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RISIKO MANAGER 01.2019

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RISIKO MANAGER ist das führende Medium für alle Experten des Financial Risk Managements in Banken, Sparkassen und Versicherungen. Mit Themen aus den Bereichen Kreditrisiko, Marktrisiko, OpRisk, ERM und Regulierung vermittelt RISIKO MANAGER seinen Lesern hochkarätige Einschätzungen und umfassendes Wissen für fortschrittliches Risikomanagement.

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16 firm Frankfurter Institut für Risikomanagement und Regulierung überholen). Das ist etwas, was wir mit Blick auf Tiere nie machen würden (beispielsweise ein Lawinenspürhund, der einzigartige Fähigkeiten hat, von dem wir aber niemals auf die abstrakte Ebene ›des‹ Tieres wechseln würden). Technik ist für ganz konkrete Zwecke gemacht. Roboter haben bis auf weiteres ›Inselbegabungen‹. Wir müssen die jeweiligen Kontexte und die fraglichen Technologien im Besonderen kritisch in den Blick nehmen. FIRM-Redaktion: Im Finanzdienstleistungsumfeld wird von allen möglichen Big-Data und Analyse-Methoden gesprochen, um Banken zu revolutionieren. Ein Blick hinter die Kulissen vieler etablierter Geldhäuser vermittelt allerdings ein anderes Bild. Nämlich das einer analogen Denk- und Handelsweise. Also viele Nebelkerzen und wenig Umsetzbares in der digitalisierten Bankenwelt bis dato? Janina Loh: Ich denke, neben der deskriptiven Frage, welche Veränderungen tatsächlich in diesem Bereich vor sich gehen, ist vor allem die normative Frage, welche Algorithmen und welche Big-Data-Anwendungen wir an welchen Stellen haben wollen, die eigentlich relevante. Nehmen Sie das Beispiel des High-Speed-Trading: Hier passieren starke Kursbewegungen und Finanztransaktionen, weil die fraglichen Algorithmen das entsprechend provozieren bzw. vorgeben. Nach meinem Dafürhalten müssen wir entscheiden, welche Algorithmen in welcher Form und durch wen „gebiased“ sein sollen bzw. wie wir diese demzufolge einsetzen möchten. FIRM-Redaktion: Abschließend noch die Frage nach der von Ihnen benannten »Superintelligenz«. Ist diese bereits in Sichtweite oder müssen wir uns an dieser Stelle noch etwas gedulden? Janina Loh: Na, der Begriff der Superintelligenz stammt ja nicht von mir. Aber aus meiner Sicht – und dazu habe ich mich ja auch bereits geäußert – müssen wir uns bis auf weiteres mit Robotern mit ›Inselfähigkeiten‹ zufriedengeben. Bzw. sehe ich das eher als Möglichkeit, zunächst darüber nachzudenken, ob wir überhaupt eine solche starke KI bzw. artifizielle Superintelligenz entwickeln wollen. Bildquelle: Andreas Eicher. FIRM-Redaktion: Sprechen wir von der Digitalisierung, so steht uns mit Big Data, KI und neuen Analysemethoden eine Welt offen, die immer mehr über (Bank-)Kunden offenlegt. Die Gewohnheiten im Bezahl- und Einkaufsverhalten aufzeigt, Bargeld überflüssig macht und den Menschen durch alle Irrungen und Wirrungen einer modernen Zivilisation lenkt. Klingt das nicht verlockend? Janina Loh: Es klingt wie der Traum des modernen, kapitalistischen, westlichen (und damit vorrangig weißen und männlichen), massengesellschaftlichen und transhumanistischen Menschen – für mich persönlich ein ziemlicher Albtraum, wenn ich es mal ein bisschen zugespitzt ausdrücken darf. Dahinter steht die Vorstellung, dass sich alles, was an den Menschen von Bedeutung ist, in Zahlen übersetzen und ausdrücken lässt. Das ist nicht nur eine Reduzierung und Vereinheitlichung des menschlichen Wesens. Sondern durch Zahlen werden Menschen bewertbar, messbar und kontrollierbar. Sie erwecken zudem den Eindruck der absoluten Transparenz bei gleichzeitigen Prognosemöglichkeiten menschlichen Verhaltens. Hannah Arendt würde sagen, dass es ein Sieg des Behaviorismus und der Nationalökonomie ist, indem wir Algorithmen und Statistiken wie Naturgesetze behandeln. FIRM-Redaktion: Wo sehen Sie aus Ihrer Sicht die größten Risiken im Einsatz von KI-Lösungen im Arbeits- und letztendlich dem Lebensumfeld für Menschen? Janina Loh: Ich denke, dazu habe ich das Wesentliche bereits in der Antwort auf die vorherige Frage gesagt, weshalb ich mich hier ein wenig kürzer fasse. Aus meiner Sicht stellt das größte Risiko die Reduzierung des Menschen auf Zahlen dar, wodurch die Illusion der Vorhersagbarkeit und vollständigen Kontrolle erweckt wird. Dr. Janina Loh (geb. Sombetzki) ist Universitätsassistentin (Post-Doc) im Bereich Technik- und Medienphilosophie an der Universität Wien. Sie hat an der Humboldt-Universität zu Berlin studiert und von 2009 bis 2013 im Rahmen des von der DFG finanzierten Graduiertenkollegs „Verfassung jenseits des Staates: Von der europäischen zur Globalen Rechtsgemeinschaft?“ promoviert, betreut durch Prof. Volker Gerhardt und Prof. Rahel Jaeggi. Ihre Dissertation Verantwortung als Begriff, Fähigkeit, Aufgabe. Eine Drei-Ebenen-Analyse erschien 2014 bei Springer VS. Janina Loh arbeitet nun, nach einem dreijährigen Post-Doc-Aufenthalt an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (2013 bis 2016), seit April 2016 in Wien. Gerade erschien von ihr die erste deutschsprachige Einführung in den Trans- und Posthumanismus (Junius 2018). Sie schreibt an einer Einführung in die Roboterethik (Suhrkamp 2019). Ihr Habilitationsprojekt verfasst sie zu den Kritisch-Posthumanistischen Elementen in Hannah Arendts Denken und Werk (Arbeitstitel). Zu ihren engeren Forschungsinteressen zählen neben der Verantwortung, dem Trans- und Posthumanismus und der Roboterethik auch Hannah Arendt, feministische Technikphilosophie sowie Ethik in den Wissenschaften.

17 Ausgabe 01/2019 Wissenschaft Deutscher FinTech-Markt reift In einer aktuellen Studie „Germany FinTech Landscape 2018“ der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY zeigt sich, dass der deutsche FinTech-Markt reift. Demnach betrugen die Investitionen in junge Technologieunternehmen aus der Finanzbranche in den ersten neun Monaten 477 Millionen Euro und sollen bis Ende 2018 636 Millionen Euro erreicht haben. Nach Ansicht der Studienmacher scheint sich zudem die Zahl der FinTechs in Deutschland zu stabilisieren: Im ersten Halbjahr 2018 wurden nur sechs Neugründungen gezählt nach 22 im Gesamtjahr zuvor. Unter Berücksichtigung von gescheiterten Geschäftsmodellen wuchs der Gesamtmarkt damit nur um zwei Unternehmen auf 303 FinTechs. EY-Partner Christopher Schmitz beobachtet ein „Erwachsenwerden“ der Branche: „Nach der hohen Zahl der Neugründungen der vergangenen Jahre konzentrieren sich die Unternehmen jetzt auf die Weiterentwicklung ihrer Geschäftsmodelle und die Internationalisierung. So wollen sie sich im immer stärker werdenden Wettbewerb wappnen und sich eine größere Kundenbasis aufbauen. Druck erhalten sie von zwei Seiten: aus dem Inland von traditionellen Finanzinstituten, die lange abgewartet haben, aber inzwischen immer stärker selbst auf neue Technologien setzen. Aus dem Ausland drängen außerdem Wettbewerber auf den deutschen Markt, der wegen der schieren Größe und der Wirtschaftskraft attraktiv ist.“ Zu den größten deutschen FinTech-Standorten zählen die Städte Berlin (81 FinTechs), Frankfurt/Rhein-Main-Region (74) und München (48). Etwa ein Drittel der FinTechs – also 100 – haben nach EY-Schätzung bereits den Sprung über die Grenze auf Auslandsmärkte gewagt. Den Weg nach Deutschland suchten nach Schätzungen rund 84 FinTechs mit Sitz im Ausland. Weitere Informationen unter: www.ey.com Kurz notiert: Banken mit Lücken Eine Umfrage von Procedera Consult zeigt: 35 Prozent der Banken in Deutschland verfügen über lückenhaft dokumentierte Abläufe. In jedem dritten Institut sind die Verantwortlichkeiten zudem nicht eindeutig geregelt. Damit verstoßen die Geldhäuser gegen die Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk). In solchen Fällen kann die Bankenaufsicht (BaFin) Bußgelder verhängen und Nacharbeiten fordern. Umfrage zur Künstlichen Intelligenz Eine aktuelle Umfrage des Center for Financial Studies zeigt, dass das Gros der deutschen Finanzbranche (84 Prozent der Befragten) bezweifelt, dass die meisten Entscheidungsträger aus Wirtschaft und Politik die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz (KI) präzise kennen. Die Begriffe Digitalisierung im Allgemeinen und Künstliche Intelligenz im Besonderen werden in zahlreichen öffentlichen Diskussionen verwendet, obwohl viele Menschen nur eine vage Vorstellung von diesen Themen haben. Angesichts der Bedeutung dieser Trends spricht sich die deutsche Finanzbranche deutlich (86 Prozent) für eine Initiative zur Information und Aufklärung der Bevölkerung aus. „Wir befinden uns in einer Zeit dramatischer Veränderungen der Wirtschaft und der Arbeitswelt. Daher ist es essentiell, die Menschen altersgerecht zu informieren und aufzuklären. Ich würde mir wünschen, dass wir uns nicht nur auf die Schulen konzentrieren, sondern auch Formate für die Erwachsenenbildung für diese zentralen Zukunftsfragen entwickeln“, kommentiert Prof. Volker Brühl, Geschäftsführer des Center for Financial Studies, die Umfrageergebnisse. KI-Technologien als Kernthema Künstliche Intelligenz wird in den kommenden zehn Jahren sehr wahrscheinlich etliche Branchen revolutionieren. Davon sind 83 Prozent der Befragten überzeugt. Lediglich 17 Prozent sind der Meinung, dass die Bedeutung von KI-Technologien überschätzt wird. Der Finanzsektor wird bereits stark von der Künstlichen Intelligenz geprägt, wobei die neue Technologie das Potenzial besitzt, Finanzprozesse verändern zu können. Entsprechend eindeutig (90 Prozent) erwartet die deutsche Finanzbranche, dass KI-Technologien zukünftig zu einem der Kernthemen der Finanzindustrie zählen werden. „Die deutschen Banken müssen erhebliche Anstrengungen unternehmen, um im Bereich der Künstlichen Intelligenz nicht den Anschluss zu verlieren. Nur wenige Banken verfügen heute über eine echte KI-Strategie“, so Brühl. Die Begriffe Digitalisierung im Allgemeinen und Künstliche Intelligenz (KI) im Besonderen werden in zahlreichen öffentlichen Diskussionen verwendet, obwohl viele Menschen nur eine vage Vorstellung von diesen Themen haben. Wäre angesichts der Bedeutung 4,4 % 9,9 % dieser Trends eine Initiative zur Information und Aufklärung der Bevölkerung aus Ihrer Sicht sinnvoll? 85,7 % Ja Nein Keine Angabe Glauben Sie, dass Künstliche Intelligenz in den kommenden 10 Jahren tatsächlich etliche Branchen revolutionieren wird oder wird aus Ihrer Sicht die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz überschätzt? KI wird zu einer Revolution in vielen Bereichen der Wirtschaft führen Die Bedeutung von KI wird überschätzt. Wird Künstliche Intelligenz auch in der Finanzindustrie zu einem Kernthema werden? Ja Nein Keine Angabe Weitere Informationen unter: www.ifk-cfs.de 90,1 % 82,8 % 17,2 % 1,4 % 8,5 % Bildquelle: Center for Financial Studies.

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