamischen Replikationsportfolien zu identischen Ergebnissen, weil beide nicht realisierbare, historische Zinssätze gegen aktuelle am Markt verfügbare Zinssätze ersetzen. Die Methode der gleitenden Durchschnitte mit (periodischen) Ausgleichszahlungen kompensiert einmalig nicht realisierbare Konditionsbeiträge zwischen Treasury und Vertrieb aus Volumenschwankungen, während das Replikationsportfolio die fällige Ausgleichszahlung methodisch mithilfe separater Portfolien berücksichtigt. Insofern ist die Entscheidung für oder gegen ein Verfahren ausschließlich aus der Perspektive der Impulse für die Vertriebssteuerung zu beurteilen. c. Sockeldisposition Abschließend seien die beiden bereits diskutierten Varianten mit dem Konzept der Sockeldisposition verglichen. Bei diesem Modell ist zuerst das gesamte Produktvolumen in zwei Tranchen aufzuteilen: in einen Bodensatz, von dem angenommen Abb. 08 2100 1900 1700 1500 1100 900 700 500 Sockeldisposition 1 8 15 22 29 36 43 50 57 64 71 78 85 92 99 106 113 120 Variabler Anteil Bodensatz Variabler Teil Sockel wird, dass er einem Institut dauerhaft zur Verfügung steht, und einen Puffer, der die Volumenschwankungen abbilden soll. In einem ersten Schritt ist daher die Höhe des Bodensatzes zu bestimmen. Den Ausgangspunkt bildet in der Regel eine Betrachtung der vergangenen Volumenschwankungen beispielsweise der letzten zehn Jahre. Vorgeschlagen werden zur Ableitung des Sockelvolumens das historische Minimum [Vgl. Sievi /Wegner 2015, S. 12], der Mittelwert des Volumens der betrachteten Zeitreihe oder ein gleitender Mittelwert. Aber auch andere Regeln sind denkbar. Beispielsweise kann der Bodensatz dasjenige Volumen abbilden, das nicht mehr als die zweifache Standardabweichung vom Mittelwert der Schwankungen abweicht [Vgl. Österreichische Nationalbank 2008, S. 60]. Eine weitere, sehr pragmatische Möglichkeit wäre, das Volumen des Produkts vor der Finanzkrise als Bodensatz zu wählen. Der Bodensatz wird als konstant im Institut verbleibendes Volumen angenommen und bildet den Sockel. Angestrebt wird, dass das festgelegte Sockelvolumen möglichst selten durchbrochen wird (beispielsweise nur einmal in Zehn Jahren). Zusätzlich wird ein Aufsatz in Gestalt eines Geldmarktpuffers modelliert, der die kurzfristigen Volumenschwankungen aufnehmen soll. Dieser Aufsatz ist der variable Anteil. Hinzukommende oder abfließende Volumina werden mithilfe eines kurzfristigen Zinssatzes resp. Mischungsverhältnisses bewertet [Vgl. Bayer/Bommelitz/Wolz 2013, S. 29]. Abb. 08 zeigt das Grundmodell der Sockeldisposition. Im vorliegenden Beispiel werden vereinfacht die 100.000 € als Bodensatz gewählt und, wie bereits gezeigt, zu 100 Prozent mit dem gleitenden Zwei-Jahres-Zins bewertet. Diese Annahme hat zur Folge, dass im ersten Jahr alle drei Verfahren zu einem identischen periodischen Konditionsbeitrag von 3.115 € gelangen. Erst im zweiten Jahr ergeben sich Unterschiede. Die Volumenzunahme nach einem Jahr wird als nicht dauerhaft eingestuft und dem variablen Anteil zugeordnet. Daher fließen die zusätzlichen 50.000 € in den Puffer. Dieser soll variabel mit dem Ein-Jahres- Zins bewertet werden (dies ist bei der hier für das Beispiel zugrunde gelegten Vereinfachung einer Beschränkung auf Jahrestranchen für die gleitenden Durchschnitte der kürzest mögliche Zins). Bei dieser Methode errechnet sich ein periodischer Konditionsbeitrag für das zweite Jahr von 5.275 € ( Abb. 09). Anhand von Abb. 10 lassen sich die Ergebnisse der Methoden vergleichen. Das abweichende Ergebnis der Sockeldisposition resultiert aus den unterschiedlichen Annahmen und der daraus folgenden unterschiedlichen Modellierung der variablen Produkte. Die Methode der gleitenden Durchschnitte mit Ausgleichszahlungen führt zu den gleichen Konditionsbeiträgen wie das dynamische Replikationsportfolio. Werden die zur internen Verrechnung zählenden Ausgleichszahlungen ergebniswirksam periodisiert, ergeben sich aus beiden Verfahren identische Impulse für die Vertriebssteuerung. Weitere Modellrisiken resultieren bei den gleitenden Durchschnitten vor allem aus der Wahl der Stützstellen, der Auswahl der Mischungsverhältnisse und der Verwendung ganzzahliger Mischungsverhältnisse in Fünf- oder Zehn-Prozent-Schritten [Vgl. Sievi/Wegner 2005, S. 208 ff.]. Ebenfalls beeinflusst der zur Analyse der Mischungsverhältnisse gewählte Zeitrahmen die Ergebnisse. Werden zukunftsweisende Aspekte bei der Festlegung der Mischungsverhältnisse berücksichtigt, stellt sich die Frage, in welcher Form dies geschehen soll.

ERM 43 Die klassische Methode der gleitenden Durchschnitte liefert zuverlässige Ergebnisse für Produktsparten mit wenig schwankenden Volumina. Werden Mischungsverhältnisse mit hohen Anteilen des Zehn-jährigen gleitenden Durchschnitts verwendet, impliziert das Modell sehr träge Zinsanpassungen [Vgl. Bayer/ Bommelitz/Wolz 2013, S. 26]. Hier ist zu prüfen, ob dies mit dem aktuellen, aber auch zukünftigen Verhalten zur Gestaltung der Kundenkonditionen kompatibel ist. Darüber hinaus könnten die damit verbundenen Konditionsmargen dem Vertrieb eine Attraktivität signalisieren, die de facto gar nicht gegeben ist, und so falsche Anreize zum Verkauf dieser Produkte setzen. Ein Modellrisiko besteht auch, wenn mithilfe der Ausgleichszahlungen Volumenschwankungen zwar in die Methode integriert und gerechnet werden können, diese aber gar nicht zwischen Vertrieb und Treasury verrechnet und/oder auch nicht an den Kunden weitergegeben werden. Mit Blick auf die individuellen Stärken und Schwächen der drei Verfahren kann festgehalten werden, dass das dynamische Replikationsportfolio eine adäquate Steuerung ermöglicht, denn die Methode berücksichtigt bei Volumenschwankungen die tatsächlich realisierbaren Marktzinsen [Vgl. Balke/Ellenbeck 2010]. Aufgrund des mit dieser Methode verbundenen Implementierungsaufwands hat sie sich in der Praxis allerdings (noch) nicht als Marktstandard durchgesetzt [Vgl. Fleckenstein/ Fritz/Odenthal/Schlüter 2015, S. 16]. Auch lässt sich zeigen, dass im Rahmen einer periodischen Steuerungsphilosophie die Ergebnisse der gleitenden Durchschnitte mit Berücksichtigung von Ausgleichszahlungen mit denen des dynamischen Replikationsportfolios übereinstimmen, denn beide Methoden disponieren neu hinzukommende oder abfließende Volumina zu aktuellen Zinssätzen. Die Methode der gleitenden Durchschnitte mit Ausgleichszahlungen betrachtet die Zinsdifferenz aus historischen und aktuellen Zinsen separat als barwertiges Ergebnis. Das dynamische Replikationsportfolio modelliert dagegen ein eigenes Portfolio mit den Volumenänderungen, das zu aktuellen Marktzinsen bewertet wird. Abb. 09 Bei beiden Varianten lässt sich eine Margenkonstanz nur schwer realisieren. Wenn die Ausgleichszahlungen stark schwanken, was insbesondere bei großen Volumenänderungen und Unterschieden zwischen historischen und aktuellen Zinsen (sowie Mischungsverhältnissen mit großen Anteilen an langfristigen Zinsen) der Fall ist, kann der modellmäßig vorgeschlagene Kundenzins gegebenenfalls nicht schnell genug nachgezogen werden. Bei der Methode der Sockeldisposition ist insbesondere die Höhe des Bodensatzes kritisch. Für dessen Bestimmung ist unter anderem der gewählte Beobachtungszeitraum bedeutsam. Aufsichtsrechtlich wird ein Zeithorizont von Zehn Jahren vorgeschrieben [Vgl. Basel Committee on Banking Supervision (BCBS) 2016, S. 26]. Kommt es zu langfristigen Strukturverschiebungen kann dies auch eine Anpassung des Sockels nach sich ziehen. Dies Abb. 10 Ergebnisvergleich der Methoden Gleitende Durchschnitte mit aufgezinster Ausgleichszahlung Dynamisches Replikationsportfolio Sockeldisposition im Beispiel Juni 2015 1. Jahr 2. Jahr 2-J-Zins vor 1 Jahr 2-J-Zins heute Periodischer Konditionsbeitrag im 1. Jahr 5.278 5.278 Sockeldisposition 5.275 Altbestand 100.000 EUR Integration 50.000 EUR Juni 2016 1. Jahr 2. Jahr 2-J-Zins vor 1 Jahr 2-J-Zins heute 1-J-Zins heute löst dann allerdings wieder Verwerfungen in der Ergebnisdarstellung aus. Ebenfalls bedeutsam für alle Methoden, aber insbesondere für die Sockeldisposition, ist die aufsichtsrechtliche Einschränkung der Mischungsverhältnisse im Retailsegment auf eine maximale Duration von durchschnittlich fünf Jahren [Vgl. Basel Committee on Banking Supervision (BCBS) 2016, S. 26]. Wird der Sockel mit einem Mischungsverhältnis, das hohe Anteile am gleitenden Zehn- oder sogar 15-Jahres-Durchschnitt enthält, modelliert, muss der variable Anteil mit sehr kurzfristigen Mischungsverhältnissen bewertet werden, damit in der Zusammenfassung die gesamte Mischung fünf Jahre nicht überschreitet. Methodisch gewollt, führen bei der Sockeldisposition Volumenzuwächse zu einer Verkürzung der Mischungsverhältnisse und Volumenabflüsse zu einer Verlängerung. Sollten große Volumina im variablen Anteil abfließen, muss gegebenenfalls das Mischungsverhältnis angepasst werden, um die aufsichtsrechtliche Nebenbedingung zu erfüllen. Besonders Mischungsverhältnisse mit Zinssätzen jenseits der Zehn-Jahres-Grenze sind hiervon betroffen [Vgl. Bayer/Wolz 2016, S. 27]. Dies kann, wenn auch nachgelagert, Steuerungsimpulse für den Vertrieb erzeugen, die rein modellgetrieben sind. Daher sollte ein Institut das Break- Even-Volumen bestimmen, um zu wissen, ab welchem Mittelabfluss aufsichtsrechtlich eine Anpassung der Mischungsverhältnisse erforderlich ist, um sich zeitnah auf etwaige Anpassungen einstellen zu können.

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