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RISIKO MANAGER 01.2018

RISIKO MANAGER ist das führende Medium für alle Experten des Financial Risk Managements in Banken, Sparkassen und Versicherungen. Mit Themen aus den Bereichen Kreditrisiko, Marktrisiko, OpRisk, ERM und Regulierung vermittelt RISIKO MANAGER seinen Lesern hochkarätige Einschätzungen und umfassendes Wissen für fortschrittliches Risikomanagement.

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6 RISIKO MANAGER 01|2018 Tab. 02 Instrument Ausgewählte Beispiele für die Ermittlung der Mittelabflüsse für den Nenner der LCR Instrument Gegenpartei Rückzugsrate in Prozent Stabile Einlagen Privatkunden oder Kleinunternehmen mind. 5 Einlagen ohne Einlagensicherung Nicht-Finanzunternehmen, Staaten 75 Einlagen von Großkunden juristische Personen 100 Kreditlinien Privatkunden oder Kleinunternehmen 5 Quelle: BCBS 2013, eigene Darstellung. auch auf Kredite, Repos usw. angewandt: Werden kurzfristig fällige Verträge im Krisenszenario erneuert oder „abgezogen“? Tab. 02 gibt zur Veranschaulichung einige ausgewählte Beispiele. Je geringer die Rückzugsrate, umso günstiger wird das Geschäft für die Bank (unter sonst gleichen Umständen), weil dadurch annahmegemäß die Einlagen weitgehend stabil auch im Krisenszenario zur Verfügung stehen. Auch die Mittelzuflüsse dürfen nur unter bestimmten Voraussetzungen und in festgelegtem Umfang einbezogen werden. Tab. 03 listet dies für die wesentlichen Geschäftspartner einer Bank auf. Je höher die erwarteten Mittelzuflüsse, umso attraktiver wird das Geschäft für die Bank (unter sonst gleichen Umständen). Insgesamt ist festzuhalten, dass die LCR einen Liquiditätspuffer erzwingt, der auch im Stressszenario mindestens 25 Prozent der erwarteten Mittelabflüsse betragen muss. Das Institut darf sich demnach nicht allein auf die erwarteten Zuflüsse verlassen, sondern muss in jedem Fall liquide Aktiva als Puffer halten. Besonders günstig für Banken sind hier beispielsweise die Geldanlage in Staatsanleihen vertrauenswürdiger Staaten auf der Aktivseite und stabile Einlagen (mit Einlagensicherung) auf der Passivseite. Die LCR wurde zum 01. Januar 2015 eingeführt, musste zunächst aber nur zu 60 Prozent erfüllt werden. Diese Anforderung stieg schrittweise jedes Jahr, bis die Kennzahl zum 01. Januar 2018 zu 100 Prozent zu erfüllen ist. Die Net Stable Funding Ratio (NSFR) Die NSFR ergänzt die LCR und wird voraussichtlich zum 01. Januar 2019 in voller Höhe verpflichtend [Deutsche Bundesbank 2017d]. Da in diesem Beitrag die Umsetzung der LCR wegen der Aktualität im Vordergrund steht, wird die NSFR der Vollständigkeit halber zwar erwähnt, jedoch im Folgenden nur überblicksartig dargestellt. Während die LCR die kurzfristige Zahlungsfähigkeit eines Finanzinstituts über 30 Kalendertage sicherstellt, zielt die NSFR auf einen Zeitraum von einem Jahr ab. Die NSFR wird auf der Grundlage der Buchwerte ermittelt, die in der Bilanz ausgewiesen werden: Grundsätzlich müssen langfristige Aktivgeschäfte auch langfristig und vor allem stabil refinanziert werden. Je liquider eine Aktivposition ist, umso weniger stabile Refinanzierung wird für sie im Nenner benötigt. Die verfügbare stabile Refinanzierung im Zähler umfasst diejenigen Passivpositionen, die während eines einjährigen firmenspezifischen Stressszenarios verfügbar sind. Auch bei dieser Kennzahl sind Einlagen von Privatkunden für die Bank günstiger als beispielsweise von anderen Finanzinstituten. Baufinanzierungen oder sonstige langfristige Kredite sind im Nenner vergleichsweise hoch anzusetzen und senken dadurch unter sonst gleichen Umständen die Kennzahl. Langfristige Kredite an Finanzinstitute werden hier besonders „bestraft“, um Verflechtungen entgegenzuwirken und systemische Risiken zu verringern. Stattdessen empfehlen sich marktfähige Wertpapiere oder Unternehmensanleihen. Insgesamt ist festzuhalten, dass die kurzfristige Kennzahl LCR durch eine langfristige ergänzt wird, die jedoch voraussichtlich erst ein Jahr später vollumfänglich in Kraft treten wird. Sie soll erreichen, dass langfristige Aktiva auch langfristig und stabil refinanziert werden. Bisherige Liquiditätsanforderungen in Deutschland Tatsächlich bestanden in Deutschland auch schon vor der Finanzkrise Liquiditätsanforderungen: Paragraph 11 im Gesetz über das Kreditwesen (KWG) sowie der Grundsatz II (Liquiditätsgrundsatz), der im November 1998 von der BaFin bekannt gegeben wurde und zum 01. Juli 2000 in Kraft trat. Danach mussten in jedem Laufzeitband die verfügbaren Zahlungsmittel die Zahlungsverpflichtungen übersteigen. Zum 01. Januar 2007 wurde dieser Liquiditätsgrundsatz durch die Liquiditätsverordnung (LiqV) abgelöst. Auch hier werden zu- und abfließende Zahlungsströme nach Laufzeitbändern miteinander verglichen. Die zufließenden Zahlungsmittel müssen nur im kurzfristigen Laufzeitband (bis 1 Monat) die abfließenden Zahlungsmittel mindestens decken. Für längere Laufzeiten (bis 12 Monate) wird die Kennzahl lediglich für Beobachtungszwecke berechnet. Ferner werden hochliquide Aktiva definiert, die annahmegemäß unabhängig von ihrer Rest-

Kreditrisiko 7 laufzeit jederzeit und ohne Abschläge in Bargeld umgewandelt werden können. Sie zählen daher stets zum 1. Laufzeitband, in dem die Kennzahl zwingend zu erfüllen ist. Die neuen internationalen Anforderungen ähneln im ersten Teil (mit der LCR) der deutschen LiqV: In beiden Fällen müssen die Zahlungsmittelzuflüsse die Zahlungsmittelabflüsse zumindest decken, möglichst aber überschreiten. In der LiqV beträgt der Zeithorizont einen Monat, während er in Basel III 30 Kalendertage umfasst. Im zweiten Teil, der auf längere Zeiträume abzielt, sind die neuen Anforderungen jedoch wesentlich strenger. Während bisher die Kennzahl bis zu 12 Monaten nur für Beobachtungszwecke zu ermitteln war, wird die Fristentransformation mit der NSFR in Basel III nun massiv eingeschränkt. Bei der Berechnung der LCR wird von einem Krisenszenario ausgegangen, in dem Verkaufserlöse von Wertpapieren (bzw. eine besicherte Kreditaufnahme) nur mit Abschlägen zu erzielen sind. Die LiqV legt im Gegensatz dazu die tatsächlichen Werte der Zahlungsmittelzu- und -abflüsse zugrunde. Zudem dürfen bei der LCR maximal 75 Prozent der erwarteten Zuflüsse einbezogen werden. Durch diese neuen Anforderungen werden zwar auf der einen Seite Finanzkrisen unwahrscheinlicher, die auf Liquiditätsengpässe durch übertriebene Fristentransformation zurückzuführen sind. Zugleich wird aber in Kauf genommen, dass dadurch eine wesentliche Ertragsquelle im Bankgeschäft teilweise entfällt. Und je ertragreicher eine Bank arbeitet, umso unwahrscheinlicher ist es, dass sie in eine Schieflage gerät. Im Interesse eines funktionierenden Finanzsektors, der die Realwirtschaft zuverlässig mit Kapital versorgt, muss hier mit viel Feingefühl zwischen Vorsicht und Ertragsgesichtspunkten abgewogen werden. Umsetzung der Liquidity Coverage Ratio (LCR) Tab. 03 Privatkunden Großkunden Finanzinstitute Derivate Instrument Beispiele zur Anrechnung der Mittelzuflüsse im Nenner der LCR Quelle: BCBS 2013, eigene Darstellung. 50 Prozent; die übrigen Kredite werden annahmegemäß verlängert 50 Prozent; die übrigen Kredite werden annahmegemäß verlängert 100 Prozent, da im Krisenszenario nicht verlängert wird 100 Prozent, da im Krisenszenario nicht verlängert wird Die oben beschriebene Konstruktion der LCR legt fest, dass deren Umsetzung erfordert, dass jedes Geschäft einer Bank mit jeweils einem „Fähnchen“ mit der Klassifikation der Gegenpartei und des Geschäfts ausgestattet werden muss; hierzu zählen auch Angaben dazu, ob beispielsweise ein Aktivgeschäft ein Annuitätendarlehen oder endfällig ist. Sofern dies vor Einführung der LCR in der Datenbank des Finanzinstituts noch nicht eingefügt war, musste dies nun systematisch (und unter Zeit- und Kostendruck!) implementiert werden, ggf. konsistent über mehrere Unternehmenstöchter, Niederlassungen usw., damit die Ergebnisse auf Konzernebene aggregierbar sind. Jedoch kann damit zunächst nur die LCR fundiert berechnet werden. Wenn sie vom Institut auch eingehalten werden soll, muss dieses u. U. seine Geschäftsstrategie anpassen, von der Aufsicht „benachteiligte“ Engagements auslaufen lassen, „bevorteilte“ verstärkt eingehen usw. Diese Überlegungen machen deutlich, wie hoch der Aufwand für die Umsetzung der LCR für die Institute sein muss. Dieser Aufwand fällt gerade in einer Zeit an, in der » die Institute durch preiswerte Standardprodukte von Online-Anbietern unter erhöhtem Wettbewerbsdruck stehen, » die Margen aus dem klassischen Kreditund Einlagengeschäft wegen der extrem niedrigen Marktzinsen wegbrechen und » das klassische Aktivgeschäft zur Unternehmensfinanzierung im nicht-finanziellen Sektor und die Fristentransformation gerade durch die neuen Liquiditätsanforderungen aus Banksicht weniger attraktiv bzw. in ihrem Umfang reduziert werden. Tab. 01/02 Mit der Einführung der LCR wird damit keineswegs nur die Berechnung und Meldung einer neuen Kennzahl erzwungen, sondern in vielen Fällen zugleich eine strategische Neuausrichtung des Geschäfts eingefordert. Zur Verhinderung künftiger Krisen mag dies in vielen Fällen erforderlich sein. Gleichwohl sind gerade zahlreiche deutsche Banken mit ihren konservativen Kreditvergabepraktiken vergleichsweise gut durch die Finanzkrise gekommen. Inwieweit gerade dort die volle Härte der Liquiditätsanforderungen von Basel III zur Krisenprävention erforderlich ist, mag bezweifelt werden. Trotz der schwierigen Ausgangssituation und des erheblichen Aufwands zur Umsetzung der LCR sind die empirischen Ergebnisse schon vor dem Inkrafttreten der Kennzahl in vollem Umfang vielversprechend. Die empirische Evidenz, die hier präsentiert wird, ist entnommen aus [BCBS 2017], [Deutsche Bundesbank 2017a, 2017b] sowie [Europäische Bankenaufsichtsbehörde 2017a, 2017b]. Die deutschen Banken, die am Basel III-Monitoring teilgenommen haben, erfüllten bereits ein Jahr vor Inkrafttreten der LCR diese Liquiditätsanforderung in vollem Umfang. Im Durchschnitt über 7 Institute, die über ein Kernkapital von mehr als 3 Mrd. Euro verfügen und international tätig sind (Gruppe 1), betrug die LCR zum Dezember 2016 rund 130 Prozent. Im Durchschnitt über 30 Institute, die ein Kernkapital von weniger als 3 Mrd. Euro ausweisen und nicht international engagiert sind (Gruppe 2), betrug die LCR stattliche 172 Prozent. Bemerkenswert ist hierbei, dass die LCR nicht nur im Durchschnitt über die Institute so deutlich über 100 Prozent lag, sondern auch für jedes teilnehmende Einzelinstitut übertroffen wurde.

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