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RISIKO MANAGER 03.2017

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36 RISIKO MANAGER 03|2017 Risikomanagement und Corperate Governance Management variabel verzinslicher Produkte aus der Perspektive der Risk Governance Die Modellierung variabel verzinslicher Produkte stellt Banken seit jeher vor Herausforderungen. Große Volumina, die jederzeit von Kunden in Anspruch genommen beziehungsweise gekündigt werden können, müssen angemessen bewertet und in das Zinsänderungsrisiko aufgenommen werden, aber auch adäquate Impulse für die Vertriebssteuerung liefern. Es handelt sich zum einen um modelltheoretische Fragen, welche Methode sich für welche Produkte am besten eignet. Aber auch geschäftspolitisch und somit strategisch stellt sich die Frage der Entscheidung für ein geeignetes Modell. In der Literatur und Praxis werden unterschiedliche Ansätze zur Abbildung und Steuerung der variabel verzinslichen Produkte diskutiert. Innerhalb eines Ansatzes wiederum existieren verschiedene Untergruppen resp. Varianten. Eine eindeutige Entscheidung für ein Verfahren resp. eine konkrete Ausgestaltungsform ist nicht möglich, denn die Entscheidung für ein Verfahren ist auch abhängig vom individuellen Umfeld eines Kreditinstituts und muss daher in einen größeren Kontext eingebettet werden. Als moderner Denkansatz bietet sich hierzu das Konzept der Risk Governance an, das explizit die unternehmerischen Gesamtrisiken mit dem Ziel der Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells verbindet [Vgl. Stein/Wiedemann 2016a, Stein/Wiedemann 2016b]. Idee der Risk Governance Unternehmen jeder Art befassen sich in unterschiedlichen Bereichen mit Risiken. Banken stehen jedoch besonders im Fokus, denn ihr Geschäftsmodell ist explizit auf die Risikotransformation ausgerichtet. Nicht zuletzt darum fordert § 25a KWG auch ein Risikomanagement, mit dem die mit dem Geschäftsmodell verbundenen Risiken identifiziert, analysiert, gesteuert und überwacht werden können. Auch die Corporate Governance betrachtet Risiken, allerdings liegt der Fokus eher auf Risiken aus mangelnder Unternehmensführungsqualität, Regelinkonformität, Intransparenz und fehlender Nachhaltigkeit. Risikomanagement und Corporate Governance scheinen daher jeder für sich klar positioniert. Allerdings sind mit der jeweiligen Spezialisierung der beiden Bereiche und dem damit zwangsläufig verbundenen desintegrierenden Auseinanderdriften auch Defizite verbunden, die den Erfolg eines Geschäftsmodells infrage stellen können. Dies gilt ganz besonders dann, wenn das klassische Risikomanagement vornehmlich standardisierte Risikomodelle und Risikomanagementprozesse auf vorselektierte Standardrisiken anwendet und eher reaktiv denn proaktiv ausgerichtet ist. Aber auch die Corporate Governance weist im Hinblick auf die Risikotransformationsaufgabe Schwächen auf, die insbesondere aus der Freiwilligkeit der Anwendung der Regelungen herrühren. Dieses eingefahrene Silodenken will die Risk Governance aufbrechen ( Abb. 01). Aufgaben der Risk Governance Die Konzeption der Risk Governance umfasst vier zentrale Aufgaben. Als eine wesentliche Aufgabe der Risk Governance wird das Design von Risikomodellen gesehen. Die Risikomessung und -aggregation sowie die Parametrisierung eines Modells sollen nicht nur bekannte Risiken umfassen, sondern mit Blick auf die Stakeholder auch potenzielle und zukünftige Risiken. Eng mit der ersten Aufgabe verbunden ist die Bestimmung von Modellrisiken. Diese können gerade bei der Nutzung statistischer Modelle auf verschiedenen Ebenen auftreten. Nicht nur in der Konzeption und Kalibrierung des Modells, sondern auch in der Nutzung, Anwendung und Interpretation sind Fehler möglich. Im Rahmen einer Good Corporate Governance sollen Entscheider angemessen mit Modellrisiken umgehen können. Um insbesondere die erste Aufgabe meistern zu können, stellt die Forschung und Entwicklung in Risikothemen eine weitere Aufgabe der Risk Governance dar. Eine enge Verzahnung mit der Wissenschaft dient dazu, neue Forschungsergebnisse umzusetzen und zukünftige Entwicklungen in der Wirtschaft zu integrieren. Hierzu zählen beispielswei-

ERM 37 se Frühwarnsysteme und „neue“ Risikoarten. Um wirksam zu werden, muss eine Risk Governance im Unternehmen von der Unternehmensleitung aber auch gelebt werden. Dies ist durch eine systematische Beratung der Unternehmensleitung sicherzustellen. Die vier Aufgaben nehmen auch Einfluss auf die Risikokultur und gewährleisten ein lernendes System. Risk Governance ist kein statisches Gebilde, sondern es gilt, diese ständig weiterzuentwickeln und zu verbessern, um schlussendlich einen Beitrag zur Wertsteigerung eines Unternehmens zu leisten [Vgl. Wiedemann/Stein/ Quast 2016]. Auch mit Blick auf das Management variabler Produkte sind alle vier Aufgaben angesprochen. Wie eine Risk Governance die Unternehmensleitung bei der individuellen Entscheidung für ein geeignetes Verfahren zur Modellierung variabler Produkte und deren Parametrisierung unterstützen kann, sei im Folgenden gezeigt. Problem: Bewertung variabler Kundenprodukte Variable Kundenprodukte zeichnen sich dadurch aus, dass ein Kreditinstitut den Zins der Produkte, ohne Beachtung von Fristen, der geänderten Zinssituation anpassen kann. Diese Anpassung erfolgt in der Regel träge, also nicht täglich. Der Kunde hat seinerseits das Recht, bei Passivprodukten jederzeit eine Kapitalerhöhung oder -abhebung zu tätigen, oder er verfügt bei Aktivprodukten über Sonderrechte zur Tilgung oder Erhöhung der Kreditinanspruchnahme ohne Vorfälligkeitsentschädigung. Klassische Beispiele für variable Produkte sind Sichteinlagen, Spareinlagen, Kontokorrentkredite und variable Darlehen. Für die Abbildung der variablen Produkte im Rahmen des Zinsrisikomanagements, aber auch für die Bestimmung der Wertigkeit dieser Produkte für den Vertrieb, müssen Annahmen über den Verbleib der Volumina im Kreditinstitut sowie deren Laufzeit getroffen werden (Ablauffiktion). Außerdem sind die zukünftigen, ungewissen Kundenzinssätze zu modellieren. Ziel ist, für die variablen Produkte (beispielsweise einen Kontokorrentkredit Abb. 01 Konzept der Risk Governance [Corporate Governance] Risk Governance: Durchdringung des Unternehmens mit stakeholderorientierter Risikosteuerung aus strategischer Sicht [Risikomanagement] Design von Risikomodellen Bestimmung von Modellrisiken F&E in Risikothemnen Beratung der Unternehmensleitung Risk -Governance-Philosophie Risk -Governance-Aufgaben Risk -Governance-Wirkung oder eine Spareinlage) genauso wie für die festverzinslichen Produkte mit einer bekannten Kapitalbindung (beispielsweise ein endfälliges Darlehen) einen Cashflow zu ermitteln [Vgl. Wimmer 2004, S. 137]. Da dieser aber nicht sicher (= vertraglich fixiert), sondern unsicher ist, leitet sich dieser Cashflow aus dem für die Abbildung des Produkts gewählten Modell und den festgelegten Annahmen (= Parametrisierung des Modells) ab. Mithin sind das zugrunde gelegte Modell und dessen Annahmen die zentralen Ansatzpunkte in der Abbildung variabler Produkte. In der Vertriebssteuerung stellt sich zudem die Frage, ob die variablen Produkte periodisch oder barwertig dargestellt werden sollen. Im Zinsänderungsrisiko sollen aufsichtsrechtlich beide Perspektiven, die periodische, ertragsorientierte und die barwertige Sichtweise, abgebildet werden [Vgl. Basel Committee on Banking Supervision (BCBS) 2016, S. 1 und S. 14 ff.]. Sowohl die Vorschläge des Baseler Committee on Banking Supervision als auch die European Banking Authority legen zukünftig noch mehr Wert auf die parallele Bestimmung des Zinsänderungsrisikos. Im Mittelpunkt der periodischen Sichtweise stehen die Auswirkungen von Marktzinsänderungen auf das Net Interest Income (NII), das Risk-Governance- Effektivität Risikokultur Unternehmenseffektivität heißt auf den periodischen Zinsüberschuss resp. die periodische Zinsspanne. Barwertig werden negative Auswirkungen von Marktzinsänderungen auf den Economic Value of Equity (EVE) beziehungsweise im engeren Sinn auf den Barwert des Zinsbuchs betrachtet. Für die Vertriebssteuerung und die Messung des Vertriebserfolgs sucht die Marktzinsmethode unter dem Opportunitätsgedanken nach einem qualitätsgleichen Geld- und Kapitalmarktgeschäft für das konkret zu bewertende Kundenprodukt [Vgl. Kirmße/Lister/Schierenbeck 2014, S. 80]. Die Vorteilhaftigkeit des Kundengeschäfts kann anschließend sowohl periodisch als auch barwertig ausgewiesen werden. Auch diese Entscheidung ist geschäftspolitisch unter Abwägung der Vorund Nachteile beider Perspektiven zu treffen. Losgelöst und unabhängig von dieser Entscheidung ist jedoch der Prozess der Kalkulation. Zuerst gilt es, den Cashflow des Kundenprodukts zu generieren, anschließend wird der barwertige Vertriebserfolg ermittelt. Sofern eine periodische Sichtweise gewünscht ist, wird abschließend das barwertige Ergebnis in periodische Werte umgerechnet. Im Folgenden werden die aufgezeigten Entscheidungsfelder nicht nur ausführlich

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