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RISIKO MANAGER 01.2018

RISIKO MANAGER ist das führende Medium für alle Experten des Financial Risk Managements in Banken, Sparkassen und Versicherungen. Mit Themen aus den Bereichen Kreditrisiko, Marktrisiko, OpRisk, ERM und Regulierung vermittelt RISIKO MANAGER seinen Lesern hochkarätige Einschätzungen und umfassendes Wissen für fortschrittliches Risikomanagement.

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22 RISIKO MANAGER 01|2018 licher Szenarien auf den Wert der Shoppingcenter analysieren, in die man investiert hat oder die man als Sicherheit im Rahmen einer Kreditvergabe erhalten hat. Zwei mögliche Szenarien wären: a. Der Ankermieter kündigt die aktuell gemietete Fläche und man findet einen Nachmieter zum gleichen Mietzins, jedoch nunmehr ohne die bislang unterstellten Steigerungen im Mietzins (mildes Szenario). b. Der Ankermieter kündigt die aktuell gemietete Fläche und man kann nur noch einen deutlich geringeren Mietzins (beispielsweise -15 Prozent) erzielen. Führt man die Neubewertung für alle Objekte, in denen Zara Ankermieter ist, durch, quantifiziert man den Einfluss der wirtschaftlichen Schwäche eines Nutzers oder einer Nutzergruppe. Die simulierten Immobilienwerte können dann auch wieder in die Kreditrisikomessung einfließen. Somit kann auch abgeschätzt werden, zu welchem Umfang die potenziellen Blankokreditausweitungen Einfluss auf den Kreditportfoliowert und somit das Kreditrisiko haben. Hierzu sei angemerkt, dass die Parameter Mietzins und Leerstand über die Schuldendienstfähigkeit (engl.: Debt Service Coverage Ratio, DSCR; der DSCR beschreibt das Verhältnis aus den Nettomieteinnahmen und den zu leistenden Kreditzahlungen (Zins- und Tilgung)) einen signifikanten Einfluss auf die Ausfallwahrscheinlichkeit einer Betreibergesellschaft haben. Der Hintergrundfaktor wirtschaftliche Stärke der potenziellen Nutzergruppen wirkt sich somit gleichzeitig auf die Kreditrisikoparameter Ausfallwahrscheinlichkeit und Sicherheitenwert (beziehungsweise den daraus abgeleiteten Parameter Blankokreditanteil) aus. Szenarioanalyse der Sicherheitenwerte In der Praxis der Kreditinstitute haben sich Szenarioanalysen zur Simulation der Sicherheitenwerte – beispielsweise durch veränderte Mietzinsen – etabliert. In der Assetklasse der Betreiberimmobilien (Immobilien, deren Wert von den Mieteneinnahmen abhängt) greift dieses Vorgehen jedoch zu kurz, da bei einer Reduktion des Mietzinses oder einer Ausweitung der Leerstandsquote nicht nur der Kreditrisikomodellparameter Sicherheitenwert betroffen ist, sondern auch die Ausfallwahrscheinlichkeit über den DSCR. Eine zunehmende Anzahl von Instituten erweitert daher ihr Kredit-/Immobilienrisikomanagement-Rahmenwerk um eine simultane Auswirkungsanalyse bzgl. Sicherheitenwert und Ausfallwahrscheinlichkeit (Betreiberimmobilien). Solche Erweiterungen erfassen aktuell aber nur das szenariobasierte Risikomanagement. Im folgenden Abschnitt wird daher skizziert, wie sich die simultane Wirkung von Mietzinsreduktionen auch in der analytischen Risikobetrachtung von Kreditportfolien integrieren lässt, um diese methodische Lücke zu schließen. Neues Modell Der Fokus liegt im Folgenden auf einem Portfolio von Kreditnehmern, die Büroimmobilien betreiben und diese über eine Bank finanziert haben. Bei der Wertermittlung der Immobilien greifen wir dabei auf das Ertragswertverfahren zurück. Die Bonität und damit die Rückzahlungsfähigkeit des Kreditnehmers wird zu einem großen Umfang aus dem Schuldendienstdeckungsgrad abgeleitet. Die unterstellten Schwankungen kommen ausschließlich aus den prognostizieren Mietpreisen. Daher passen wir das oben erwähnte Kreditrisikomodell CreditMetrics und die Gordy-Formel an diesen Hauptrisikotreiber an. Die Integration des Mietpreises in Credit- Metrics erfolgt auf zwei Ebenen: 1. Simulation des Ratings mit dem DSCR als primärem Risikotreiber und 2. Simulation des Sicherheitenwerts und damit des Blankoanteils des Kredits. Anhand dieser Integration beeinflusst der Mietpreis zum einen über den DSCR die Ausfallwahrscheinlichkeit eines Kreditnehmers, zum anderen über den Sicherheitenwert, der dem Wert der Immobilie bei einem Ausfall entspricht, die Ausfallhöhe. Simulation der PD über DSCR & Mietpreis Im Standardmodell von CreditMetrics werden Ratingübergänge simuliert, indem pro Kreditnehmer ein idiosynkratischer Faktor und pro Portfolio ein Hintergrundfaktor standardnormalverteilt berücksichtigt werden. Bezieht man dies auf den Mietpreis, so kann ein gesamtheitlicher neuer Mietpreis MP gesamt zufällig generiert werden, der sich wiederum aus einem idiosynkratischen Faktor MP i und einem Hintergrundfaktor Y MP berechnen lässt. Dieser Faktor beinhaltet somit die individuellen Mietpreisschwankungen einer Immobilie sowie den Einfluss des Immobilienmarkts insgesamt. Anhand des neuen gesamtheitlichen Mietpreises ist es möglich, den erwarteten Zahlungsstrom einer Immobilie zu berechnen und mit dem Zahlungsstrom für Kredittilgung und Zinszahlungen zu vergleichen, um den DSCR zu bestimmen. Anhand dieses DSCR wäre es nun möglich, die Ratinganpassung im Jahr 1 durchzuführen. Da hierbei jedoch die Migrationsmatrix aus den historischen Daten vernachlässigt werden würde, wird der Faktor aus dem ursprünglichen CreditMetrics-Modell mit dem DSCR zu einem neuen Creditscore verknüpft, der dann zur Ratingbeurteilung herangezogen wird. Dieser Prozess wird im Folgenden verallgemeinert dargestellt. Hierbei ist der Managementfaktor als objektindividueller Risikotreiber modelliert. Bei dieser Verfahrensweise zur Modellierung der Ratingbeurteilung ist der Miet-

Kreditrisiko 23 Abb. 02 Ratingprozess Mietpreis » Der Mietpreis ergibt sich aus dem individuellen Mietpreis und dem Hintergrundfaktor des gesamten Markts. preis indirekt – über den DSCR – ausschlaggebend für die Ausfallwahr scheinlichkeit des Kreditnehmers. Abb. 02 Simulation der PD über DSCR und des Sicherheitenwerts über den Mietpreis Da der Mietpreis somit auch einen direkten Einfluss auf den Ausfall eines Kreditnehmers hat, besteht noch ein weiterer Zusammenhang mit dem erwarteten Verlust: Ein durch einen zu niedrigen Mietpreis verursachter Ausfall hat einen weiteren negativen Effekt auf den Kreditnehmer, denn der Sicherheitenwert ist auch direkt abhängig vom Mietpreis, da der erwartete Zahlungsstrom ja gerade Bestandteil des Sicherheitenwerts ist (Ertragswertverfahren). Somit ergibt sich der Sicherheitenwert im Allgemeinen aus dem Mietpreis, der Mietfläche und dem städtespezifischen Vervielfältiger, welcher das Pendant zum Liegenschaftszinssatz ist und vom Jahresertrag auf den Marktwert schließen lässt. Die objektspezifische Restnutzungsdauer wird dabei aus den Objektdaten abgeleitet. Instrument Gesamtheitlicher Ratingscore » Der gesamtheitliche Ratingscore ergibt sich aus einer Verknüpfung des DSCR, der sich aus dem Mietpreis ergibt, mit dem Managementfaktor. Ausfallwahrscheinlichkeit » Die Ausfallwahrscheinlichkeit ist somit indirekt vom Mietpreis abhängig. Kritische Würdigung des Modells Das hier beschriebene Modell kann nur zu einem beschränkten Umfang die Realität exakt wiedergeben und unterliegt in einigen Punkten naturgemäß einer Abwägung zwischen Vereinfachung/Umsetzbarkeit einerseits und ökonomischer Exaktheit andererseits. Aber schon in dieser vereinfachten Form bildet das Modell die wichtigen Treiber für Immobilienrisiken deutlich umfassender ab, als dies die klassischen Kreditportfoliomodelle tun. Die wichtigsten Vereinfachungen sind im Folgenden nochmal zusammengefasst: In der Wertermittlung wird hier nur auf ein vereinfachtes Ertragswertverfahren abgestellt. Die verschiedenen Verfahren zur Immobilienbewertung sind in der Praxis allerdings deutlich komplexer und beinhalten weitere – teilweise weiche – Faktoren, die auf Expertenwissen beruhen können. In der Betrachtung stehen die Veränderungen im Vordergrund, sodass das gewählte Vorgehen die Entwicklung zweckmäßig abbildet. Daten vor, ließen sich diese in das Modell integrieren. Hier stehen aber Datenerfassungsaufwand und Modellierungsverbesserung in keinem ausgewogenen Verhältnis. Das Modell ist in diesem Punkt konservativ, allerdings sei angemerkt, dass auch Mieter insolvent und vertragliche Laufzeiten somit obsolet werden. Weiterhin ist die oben vorgestellte Modellierung auf Büroimmobilien beschränkt und sollte in einer Umsetzung auch weitere Immobilienklassen betrachten. Eine Ausweitung in Richtung weiterer Betreiber immobilien (Mietshäuser, Hotels etc.) ist verhältnismäßig simpel. Die Berücksichtigung beispielsweise privat genutzter Wohnimmobilien hingegen bedarf der Integration von komplexeren Modellierungsaspekten. Es besteht zudem die Möglichkeit, die Verteilung des Mietpreises, der im vorgestellten Ansatz als normalverteilt angenommen wird, tiefergehend zu untersuchen. Die Mietpreisverteilung könnte anhand der historischen Daten der jeweiligen Lage geschätzt werden. Die historischen Daten müssten dazu ergänzt werden, um ein adäquates Bild möglicher zukünftiger Mietpreisentwicklungen zu erhalten. Die Korrelation wird derzeit anhand eines Hintergrundfaktors für den gesamten Immobilienmarkt modelliert. Es besteht ebenso die Möglichkeit, die Korrelation innerhalb von Großstädten detailliert zu untersuchen und zukünftige Entwicklungen des Mietpreises zu berücksichtigen. Trotz der beschriebenen Einschränkungen beinhaltet dieses Modell einen der wichtigsten Risikofaktoren des Immobilienmarkts. Dieser wurde mit den Objektdaten der Immobilien sachgerecht verbunden, um auf dieser Basis relevante Risikokennzahlen berechnen zu können. Dadurch, dass der Mietpreis in dieser Modellierung einen simultanen Einfluss auf die Ausfallwahrscheinlichkeit und den Sicherheitenwert hat, wird gleichzeitig die Korrelation des Sicherheitenwerts mit der Ausfallwahrscheinlichkeit simuliert, die in gängigen Risikomodellen meist vernachlässigt wird. Die Mietpreisveränderungen treten im Modell zeitlich unmittelbar ein. Tatsächlich sind Mietverträge langfristig und um einen zeitlich direkten Einfluss zu beobachten, müssten alle Mieter gleichzeitig kündigen können oder neue Mietzinsen verhandeln können. Lägen die Laufzeiten der Mietverträge in Form strukturierter Fazit und Ausblick Die beschriebenen Modellerweiterungen ermöglichen eine deutlich verbesserte Analyse der nutzergetriebenen Risiken in der Immobilienbewertung (Ausfall und Sicherheitenwert) und erlauben so erst die angemessene Integration in die Kreditrisikomodellierung.

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