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RISIKO MANAGER 03.2016

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36 RISIKO MANAGER 03|2016 gemeinsamen Screening von Führungskraft und Personalcontrolling über die unverzichtbaren (solchermaßen exklusiven) Kompetenzen des Stelleninhabers [vgl. Becker 2013]. Sinnvollerweise geht dieses Screening – dem Gedankengang der Wissensbilanz folgend – über das Kerngeschäft hinaus und beleuchtet sämtliche der oben genannten Kapitalien an den vorliegenden Prozessschnittstellen [vgl. Bader/ Riese/ Piorr 2009]. Operationalisiert mit relevanten Aufgabenbeschreibungen ggf. unter Zuhilfenahme von vorliegenden Kompetenzmodellen, Aufgaben- und Stellenbeschreibungen lässt sich so relativ einfach ein Inventar entwickeln, mit dessen Hilfe ein solches einschätzendes Interview durchgeführt werden kann. Die Frage, die es bezogen auf die Anwendung dieses Inventars zu klären gilt, ist dabei relativ einfach: „Würde Aufgabenerledigung beim Ausscheiden des Mitarbeiters wegfallen? Worin genau besteht der Verlust?“ Wenn ja, so besteht ggf. Handlungsbedarf in Form geeigneter kompensatorischer Maßnahmen. Wissenstransfer als Technik der Risikoreduktion Abb. 01 Risikomanagement-Baum Scheidet die Person, die die Stelle besetzt, zeitlich absehbar aus? Geht beim Ausscheiden der Person unverzichtbares Know-how verloren, soll ein Transfer stattfinden? Geht Handlungskompetenz verloren? Ja Begleiteter Wissenstransfer nach der Nova. PE-Methode Ja Nein Ja Nein Begleiteter Wissenstransfer mit Wissenslandkarte bzw. Wissensstafette Ja Beinhaltet die Stelle ein Risiko? Nein Ende: Einarbeitungsplan Nein Ende: Nachfolgeplanung Ende a) Risikoidentifikation b) Risikoanalyse und -bewertung c) Risikohandhabung d) Risikoüberwachung Handelt es sich bei dem Verlust um einen Informationsverlust bzw. den Wegfall spezifischer, routinierter Handlungen, so ist als Kompensation ggf. eine Qualifizierungsmaßnahme, eine strukturierte Einarbeitung (inkl. entsprechender Informationsbestände) oder auch der Aufbau redundanter Strukturen wie z. B. Stellvertreterregelungen etc. hinreichend. Hilfreich sind hier auch die vorliegenden Methoden der Wissensstafette bzw. der Wissenslandkarte [vgl. z. B. Resing 2013]. Diese Methoden stellen den sog. Wissensgeber in den Vordergrund. Sein – auch implizit - genutzter Wissensbestand wird expliziert und als Zielgröße für den Transferprozess herangezogen. Es handelt sich hier um geberzentrierte Methoden. Der Transfer bezieht sich dementsprechend darauf, Wissensbestände sichtbar zu machen und einen Informationsaufbau beim Wissensnehmer zu erzielen. Es geht darum, einen ‚Kenner‘ auf der Stelle sicherzustellen. Handelt es sich um den Verlust von Kompetenzen, so ist ein moderierter Transferprozess wie in der Nova.PE-Methode beschrieben, ratsam, der den Transfer bzw. den Aufbau von Handlungskompetenz bei einem sog. Wissensnehmer erreicht [vgl . Bader/ Riese/ Piorr 2009]. Hier wird zunächst die Rekonstruktion des Kompetenzaufbaus des Wissensgebers betrieben und ausgehend von der Basis des Wissensnehmers (der im Zweifel über eine gänzlich unterschiedliche berufliche (Lern-)biografie verfügt) der Aufbau der Handlungskompetenz angegangen. Es handelt sich hier um eine nehmerzentrierte Moderationsmethode. Es geht darum, einen ‚Könner‘ auf der Stelle sicherzustellen. Während sich die vorangegangenen konzeptionellen Vorschläge streng genommen mit der Risikoidentifizierung befassen, kommt mit der Klärung der Hypothese einer vorliegenden Exklusivität zugleich die Funktion der Risikobewertung und der Maßnahmenplanung zu. Durch diese organisatorische und zeitliche Separierung von Risikohypothesenbildung und -klärung wird das Principal-Agent-Problem auf den drei in der Literatur diskutierten Ebenen gelöst: Durch die zentrale, verantwortliche Einbindung der Führungskraft in die Klärung der Exklusivität und Relevanz des Know-hows des ausscheidenden Mitarbeiters wird ein hohes Maß an Verantwortlichkeit delegiert. Der Ergebnisanteil der Führungskraft bzgl. der Führung dieser zentralen Ressource wird verdeutlicht. Verbunden wird dieser Schritt mit der Schaffung einer Informationspflicht der Führungskraft gegenüber der Geschäftsführung, vermittelt über das Reporting des Personalmanagements. Damit einher geht eine direkte Sanktionierbarkeit des Prinzipals gegenüber dem Agenten, wenn dieser sichtbar seine Pflichten, Know-how bzw. resultierende Handlungsperformance sicherzustellen, verletzt. Die Risikoklärung erfolgt nach dieser Idee rein anlassbezogen und zeitlich gesehen relativ spät unter Beteiligung der Führungskräfte, sodass der Anreiz für ein strategisches Handeln verloren geht. Die frühzeitige Hypothesenbildung dient lediglich der Steuerung der Aktivitäten des Personalmanagements, ohne einen frühzeitigen, eindeutigen Erkenntnisgewinn in Aussicht zu stellen. Damit wird dem möglichen Akzeptanzproblem seitens der Führungskräfte begegnet. Zudem werden die Führungskräfte intensiv für die Klärung eingebunden. Dies wiederum ist für die später ggf. notwendige Aufnahme von Transferprozessen zum Know-how-Transfer notwendig.

OpRisk 37 Reaktionsmöglichkeiten aus Sicht des Risikomanagements In Abb. 01 wurde ein interner Transfer zwecks Risikoreduktion eingeleitet. Dies kann im Sinne der klassischen Risikoreaktionsmaßnahmen [vgl. Hull 2015, 574] als Vermeidung oder eben Reduktion kategorisiert werden. Der Transfer eines Risikos auf andere erscheint auf den ersten Blick nicht möglich. So ist uns etwa keine Industrieversicherung gegen Wissensverlust bekannt. Auf den zweiten Blick können jedoch etwa Outsourcing-Aktivitäten, wie z. B. in der IT-Entwicklung, unter diesem Blickwinkel betrachtet werden. Traut sich eine Firma nicht zu, ihre Programmierer dauerhaft bei der Stange halten zu können, so ist die Verlagerung der IT-Funktion und der damit verbundenen Risiken des Know-how-Verlusts eine interessante Handlungsalternative. Andere Adjustierungen in der Unternehmensorganisation sind daneben auch denkbar. Mancherorts können etwa Dispatcher eines Leitungsnetzes, Belader eines Frachtschiffs u. a. schrittweise durch intelligente, algorithmenbasierte Optimierungswerkzeuge langfristig ersetzt werden. Die Fantasien rund um das Schlagwort Industrie 4.0 enthalten genau solche Vorstellungen, die im Zeitalter des Webs der Dinge zum Greifen nah zu sein scheinen. Praktische Erfahrungen und die manchmal doch überraschend hohe Komplexität der mit der Stelle verbundenen Aufgaben können hierbei fantasiebegrenzend wirken. Schließlich gibt es theoretisch noch die Möglichkeit, gar nicht auf identifizierte Risiken zu reagieren. Im Zusammenhang wäre dies gleichbedeutend mit einer Gefährdung der gesamten Unternehmung. Ein solches Risiko/Ertragskalkül (kurzfristig spart man die Kosten der Maßnahmen) ist bei operationellen Risiken in der Regel nicht statthaft. Fazit Das Humankapital wird oft als des Unternehmens größtes Kapital hochgehalten. Die Beschäftigung mit seinen Bedrohungslagen hält damit jedoch nicht Schritt. Selbst im klassischen Raster des operationellen Risikomanagements taucht der Know-how-Verlust nicht auf. Dieser Beitrag weist einen Weg zur diesbezüglichen Risikoidentifikation und -bewertung. Techniken der Risikoreduktion und Vermeidung sowie des Risikotransfers werden skizziert. Damit wird der Wissenstransfer als Werkzeug des operationellen Risikomanagements im Detail konkretisiert und in seiner Bedeutung herausgearbeitet. Quellenverzeichnis sowie weiterführende Literaturhinweise Abrell, C./ Rowold, J./ Flasche, S. (2015): Leistungsbeurteilung, in: Human Resource Management [Hrsg.: Rowold, J. ], 2. Auflage, Berlin, Heidelberg 2015, S. 255-264. Bartscher, T. 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