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RISIKO MANAGER 03.2017

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38 RISIKO MANAGER 03|2017 Abb. 02 100 % 2-J-GD 50.000 EUR jährlich Modellierung mittels gleitender Durchschnitte 100 % 2-Jahre Es handelt sich um eine Refinanzierung (+100.000 EUR). Die Modellierung wird nicht erstmalig angewendet. diskutiert, sondern zudem den Aufgaben der Risk Governance zugeordnet. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass alle das Geschäftsmodell und das gesamthafte Unternehmensrisiko betreffenden Fragen berücksichtigt werden, sodass eine letztlich risikorobuste Lösung entsteht. Zur ersten Risk-Governance- Aufgabe: Modellierung variabler Kundenprodukte 2-J-Zins vor 1 J. Bewertungszeitpunkt 2-J-Zins heute Abb. 03 Produktzins: 3,00 % 1-J-Restlaufzeit 2-J-Restlaufzeit Cashflow des variablen Kredits aus Sicht des Kreditinstituts -100.000 53.000 51.500 Bewertungszeitpunkt Zins Kapital Die erste Risk-Governance-Aufgabe besteht im bewussten Design alternativer Modelle, sodass eine Wahl entsteht und gerade nicht das erstbeste Modell zum Standard erhoben wird. Den Ausgangspunkt der Modellierung variabler Kundenprodukte bildet die Überlegung, auch für diese Produkte in Analogie zu den festverzinslichen Produkten für den Vertrieb eine (möglichst) konstante Marge zwischen Kunden- und Bewertungszins ausweisen zu können [Vgl. Drosdzol/Hager 2006, S. 146]. Dies dient zum einen der Planungssicherheit, soll aber auch ermöglichen, für diese Produkte ebenfalls stabile Ergebnisbeiträge zu berechnen. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, wie die Vertriebsleistung und damit die Wertigkeit dieser Produkte sach- und steuerungsgerecht abgebildet werden kann. Zu berücksichtigen sind bei der Modellierung der variablen Kundenprodukte also sowohl die Wirkung auf das Vertriebsergebnis als auch auf das Zinsrisiko. In der Literatur wie auch in der Praxis werden verschiedene Verfahren zur Modellierung variabler Produkte vorgeschlagen. Zu nennen sind das Elastizitätskonzept sowie die Methode der gleitenden Durchschnitte. Die Zinselastizität ist ein Maß für die Anpassungsreaktion von Kundenzinsen an einen Marktzins und findet insbesondere in Konzepten zur periodischen Zinsrisikosteuerung Anwendung [Vgl. Kirmße/Lister/Schierenbeck 2014, S. 509]. In der zahlungsstrombasierten Kalkulation hat sich dagegen die Methode der gleitenden Durchschnitte durchgesetzt [Vgl. Wimmer 2004, S. 139]. Im Grundmodell der gleitenden Durchschnitte wird das Opportunitätsgeschäft mittels einer Ablauffiktion in feste Cashflows verschiedener Laufzeitbänder aufgeteilt. Die Aufteilung in die Laufzeitbänder (das Mischungsverhältnis) erfolgt auf Basis einer historischen Analyse und in Abhängigkeit der Produktstruktur des Instituts. Gegebenenfalls können auch Zukunftsanalysen in die Bestimmung der Mischungsverhältnisse einfließen [Vgl. Sievi/ Wegner 2005, S. 143 ff.]. Dabei unterliegt die Methode zwei Prämissen. Zum einen werden nicht Einzelgeschäfte, sondern Aggregate, beispielsweise alle Geschäfte einer Produktkategorie, betrachtet. Zum anderen wird die Annahme genutzt, dass das Volumen der variablen Produkte konstant ist [Vgl. Sievi/ Wegner 2005, S. 58]. Aufbauend auf diesem Grundkonzept lassen sich Abwandlungen resp. Verfeinerungen konstruieren, die sich vor allem im Umgang mit nicht konstanten Volumina unterscheiden. Zu nennen sind hier insbesondere die Verrechnung von Ausgleichszahlungen, das dynamische Replikationsportfolio und die Bodensatz- oder Sockeldisposition. Gemeinsam ist allen Varianten, dass sie allesamt auf der Methode der gleitenden Durchschnitte aufsetzen. Gemeinsam ist allen Varianten auch, dass sie – insbesondere für Produkte, deren Zins nur langsam oder im Extremfall auch gar nicht angepasst wird, eine Modellierung der Produktcashflows mit langen Laufzeiten und damit langen gleitenden Zinssätzen anstreben, um die Trägheit der Zinsanpassung abzubilden. Die Unterschiede aber auch Gemeinsamkeiten der Methoden seien im Folgenden an einem einfachen Praxisbeispiel erläutert. Angenommen wird ein variabler Kredit mit einem Produktvolumen von 100.000 €. Die Opportunität soll komplett in der Zwei-Jahres-Tranche modelliert werden, das heißt als Mischungsverhältnis werden 100 Prozent gleitend zwei Jahre unterstellt ( Abb. 02). Aus Vereinfachungsgründen werden die gleitenden Durchschnitte ferner nicht wie praktisch üblich auf Basis von Monatstranchen, sondern als Jahrestranchen dargestellt. Bei dieser Vorgehensweise ergibt sich der Bewertungszins (der gleitende Durchschnitt) als Durchschnittszins der gewählten Tranchen, in diesem Fall also aus dem Zwei-Jahreszins vor einem Jahr und dem Zwei-Jahreszins zum Bewertungszeitpunkt. Das entsprechende Kundenprodukt, das heißt der variabel verzinsliche Kredit, weist im Bewertungszeitpunkt einen Produktzins von drei Prozent auf. Die Cashflow-Struktur des Kundenprodukts zeigt Abb. 03. Aufsetzend auf dem Kapital-Cash-

ERM 39 Abb. 04 Gegenüberstellung von Kunden- und Opportunitäts-Cashflow im Zeitpunkt t = 0 t = 0 t = 1 t = 2 Kunden-Cashflow - 100.000 53.000 51.500 Opportunitäts-Cashflow + 100.000 - 49.885 - 49.880 Periodische Konditionsbeiträge 3.115 1.620 flow, der sich aus dem zugrunde gelegten Mischungsverhältnis herleitet, werden die sich aus dem Produktzins ergebenden Zins-Cashflows hinzugefügt. Als Bewertungszeitpunkt wird Juni 2015 gewählt. Nach dem Vorgehen der Marktzinsmethode werden zunächst Kundenund Opportunitäts-Cashflow einander gegenübergestellt. Dabei wird vorausgesetzt, dass die Methode der gleitenden Durchschnitte nicht erstmalig verwendet wird, sondern das Verfahren auch in den Vorjahren schon eingesetzt wurde ( Abb. 04). Um den Vertriebserfolg zu berechnen, ist zwischen barwertiger und periodischer Steuerung zu unterscheiden. Der periodische Konditionsbeitrag im aktuellen Jahr ist einfach zu berechnen. Er ergibt sich aus der Differenz der Cashflows in t=1 und beläuft sich auf 3.115 €. Der Vertrieb wird für den Bestand vergütet, das heißt dafür, dass die Kunden in diesem Jahr ein Kreditvolumen von 100.000 € in Anspruch genommen haben. Die barwertige Ergebnissteuerung ist deutlich komplizierter und aufwendiger. Zuerst einmal ist der unterschiedliche Bewertungszeitpunkt zwischen periodischer und barwertiger Steuerung zu beachten. Die periodische Steuerung weist den Vertriebserfolg zum Ende der Periode (das heißt t=1) aus. Der Barwert wird auf den Abschlusszeitpunkt resp. den Anfang der Periode (das heißt t=0) gerechnet. Des Weiteren ist bei der barwertigen Betrachtung zu unterscheiden, ob das Volumen zu Beginn der Periode vollständig neu akquiriert wurde oder ob der Vertrieb „lediglich“ das Ausleihvolumen konstant gehalten hat. In ersterem Fall würden alle periodischen Konditionsbeiträge, die aus diesem Geschäft in der Zukunft erwartet werden, barwertig als Vertriebserfolg ausgewiesen. Sofern es sich „nur“ um ein Aufrechterhalten des Volumens handelt, errechnet sich der Vertriebserfolg lediglich aus der verbarwerteten neuen revolvierenden Tranche gemäß dem zugrunde gelegten Mischungsverhältnis der gleitenden Durchschnitte. In diesem Sinne wird der Vertrieb dafür vergütet, dass es ihm gelungen ist, den Produktbestand konstant zu halten. Betragsmäßig unterscheiden sich die Ergebnisse der barwertigen und periodischen Kalkulation in diesem Fall nur gering. Die Unterschiede sind auf Ab- resp. Aufzinseffekte zurückzuführen. Unter der Prämisse der Volumenkonstanz innerhalb eines Jahres kann im Juni 2016 ein Konditionsbeitrag von 3.450 € ausgewiesen werden. Der Ergebnisunterschied zum Vorjahr resultiert aus den unterschiedlichen Bewertungszinsen für die Opportunität unter der Annahme, dass der Kundenzins nicht geändert wurde ( Abb. 05). Der Konditionsbeitrag ist angestiegen, weil die Marktzinsen von 2015 nach 2016 gesunken sind, der Kundenzins aber unverändert blieb. Sollte das Institut die kalkulierte Konditionsmarge konstant gehalten haben, dann hätten die geänderten Bewertungszinsen auch einen geänderten Kundenzins zur Folge gehabt. Dies wiederum hätte zur weiteren Konsequenz, dass bei konstantem Volumen auch der periodische Konditionsbeitrag konstant bleibt, das heißt sich erneut auf 3.115 € belaufen würde. Unter der Annahme konstanter Volumina kommt es zu keinen Unterschieden zwischen der klassischen Methode der gleitenden Durchschnitte in der periodischen Variante und dem Konzept des Replikationsportfolios, sofern beiden das gleiche Mischungsverhältnis zugrunde liegt. Das Konzept des Replikationsportfolios soll insbesondere die Effekte schwankender Volumina abbilden und bewertet die Veränderungen in den Beständen nicht mit historischen Zinssätzen aus dem zugrunde liegenden Mischungsverhältnis, sondern mit aktuellen Marktzinsen. Ziel ist, sowohl für die Vertriebssteuerung die tatsächliche Wertigkeit neu akquirierter oder abgeflossener Volumina zu bestimmen als auch der Treasury im Rahmen der Zinsrisikosteuerung ein Hedging der Positionen zu ermöglichen. Abweichungen in den Ergebnissen würden hingegen auch schon bei konstantem Produktvolumen bei der Methode der Sockeldisposition entstehen, da diese das Gesamtvolumen in zwei Schichten aufteilt. Eine Schicht soll den dauerhaft zur Verfügung stehenden Bodensatz widerspiegeln, die zweite Schicht dient als Puffer für etwaige Volumenschwankungen. Entsprechend dieser Intention würde der Bodensatz durch ein lang- resp. längerfristiges Mischungsverhältnis abgebildet werden können, und für den Puffer wäre ein kurzresp. kürzerfristiges Mischungsverhältnis adäquat. Der Opportunitätszins errechnet sich dann aus den gewichteten Mischungsverhältnissen der beiden Schichten. Dies könnte zu einem anderen Kundenzins oder auch zu einer anderen Konditionsmarge führen. Da hieraus im Vergleich zu den beiden erstgenannten Verfahren auch ein anderer Produkt-Cashflow resultieren würde, ergibt sich auch ein anderes Zinsänderungsrisiko mit allen daraus folgenden Konsequenzen. Insofern wird bereits an dieser Stelle deutlich, dass die Wahl des Verfahrens grundlegende strategische Bedeutung hat. Zur zweiten Risk-Governance- Aufgabe: Bestimmung von Modellrisiken Die Bestimmung der Modellrisiken soll situative Kontexte berücksichtigen, also dazu beitragen, dass sich die Modelle unter verschiedenen Entwicklungsszenarien bewähren. Dies ist eine der proaktiven Komponenten der Risk Governance – die systematische Überprüfung der Modelle an-

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