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RISIKO MANAGER 01.2018

RISIKO MANAGER ist das führende Medium für alle Experten des Financial Risk Managements in Banken, Sparkassen und Versicherungen. Mit Themen aus den Bereichen Kreditrisiko, Marktrisiko, OpRisk, ERM und Regulierung vermittelt RISIKO MANAGER seinen Lesern hochkarätige Einschätzungen und umfassendes Wissen für fortschrittliches Risikomanagement.

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16 RISIKO MANAGER 01|2018 Tab. 06 Tab. 07 Instrument Verteilung der LGDs auf Kreisebene LGD-Klasse 1 2 3 4 5 6 Summe Kreise (N) 20 50 105 81 36 14 306 Relativer Anteil (%) 6,54 16,34 34,31 26,47 11,76 4,58 100,00 Instrument Verteilung der Ausfallraten auf Kreisebene Ausfallraten-Klasse 1 2 3 4 5 6 Summe Kreise (N) 139 70 82 36 25 50 402 Relativer Anteil (%) 34,58 17,41 20,40 9,96 6,22 12,44 100,00 Kreisen abgeschlossen. Das Verhältnis dieser beiden Größen entspricht damit 82/113 = 72,57 Prozent. Ein niedrigerer Quotient repräsentiert hierbei regionale Risikokonzentrationen im Bereich der Verlustquoten. Ein kleinerer (höherer) Wert dieses Quotienten kann nämlich als ein vermehrtes (vermindertes) Auftreten des LGD innerhalb von bestimmten Kreisen interpretiert werden. Ein Vergleich dieser Quotienten macht deutlich, dass das Verhältnis zwischen der Anzahl der ausgefallenen Verträge und der Verteilung auf verschiedene Kreise keineswegs homogen über die einzelnen LGD-Klassen verteilt ist und sich die Spannweite von 49,65 Prozent in Klasse 4 bis 72,57 Prozent in Klasse 1 erstreckt. Tab. 06 zeigt eine analoge Einteilung von LGDs in Klassen, welche in diesem Schritt allerdings nicht auf Vertragsebene dargestellt, sondern auf Kreisebene aggregiert wurden. Beispielsweise weisen 50 Kreise in Deutschland einen durchschnittlichen LGD von 0 Prozent bis 20 Prozent (Klasse 2) auf, was einen Anteil von ca. 16 Prozent an der Grundgesamtheit aller betrachteten Kreise mit Ausfall eines Leasingnehmers ausmacht. Die insgesamt 1.185 Ausfälle im Portfolio erstrecken sich hierbei auf insgesamt 306 Kreise. Ein Blick auf die relativen Anteile zeigt erneut, dass eine uniforme Verteilung der durchschnittlichen LGDs über die Kreise nicht gegeben ist. Verluste im Bereich von 20 Prozent bis 60 Prozent (Klassen 3 und 4) werden (erwartungsgemäß) in den meisten Kreisen realisiert. Bemerkenswerter ist noch, dass selbst in den ausgeprägten Randbereichen der möglichen LGD-Werte (Klassen 1 und 6) noch eine beachtenswerte Anzahl von Kreisen verbleibt, es also zum einen Kreise gibt, in denen sehr hohe durchschnittliche LGDs realisiert werden (Klasse 6) und zum anderen einige Kreise sogar negative Verlustquoten im Durchschnitt aufweisen (Klasse 1). Dieser Aspekt, der manchmal jedoch auf nur einem Ausfall beruht, verdeutlicht, dass die Berücksichtigung von LGDs nicht nur auf Bundesebene, sondern auch auf Kreisebene einen wichtigen Mehrwert im Rahmen der Kreditrisikosteuerung darstellen kann, um der Heterogenität in den durchschnittlich realisierten Verlustquoten auf Kreisebene angemessen Rechnung zu tragen. Im Folgenden werfen wir einen Blick auf die Ausfallraten auf Kreisebene. Hierzu werden wir aus Gründen der Übersichtlichkeit erneut auf das Konzept der Klassenzuordnung zurückgreifen und die durchschnittlichen Ausfallraten (AR) auf Kreisebene in 6 Klassen einteilen. Die Einteilung in Ausfallraten-Klassen wurde wie folgt vorgenommen: In Klasse 1 sind alle Kreise mit einer Ausfallrate zwischen 0 ≤ AR < 0,02 enthalten, für Klasse 2 gilt 0,02 ≤ AR < 0,04, für Klasse 3 0,04 ≤ AR 0,06, für Klasse 4 0,06 ≤ AR < 0,08, für Klasse 5 0,08 ≤ AR < 0,10 und für Klasse 6 AR ≥ 0,10. Tabelle 7 zeigt die entsprechende Zuordnung der Anzahl der Kreise auf die Ausfallraten-Klassen. Im Unterschied zur Einteilung der LGDs in Klassen auf Kreisebene wurden in dieser Einteilung auch die Kreise berücksichtigt, in denen kein Leasingvertrag ausgefallen ist, also eine Ausfallrate von 0 Prozent auf Kreisebene ermittelt wurde. Ein Vergleich der Gesamtanzahl an Kreisen in den Tabellen 6 und 7 impliziert daher, dass in insgesamt 402 – 306 = 96 Kreisen keine Ausfälle aufgetreten sind. Es fällt auf, dass gut ein Drittel aller durchschnittlichen Ausfallraten auf Kreisebene in Klasse 1 liegt, die meisten Kreise im Datensatz also eine sehr geringe Ausfallrate von unter 2 Prozent aufweisen. Mit einem Anteil von über 50 Prozent an der Grundgesamtheit aller Kreise liegen außerdem über die Hälfte aller Kreise in den Klassen 1 und 2 und weisen damit nur geringe bis mittelhohe Ausfallraten auf. Mit 25 und 50 Kreisen in den Klassen 5 und 6 weisen gleichzeitig auch rund 19 Prozent aller im Datensatz vorhandenen Kreise hohe durchschnittliche Ausfallraten von über 8 Prozent auf. 17 Weiterhin zeigen die Analysen der disaggregierten Daten, dass Kreise mit besonders hohen Verlustquoten nicht zugleich stark erhöhte Ausfallraten aufweisen müssen. Hier scheint das Leasinggeschäft deutlich vom Kreditgeschäft abzuweichen, da in letzterem hohe Verlustquoten im Allgemeinen mit hohen Ausfallraten einhergehen. In unserem Datensatz haben lediglich knapp 3 Prozent aller berücksichtigten Kreise mit mindestens einem ausgefallenen Vertrag sowohl Verlustquoten als auch Ausfallraten in den obersten Klassen 5 und 6. Der Spearman-Rangkorrelationskoeffizient zwischen den Verlustquoten und Ausfallraten je Kreis beträgt 0,017 und ist somit wieder vernachlässigbar.

Kreditrisiko 17 Schlussbetrachtung und Implikationen für die Praxis Die vorliegende Untersuchung hat gezeigt, dass auf Basis deskriptiver Statistiken sowohl bei den Verlustquoten als auch bei den Ausfallraten starke regionale Unterschiede bestehen. Dies kann zu regionalen Risikokonzentrationen im Portfolio der Leasinggesellschaften und folglich zu potenziellen Risikoquellen führen. Diese frühzeitig zu identifizieren und adäquat zu steuern, ist eine wesentliche Aufgabe für das Risikomanagement von Leasinggesellschaften. Ferner zeigt dieser Beitrag, dass auch geografische Informationen für ein umfassendes Risikoprofil des eigenen Leasingportfolios berücksichtigt werden sollten. Gleichwohl ist auf Basis der vorliegenden Untersuchungen noch nicht klar, ob bzw. inwieweit spezielle, regional ungleich verteilte Treiber (wie etwa Wachstums- und Arbeitslosenraten) hierfür ursächlich sind. Für die Ausfallraten wurden ebenfalls starke regionale Konzentrationen festgestellt. Erwähnenswert ist vor allem, dass die Überschneidung von Regionen mit sehr hohen Verlustquoten und solchen mit sehr hohen Ausfallraten äußerst gering ist. Die vorliegende Arbeit liefert somit weitergehende Erkenntnisse über die geografische Verteilung von Verlustquoten und Ausfallraten von Leasingverträgen in Deutschland. Auf Basis obiger Ergebnisse lassen sich relevante Implikationen und Empfehlungen für die Praxis ableiten. In erster Linie bietet eine feinmaschige geografische Analyse des eigenen Portfolios Banken die Chance, regional adjustierte Steuerungspotenziale zu erkennen. Dabei können regionale Besonderheiten sowohl bei der Bepreisung weiterer Leasinggeschäfte Berücksichtigung finden als auch grundsätzlich Auswirkungen auf den Ausbau bzw. die Eindämmung des Geschäftsvolumens in einzelnen Regionen haben. Die regionalen Ausfallraten sollten von den Leasinggebern – falls nichts bereits geschehen – als ergänzende Informationsquelle neben anderen wesentlichen Parametern im Antragsscoring und bei der individuellen Vertragsausgestaltung, etwa bei der Ermittlung des Zinssatzes, einbezogen werden. Quellenverzeichnis sowie weiterführende Literaturhinweise: Altman, E. I., Brady, B., Resti, A. und Sironi, A. (2005): The Link between Default and Recovery Rates: Theory, Empirical Evidence, and Implications. The Journal of Business 78 (6), 2203–2228. Bundesverband Deutscher Leasing-Unternehmen (2016): Jahresbericht 2015. European Central Bank (2016): Survey on the Access to Finance of Enterprises in the euro area: April to September 2016. Franks, J., A. de Servigny und S. Davydenko (2004): A comparative analysis of the recovery process and recovery rates for private companies in the UK, France and Germany. Working Paper, Standard & Poor‘s Risk Solutions. Frye, J. (2000): Collateral Damage. Risk 13 (4), 91–94. Hartmann-Wendels, T. und Honal, M. (2010): Do Economic Downturns Have an Impact on the Loss Given Default of Mobile Lease Contracts? – An Empirical Study for the German Leasing Market. Credit and Capital Markets 43 (1), 65–96. Hartmann-Wendels, T./Miller, P. und Töws, E. (2014): Loss given default for leasing: Parametric and nonparametric estimations. Journal of Banking & Finance, 40 (March), 364–375. Helwig, C. (2008): Portfolioorientierte Quantifizierung des Adressenausfall- und Restwertrisikos im Leasinggeschäft – Modellierung und Anwendung. Frankfurt am Main: Fritz Knapp Verlag. Hesse, F. und Ingermann, P.-H. (2013): Die bimodale Verteilung der Recovery Rates in Sparkassen und Genossenschaftsbanken – Untersuchung und Erklärungsansatz. Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft, 25 (6), 408–414. Kaposty, F., Löderbusch, M. und Pfingsten, A. (2016): Verlustquoten im Leasing – Analyse und Abgrenzung zum klassischen Kreditgeschäft. Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen 69 (5), 225–228. Laurent, M.-P. und Schmit, M. (2005): Estimating „Distressed“ LGD on Defaulted Exposures: A Portfolio Model Applied to Leasing Contracts. In E. I. Altman, A. Resti und A. Sironi (Hrsg.), Recovery Risk, S. 307–322. London: Risk Books. Laurentis, G. d. und Riani, M. (2005): Estimating LGD in the Leasing Industry: Empirical Evidence from a Multivariate Model. In Altman, E. I., Resti, A. und Sironi, A. (Hrsg.), Recovery Risk, S. 143–164. London: Risk Books. Schaaff, C. (2009): Verwertungsquoten von Grundpfandrechten. Wiesbaden: Gabler Verlag. Schmit, M. (2004): Credit risk in the leasing industry. Journal of Banking & Finance 28 (4), 811–833. Töws, E. (2015): Geografische Analyse problembehafteter Leasing-Verhältnisse in Deutschland. Finanzierung Leasing Factoring 62 (1), 14–16. Autoren Dr. Florian Kaposty, Institut für Kreditwesen, Dr. Matthias Löderbusch, Institut für Kreditwesen, Prof. Dr. Andreas Pfingsten, Direktor Institut für Kreditwesen, alle Westfälische Wilhelms-Universität Münster. 1 Ursächlich hierfür ist primär, dass Verträge, bei denen eine eindeutige Zuordnung der Postleitzahlen zu den Kreisen nicht möglich war, im Zuge der Datenaufbereitung entfernt wurden. 2 Die seitens der Bank gewählte Ausfalldefinition stimmt mit den aus dem Baseler Regelwerk abgeleiteten regulatorischen Anforderungen überein, vgl. Verordnung (EU) 575/2013, Art. 178. 3 Die ermittelten Unterschiede zwischen einer barwertigen und einer nicht-barwertigen Berechnung des LGD sind bei einem unterstellten jährlichen Zinssatz von mindestens 6 Prozent p. a. für nahezu alle Leasingobjekte vernachlässigbar. Lediglich für geleaste Immobilien scheint eine barwertige Betrachtung partiell Auswirkungen auf den ermittelten LGD zu haben, jedoch sind in diesem Datensatz keine Verträge diesem Segment zuzuordnen, weswegen dieser Effekt keinen Einfluss auf unsere Analysen hat. Für Bankkredite zeigen Franks et al. (2004) und Schaaff (2009) ebenfalls, dass die Ergebnisse für eine barwertige und eine nicht-barwertige Berechnung des LGD nur marginal voneinander abweichen. 4 Für eine detailliertere Betrachtung negativer Verlustquoten und eine Abgrenzung zum klassischen Kreditgeschäft sei verwiesen auf Kaposty et al. (2016). 5 Die durchschnittliche Forderungshöhe bei Vertragsabschluss beträgt im vorliegenden Datensatz ungefähr 50.000 €. 6 Die Mediane liegen bei 12.066 € (Klasse 6), 8.833 € (Klasse 5), 11.948 €, (Klasse 4), 8.988 €, (Klasse 3), 1.238 €, (Klasse 2) beziehungsweise -880 € (Klasse 1). 7 Für eine intensivere Diskussion der Verteilung des LGD des vorliegenden Datensatzes sowie eine ausführlichere Einbettung in die existierende wissenschaftliche Literatur sei verwiesen auf Kaposty et al. (2016). 8 Es wurden für jedes Jahr alle aktiven Verträge dieses Jahres berücksichtigt. Da Verträge in mehreren Jahren aktiv sein können, ergibt sich folglich eine größere Grundgesamtheit an berücksichtigten Kombinationen Jahr/Vertrag, was zu den im Verhältnis niedrigeren jährlichen Ausfallraten führt. Insofern ist die Ausfallrate von 4,7 Prozent gewissermaßen eine kumulierte Ausfallrate. 9 An dieser Stelle sei explizit darauf hingewiesen, dass geografische Unterschiede bei Verlustquoten und Ausfallraten ebenfalls aus einer unterschiedlichen Marktstellung und -kenntnis der Bank in verschiedenen Regionen Deutschlands resultieren können. Demzufolge können die nachfolgend beschriebenen Effekte nicht notwendigerweise kausal auf regionale Unterschiede zurückgeführt werden. 10 Hier sei noch darauf hingewiesen, dass Art und Umfang der Besicherung der Leasingverträge im Bundesvergleich ähnlich sind. Besicherungsart und -quote als wesentliche Einflussfaktoren auf den LGD können damit an dieser Stelle nicht als Erklärungsansatz für die obigen Ergebnisunterschiede auf Bundesebene herangezogen werden. 11 Das Bundesland Berlin wurde von uns per Annahme als neues Bundesland klassifiziert. 12 Erwähnenswert ist, dass die Studie von Töws (2015) allgemein höhere Verlustquoten für den deutschen Leasingmarkt ermittelt, welche für elf der 16 Bundesländer über 45 Prozent liegen. Hierfür ursächlich können neben einem abweichenden Beobachtungszeitraum und kreditnehmer- bzw. objektspezifischen Faktoren auch unterschiedliche Verwertungskompetenzen der Leasinggeber sein. 13 Die Unterschiede in den Mittelwerten der Verlustquoten von alten und neuen Bundesländern sind bei Durchführung eines t-Tests signifikant. 14 Die Daten werden von den Autoren auf Wunsch zur Verfügung gestellt. 15 Ähnlich wie für den LGD bleiben auch bei den Ausfallraten bei Aggregation der Daten nach der ersten Ziffer der Postleitzahl die Resultate qualitativ unverändert bestehen. Die höchsten Ausfallraten werden für die Postleitzahlregionen 4, 5 und 9 ermittelt, stark unterdurchschnittliche Ausfallraten für die Postleitzahlregionen 0, 2 und 3. Des Weiteren sei angemerkt, dass die Bank eine einheitliche Ausfalldefinition verwendet und somit keine geografisch unterschiedlich gehandhabten Wiedergesundungsprozesse vorhanden sind, die als Erklärungsansatz für diese Befunde herangezogen werden können. 16 Vgl. bspw. die frühen Arbeiten von Frye (2000) und Altman et al. (2005). 17 Diese hohen Ausfallraten (wieder kumuliert im Sinn von Fußnote 8) sind allerdings häufig darauf zurückzuführen, dass in diesen Kreisen nur wenige Leasingverträge abgeschlossen wurden und der Ausfall nur weniger Kreditnehmer bereits einen erheblichen Einfluss auf die durchschnittliche Ausfallrate hat.

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