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RISIKO MANAGER 02.2017

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RISIKO MANAGER ist das führende Medium für alle Experten des Financial Risk Managements in Banken, Sparkassen und Versicherungen. Mit Themen aus den Bereichen Kreditrisiko, Marktrisiko, OpRisk, ERM und Regulierung vermittelt RISIKO MANAGER seinen Lesern hochkarätige Einschätzungen und umfassendes Wissen für fortschrittliches Risikomanagement.

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14 RISIKO MANAGER 02|2017 chungen von der effektiven Mindestbeobachtungsperiode, sodass unter bestimmten Umständen bei Anwendung der exponentiellen Gewichtung auch ein effektiver Balancepunkt von weniger als sechs Monaten zulässig sein kann. Eine solche exponentielle Gewichtung, die zu einem niedrigeren Balancepunkt führt, kann im Zuge von extremen Marktbedingungen, die durch außergewöhnlich volatile Märkte gekennzeichnet sind, zulässig sein. Da jüngere Beobachtungen einen größeren Einfluss erhalten, wird die Volatilitätsschätzung in zunehmend volatileren Märkten schneller ansteigen. Allerdings führt eine solche Gewichtung umgekehrt auch dazu, dass die Volatilitätsschätzung in sich beruhigenden Märkten stärker abfällt. Insofern ist hier jeweils eine genaue Abwägung zu treffen und der Balancepunkt zumindest nicht zu kurz anzusetzen. Um zu verhindern, dass die exponentielle Gewichtung zur Ausweitung der Marktrisikogrenze genutzt wird, wird die vorherige Zustimmung der Bundesanstalt gefordert. In dem entsprechenden Antrag ist die Eignung des Modells zu belegen. Die Bundesanstalt kann die Zustimmung mit Auflagen verbinden.“ Die Ausnahmeregelung gilt – wie oben dargelegt – auch im Bankensektor. Es ist allerdings fraglich, ob Banken in gestressten Marktphasen freiwillig von dieser Ausnahmeregelung Gebrauch machen: Die stärkere Gewichtung einer jüngeren volatilen Vergangenheit führt zu einem höheren VaR und damit auch zu gestiegenen Eigenmittelanforderungen [Artikel 364 CRR-Verordnung Nr. 575/2013]. Von daher ist an dieser Stelle gerade für Banken in stressigen Marktphasen kein Anreiz zu erkennen, das Risiko höher zu bewerten. Die Ausnahmeregelung darf nicht dazu führen, dass der gewichtete VaR geringer ausfällt als der ungewichtete VaR [EBA 2015, S. 72]. Würdigung Die Anforderungen der Derivateverordnung bzw. der CRR sollen sicherstellen, dass die Vergangenheit in den VaR-Berechnungen nicht zu schnell in Vergessenheit gerät. Interessant wäre auch für Kapitalverwaltungsgesellschaften ein hybrider Ansatz, wobei der VaR mit gleichgewichteten und exponentiell gewichteten Daten berechnet werden würde. Das heißt, es müssten zwei Risikokennzahlen ermittelt werden, was mit enormem Rechenaufwand verbunden wäre. Allerdings wäre die Berechnung (bei KVGen) hilfreich, um einen zweiten Referenzpunkt für die Risikoeinschätzung zu erhalten; das heißt eine Risikoeinschätzung für eine längere Historie (Gleichgewichtung) und eine Einschätzung für die jüngste Vergangenheit (gewichtete Zeitreihe). Banken berechnen als zweiten Referenzpunkt gemäß Artikel 365 Abs. 2 CRR-Verordnung Nr. 575/2013 das Marktrisikopotenzial unter Stressbedingungen – hier allerdings ohne Einbezug gewichteter Zeitreihendaten [EBA 2012]. Neben dem erhöhten Berechnungsaufwand für einen VaR mit exponentieller Zeitreihengewichtung ist der VaR „vorbelastet“, da er nicht einfach nur als Risikokennzahl dient, sondern im Bankensektor für die Eigenmittelunterlegung herangezogen wird: Ein volatiler VaR ist aus diesem Blickwinkel nicht immer wünschenswert. Allerdings kann ein flexiblerer VaR auch dazu beitragen, die Ausreißerzahlen beim Backtesting des VaR zu reduzieren. Fazit Um die aufsichtsrechtlichen Vorschriften hinsichtlich der Einführung eines Gewichtungsfaktors bei der Marktrisikomessung zu erfüllen (EWMA-Modelle), darf der Gewichtungsfaktor nicht zu klein gewählt werden, das heißt, bei 500 historischen Änderungsraten muss er bei ca. 0,996 liegen. Damit wird die rechtliche Anforderung eines Balancepunkts nach 125 Handelstagen erfüllt. Ein geringer Gewichtungsfaktor von etwa 0,94 ist rechtlich nicht zulässig. Eine exponentielle Gewichtung der historischen Zeitreihe bei einem Beobachtungszeitraum von 250 Tagen ist ebenfalls unzulässig. Auch eine gewichtete Zeitreihe wird einen Anstieg der Volatilität infolge von Verhaltensrisiken im Risikomodell nicht sekundenschnell abbilden können; allerdings können Risiken im Anschluss an einen Schock schneller und gegebenenfalls adäquater im Marktrisikomodell verarbeitet werden. Vorteilhaft bei der Risikobetrachtung scheint es zu sein, den VaR mit einer gewichteten und einer ungewichteten historischen Zeitreihe zu berechnen, da sich folglich zwei Referenzpunkte zur Risikoeinschätzung ergeben. Quellenverzeichnis sowie weiterführende Literaturhinweise Alexander, C (2008): Market Risk Analysis: Volume IV: Value at Risk Models, Chichester 2008. EBA (2012): EBA Guidelines on Stressed Value At Risk (Stressed VaR) EBA/GL/2012/2, London 2012. EBA (2015): Consultation Paper EBA/CP/2015/27, London 14. Dezember 2015. BaFin (2013): Erläuterungen zur Derivateverordnung in der Fassung vom 16. Juli 2013, Bonn/Frankfurt 22.07.2013. Hull, J. (2016): Risikomanagement, 4. Auflage, Hallbergmoos 2016. J.P.Morgan/Reuters (1996): RiskMetrics - Technical Document, 4. Auflage, New York 1996. Wüst, K. (2014): Risikomanagement, Konstanz 2014. Autor Dr. Andreas Förster, Referent, Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Bereich Wertpapieraufsicht (Asset-Management).

15 RISIKO MANAGER: Im Dialog ... Lorenz Schneider I Professor für Finanzmathematik, EMLYON Business School in Lyon, Frankreich. 1. Welches methodische Wissen würden Sie gerne mit der Praxis teilen? In gemeinsamer Arbeit mit meinem Kollegen Bertrand Tavin zeigen wir, dass auch in komplexeren Modellen für Rohstoffmärkte interessante Aussagen über Abhängigkeiten gemacht werden können, z. B. mithilfe von implizierten Copulas. 2. An welchen Fragen im Bereich des Risikomanagements forschen Sie aktuell? Stochastische Volatilität und Korrelation von Rohstoff-Terminwarenkontrakten, z. B. für Erdöl oder Erdgas. In manchen Fällen weisen diese auch interessante saisonale Muster auf. 3. Welches kürzlich erschienene Forschungspapier/Buch/Resultat einer/s Kollegin/en hat Sie besonders beeindruckt? Die beiden Bücher von Ron Chernow über John D. Rockefeller und J. P. Morgan sind äußerst spannend zu lesen; die Fülle an interessanten Quellen und historischem Material ist beeindruckend. Und mehr technisch: die Methode von Caldana und Fusai (JBF 2013) zur Bewertung von Spread-Optionen funktioniert verblüffend gut und ist bestens praxistauglich. 4. Welche Themenfelder/ Methoden des Risikomanagements könnten zukünftig an Bedeutung gewinnen? In der Finanzkrise von 2008 haben wir gesehen, wie schnell sich Korrelationen verändern und dadurch Diversifizierungsstrategien fehlschlagen können. Robuste Aussagen über Verteilungen von Korrelationen machen zu können, erscheint mir eine wichtige Herausforderung für die Zukunft. 5. Was motiviert Sie, über den akademischen Tellerrand zu schauen? Finanzmathematik ist angewandte Mathematik. Im Gegensatz z. B. zur Topologie oder Zahlentheorie, die meiner Meinung nach auch ohne Anwendungen ihre Rechtfertigung hätten, lebt die Finanzmathematik vom Praxisbezug. Außer - dem kommen aus der Praxis immer wieder interessante Probleme und Fragestellungen. 6. Welche Inhalte im Umfeld des Risikomanagements werden Studierenden an Ihrer Universität angeboten? An der EMLYON in Frankreich, der „Grande Ecole“ an der ich tätig bin, behandeln wir Risikomanagement in verschiedenen Gebieten: in Aktien-, Zins, Kredit- und Rohstoffmärkten und auch im Portfoliomanagement. In einem „Specialized Masters“-Studiengang für Studenten mit Industrieerfahrung behandeln wir Risikomanagement auch mehr praxisbezogen, z. B. mit Fallstudien zu „Hedging“ oder Portfolio-Optimierung mit Marktdaten. 7. Quantitative Methoden und Modelle … … haben absolut ihre Berechtigung, in der Praxis sollten allerdings auch Anreize zu ihrem Missbrauch so weit wie möglich abgebaut werden. 8. Erfolgreiches Risikomanagement … … lebt davon, dass mathematische Annahmen in Modellen überprüft und hinterfragt werden dürfen, und daher auch von einer offenen Diskussionskultur im Unternehmen. 9. Meine besten Ideen habe ich … … durch vertieftes, langfristiges Einarbeiten in eine Materie und durch stimulierende Diskussionen mit Kollegen. 10. In 50 Jahren … … wird es weiterhin Aktien und Währungen geben, somit auch Preisschwankungen und Risiko und damit auch Risiko-Manager! Lorenz Schneider studierte Mathematik an den Universitäten von Bonn, Erlangen und Bologna. Danach promovierte er an der Universität Pierre et Marie Curie (Paris VI) in Mathematik. Von 2004 bis 2009 arbeitete er als quantitativer Analyst für Rohstoffund hybride Derivate bei der Dresdner Kleinwort Investment Bank in der Londoner City. Seit 2009 hat er eine Professur in Finanzmathematik an der EMLYON Business School in Lyon, Frankreich. Seine Forschungsinteressen beinhalten Multi-Faktor-Modelle mit stochastischer Volatilität für Rohstoff-Futures und Optionen, das Berechnen impliziter Dichten durch Entropie-Maximierung, Aktienbewertung in neuen Märkten mit Netzwerkeffekten, und die faire Bewertung von Aktienoptionen für Manager.

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