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RISIKO MANAGER 02.2019

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10 RISIKO MANAGER 02|2019 Kennzahlensystem kann auch der modernen Dreiteilung der Bank in die Produktionsbank (Ziel: Messung der Effizienz), die Vertriebsbank (Ziel: v.a. Messung des Neugeschäfts beziehungsweise des wertorientierten Erfolgs) und die Steuerungsbank (Ziel: Risiko- und Performancemessung der Geschäftsfelder) Rechnung getragen werden. Die Gesamtbanksteuerung i. e. S. basiert wesentlich auf einer heuristischen Lösung, die sich hoher Akzeptanz in der Praxis erfreut. Man kann sie als Verrechnungspreismodell interpretieren, wobei Marktpreise beziehungsweise an Marktpreise angenäherte Verrechnungspreise Verwendung finden; darauf wird in späteren Abschnitten nochmals eingegangen [vgl. beispielsweise Wimmer 2014]. Kennzahlensysteme und Werttreiberbäume Um die Risiko- und Ertragssituation Entscheidungsträgern gegenüber darzustellen, müssen die vorhandenen Informationen gesammelt, verdichtet und zeitnah zur Verfügung gestellt werden. Hier kommen meist Kennzahlensysteme zum Einsatz, die unterschiedliche Steuerungs- und Berichtsaspekte des Kreditinstituts, beispielsweise im Sinne einer Balanced Scorecard, darstellen [vgl. Bielefeld/Maifarth 2005]. Das Return-on-Equity (ROE)-System ist in der Praxis weit verbreitet. Die dabei unter anderem abgeleiteten Kennzahlen ROE und Cost-Income-Ratio (CIR) sind beliebte Größen, um den Leistungsstand der Banken zu messen. Allerdings sind diese Kennzahlen stark zu hinterfragen: Beispielsweise erfolgt keine Aussage im Sinne einer Performancemessung; die Eigenkapitalrendite steigt c.p. mit sinkendem Eigenkapitaleinsatz; es wird keine Aussage über den aktuellen Vertriebserfolg getroffen; die Risikosicht fehlt (Bewertungsergebnis entspricht nur dem Blick in den Rückspiegel; diese Aussage ist insofern abzuschwächen, als die nach IFRS 9 neu gefassten Impairmentregeln den Expected Loss und nicht mehr den Incurred Loss abbilden). Das ROE-Schema erfüllt demzufolge in erster Linie einen Abbildungs- beziehungsweise Erklärungsanspruch, da das GuV-Ergebnis aufgespalten wird. Das EVA-System (Economic Value Added) erlaubt je nach konkreter Ausformung eine Aussage darüber, ob periodenbezogen oder wertorientiert eine positive Wertschöpfung unter Einbezug der Kapitalkosten erzielt wurde. Hingegen sind aktuelle Risiken nicht, beziehungsweise nur unzureichend abgebildet. Rendite-Risiko-Kennziffern sind in der Bankpraxis zunehmend im Einsatz [vgl. Wagner/Wimmer 2009]. Prinzipiell messen risikoadjustierte Kennzahlen die Überperformance gegenüber einer Mindestverzinsung (Hurdle Rate), die beispielsweise aus dem Capital Asset Pricing Model (CAPM) angeleitet ist. Sie zielen nicht auf eine Gesamtbankoptimierung (im Sinne eines sogenannten Totalmodells) ab, sondern sie basieren auf dem Konzept der Engpasssteuerung. Es wird damit ein Ausschnitt der Bank optimiert, indem der als relevant eingestufte Engpass – hier das ökonomische Eigenkapital – ausgesteuert wird (Partialmodell). So gesehen erfolgt analog zur industriellen Kapazitätssteuerung eine Steuerung mit engpassbezogenen Deckungsbeiträgen. Unter RORAC (Return on Risk-adjusted Capital) – analog RAROC – wird häufig die Relation Nettoertrag zum eingesetzten Risikokapital verstanden [die Definition ist nicht eindeutig in der Literatur; zum Teil werden weitere Kosten- und Erlöskomponenten einbezogen. Vgl. hierzu Hartmann-Wendels et al. 2015, S.289-292]. Konsequenterweise sind Zähler und Nenner jeweils entweder barwertig oder periodisiert anzugeben. Die mit dieser Kennziffer verbundene Rangfolgenbildung stellt indessen noch nicht sicher, dass nur marktwertsteigernde Geschäfte abgeschlossen werden. Anders ausgedrückt: Es sind nicht alle Sparten/ Geschäfte mit RORAC>0 als positiv einzuschätzen. Maßgeblich muss sein, ob das übernommene Risiko bezahlt, beziehungsweise mindestens die Hurdle Rate erzielt wird. Relevant für die RORAC-Ermittlung ist das zugewiesene Risikokapital (Soll-Risikokapital). Andernfalls würde eine Limitunterauslastung belohnt, was jedoch einer Nichtauslastung des knappen Guts Eigenkapital gleichkommen würde. RORAC kann prinzipiell als zentrale Beurteilungs- und Steuerungsgröße für strategische Geschäftsfelder/Geschäftseinheiten (Marktbereiche, Tochterunternehmen, Produktarten, Kundengruppen) genutzt werden, um die strategische Vorab-Allokation des Risikokapitals zu überprüfen. Kriterien der Kennzahlenauswahl Wie oben ausgeführt müssen zunächst die mit der Kennzahl verfolgte Zwecksetzung (vgl. Entscheidungsfunktion) sowie die Sichtweise (vgl. wertorientiert) und der Anspruch beziehungsweise die Funktion (vgl. Steuerungs-, Abbildungsanspruch) geklärt werden. Dieser Punkt wird nachfolgend verkürzt Zielsetzung genannt. Kennzahlen werden in einem (Financial) Cockpit abgebildet, und sie repräsentieren idealerweise das Gesamtbanksteuerungssystem. Die Kennzahlenauswahl ist u. a. abhängig von der strategischen Ausrichtung der Bank (beispielsweise Retail- vs. Investmentbank), vom Geschäftsmodell (vgl. hohe Fristentransformation bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken versus weitgehendes Ausschließen von Zinsänderungsrisiken bei Großbanken) [nach der aufsichtlichen Definition weisen derzeit 63 Prozent der Kreditgenossenschaften und 42 Prozent der Sparkassen ein erhöhtes Zinsänderungsrisiko auf, d.h. der aufsichtsrechtliche Zinsrisikokoeffizient lag bei größer 20 Prozent. Vgl. Deutsche Bundesbank 2018, S.81 f.], der Fertigungstiefe der Bank, dem Einfluss der Bilanzierungsregeln (HGB, IFRS) und den verschiedenen aufsichtsrechtlichen Anforderungen (beispielsweise Handelsbuchinstitut, IRB-Institut). Insofern sind jeweils die bankindividuellen Ausprägungen zu beachten. Die verwendeten Kennzahlen müssen konsistent und eindeutig sein, insbesondere hinsichtlich der Definitionen. Dies gilt beispielsweise für den Value at Risk (Haltedauer, Konfidenzniveau, Methode, historische Datenbasis) in unterschiedlichen Risikoarten und der Begriffe, beispielsweise Exposure als Bruttowert mit Sicherheiten oder Nettowert nach Sicherheiten oder Exposure als barwertiger oder periodischer Wert. In diesem Zusammenhang sei auf die aktuelle MaRisk-Fassung

ERM 11 Abb. 01 System der Gesamtbanksteuerung Instrument Accounting Aufsicht/Meldewesen Periodenerfolg Leverage Ratio Eigenkapital RoE PbT Cost-Income- Ratio Financial-Cockpit Liquiditäts-Kennzahlen KRI-Planung (aufsichtliche Sicht) KPI-Planung (interne Sicht) (Pareto-) Optimierung und automatisierte Handlungsempfehlungen Gesamtbanksteuerung (i. e. S.) Vertriebsbank Vertriebsergebnis Steuerungsbank Performance Produktionsbank Effizienz Neugeschäft (Stückzahlen, Vertragsvolumina) Verkaufserfolg (Neugeschäft, barwertig, nach Risiko) RORAC, RAROC Effizienz Beratung Effizienz Backoffice Aktivitätensteuerung Risiko ganzheitliche Beratung VaR (CondVaR) Limitauslastung unter AT 4.3.4 zu Datenmanagement, Datenqualität und Aggregation von Risikodaten und das Papier BCBS 239 verwiesen. Seit längerer Zeit ist zu beobachten, dass die eigentliche Gesamtsteuerung, das Accounting und das Meldewesen zunehmend miteinander verschmelzen. Insofern verstehen die Verfasser unter einem Gesamtsteuerungssystem die (möglichst) simultane Abbildung dieser ehemals meist isoliert betrachteten Säulen; vgl. die schematische Darstellung in Abb. 01. Diese angedeutete mehrdimensionale Sichtweise zeigt sich am Zusammenspiel zwischen Accounting, hier der GuV, die unter Umständen intern nach betriebswirtschaftlichen Aspekten untergliedert wird („Controlling-GuV“), und der eigentlichen Gesamtbanksteuerung. Die Entscheidungen selbst sind mit einem vorgelagerten betriebswirtschaftlichen Entscheidungskalkül zu treffen (vgl. beispielsweise Investitionsrechnung, Barwertkonzept), und deren Konsequenzen sind in der GuV (-Planung) abzubilden. Diese Vorgehensweise ist nicht ausschließlich bankspezifisch. Einzelne DAX-Konzerne stellen diesen Zusammenhang explizit in ihren Geschäftsberichten dar. So verweist etwa die BMW Group (Geschäftsbericht 2017, S.40 f.) darauf, dass Projektentscheidungen auf Basis des Kapitalwerts und der internen Rendite getroffen werden, während auf Konzernebene und Konzernsegmenten sogenannte Wertbeiträge ermittelt werden. Diese geben an, inwieweit das erwirtschaftete Ergebnis die Kapitalkosten übersteigt und ob der Konzern die markt-/ börsengetriebenen Mindestrenditeforderungen der Kapitalgeber erfüllt. Als Ausschnitt eines Werttreiberbaums, der die Verknüpfung von Kennzahlen beziehungsweise Kennzahlbestandteilen verdeutlicht, wird der Neugeschäftserfolg in Abb. 02 angegeben (links daneben die traditionelle periodenbezogene Darstellung, die den Neugeschäftserfolg periodisiert; MBW Margenbarwert, KBA[P] Konditionsbeitrag Aktiv [Passiv], ADR Adressrisikoprämie, LK Liquiditätskosten, LN Liquiditätsnutzen, bop Back-Office-Prämie, FT Fristentransformation, PK Personalkosten, SK Sachkosten; Zahlen symbolisch). Entscheidungsfindung und Optimierung von Kennzahlen in der Banksteuerung Sind die für die Steuerung des Instituts relevanten Kennzahlen auf der obersten Aggregationsebene identifiziert, so stellt sich die unmittelbare Frage, wie die Bankpraxis bei mehreren zueinander konfliktionären Zielsetzungen mindestens näherungsweise „optimale“ Steuerungsentscheidungen treffen kann.

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