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RISIKO MANAGER 01.2016

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6 RISIKO MANAGER 01|2016 » 73 Prozent der Befragten sind mehr an den neuen Angeboten von Google, Amazon, Apple, PayPal oder Square interessiert als an denen ihrer eigenen Bank. Neue digitale Dienstleistungen Neue digitale Technologien, die Informationen schneller verarbeiten und die Kommunikation erleichtern, verändern die Art und Weise wie Wissen erstellt, angewendet, geteilt, veröffentlicht und konsumiert wird. Sie tragen auf diese Weise zu effizienteren Prozessen, größeren Synergien und einer höheren Produktivität bei. Die wachsende Verbreitung effizienter, web-basierter digitaler Technologien und die zunehmende Bereitschaft der Menschen, diese Technologien in ihr Leben zu integrieren, hat die traditionelle Dominanz der Banken bei Standard-Finanzdienstleistungen ins Wanken gebracht. Die geringen Transaktionskosten moderner Web-Technologien tragen dazu bei, dass Drittanbieter Informationen verarbeiten und neue Finanzdienstleistungen anbieten können, die mit jenen der Banken konkurrieren. Diese Financial-Technology-Start-up-Unternehmen (FinTechs) sowie große Technologie-Konzerne wie Google oder Apple haben bereits bewiesen, dass sie schneller sind, neue technische Entwicklungen zu antizipieren und zu nutzen, um standardisierte Bank-Produkte (z. B. Zahlungsabwicklung oder Kleinkredite) auf den Markt zu bringen, die anwenderfreundlicher und günstiger zu vertreiben sowie optimal auf die digitalen Kanäle zugeschnitten sind. Darüber hinaus haben diese Unternehmen den Vorteil, dass sie im Gegensatz zu den traditionellen Banken, in weit geringerem Maße der Aufsicht unterworfen sind und nicht durch aufwendig zu unterhaltende Altsysteme behindert werden. Im Gegenteil, FinTechs und Technologie-Konzerne können sich ganz auf die Schaffung von Lösungen und Produkten konzentrieren, die für den Anwender einen Mehrwert (z. B. durch leichtere Handhabung) schaffen (vgl. Rennik, 2015). Vor allem FinTechs als oft kleinere Organisationen, geschaffen für Innovation und angetrieben von einem starken unternehmerischen Geist, sind stärker in die Peer-to-Peer (P2P)-Kultur eingebunden, die mit dem rasanten Wachstum der sozialen Netzwerke entstanden ist. Als Konsequenz gewinnen die FinTechs Jahr für Jahr einen größeren Marktanteil. So wurde das Umsatzpotenzial für FinTechs in Großbritannien im Jahr 2014 bereits auf 20 Mrd. £ geschätzt, das sich auf folgende vier Bereiche verteilt (vgl. Ernst & Young, 2014): Zahlungsabwicklung (ca. zehn Mrd. £), Daten und Analytics (ca. 3,8 Mrd. £), Finanzsoftware (ca. 4,2 Mrd. £) und Plattformen (ca. 2 Mrd. £). Trotz dieser beeindruckenden Wachstumszahlen werden die neuen Marktteilnehmer das Bankgeschäft nicht neu erfinden. Agilere Geschäftsmodelle, schlankere Systemlandschaften gepaart mit modernen Methoden der Datenanalyse und webbasierten Technologien verschaffen diesen Organisationen indes einen immensen Vorteil, der dazu beitragen wird, dass Fin- Techs mehr Marktanteile am Bankgeschäft gewinnen werden. Trend zur Disintermediation „Financial Intermediation“ bzw. das Zusammenbringen von Mittelgebern und Mittelverwendern ist die fundamentale Rolle von Banken in einer Volkswirtschaft. In Europa stellen Banken mehr als 70 Prozent des externen Finanzbedarfs des Unternehmenssektors zur Verfügung, während die Kapitalmärkte weniger als 30 Prozent zur Verfügung stellen. Im Vergleich dazu decken US-amerikanische Banken nur 30 Prozent des externen Finanzbedarfs ab (vgl. Deutsche Bundesbank, 2014 sowie Cour- Thimann/Winkler, 2013). Diese Zahlen waren über mehrere Jahre hinweg stabil. In den letzten Jahren ist die Bedeutung der Banken in Europa für die Unternehmensfinanzierung indes zurückgegangen. So stellten die europäischen Banken im ersten Quartal 2014 nur noch etwa 55 Prozent des externen Finanzbedarfs zur Verfügung, sodass der Markt jenem in den USA ähnlicher wurde. Der Grund für die Veränderung ist der Trend zur „Disintermediation“, d. h. das

ERM 7 Umgehen der Banken als Finanzintermediäre. Aufgrund der neuen Bankenregulierung (z. B. neue Mindestkapitalvorschriften) sowie der notwendigen Anpassungen und Verkürzungen der Bilanzen, waren die Banken – vor allem in Kontinentaleuropa – nicht in der Lage, den externen Finanzierungsbedarf der Unternehmen zu decken. Als Ergebnis ist der Markt für Schuldtitel europäischer Unternehmen bis November 2014 auf mehr als 1 Bio. ¤ gewachsen. Ein Plus von 50 Prozent gegenüber 2009. Im gleichen Zeitraum sank das Volumen der von Banken ausgereichten Unternehmenskredite um 55 Mrd. ¤ auf 4,28 Bio. ¤ (vgl. Barut/ Rouille/Sanchez, 2015). Strategien für Banken Banken weltweit werden Strategien entwickeln müssen, um den genannten Herausforderungen zu begegnen. Der globale Trend hin zu einer strengeren Bankenaufsicht und das Niedrigzinsumfeld sind externe Faktoren, welche die Banken nicht beeinflussen können. Sie werden ihre Geschäftsmodelle dementsprechend anpassen müssen, z. B. durch die Begrenzung oder Aufgabe bestimmter Geschäfte, die viel regulatorisches Kapital binden oder durch die Anpassung der Asset Allokation, um eine höhere Rendite zu erzielen. Anderen Herausforderungen kann aktiver begegnet werden. Die zunehmend datengetriebene Aufsicht bietet Banken die Möglichkeit, ihre oft überalterten IT- und Datenmanagement-Strukturen zu erneuern. Neue Technologien und schlanke Prozesse helfen Banken, nicht nur die operationelle Effizienz zu steigern und Kosten zu senken, sondern versetzen sie auch in die Lage, schneller zu entscheiden und flexibler auf neue Entwicklungen am Markt und in der Aufsicht zu reagieren. Mit Blick auf die sich wandelnden Bedürfnisse und das geänderte Kundenverhalten sind Banken in der Lage, vorhandene Stärken auszuspielen. Ein nicht zu verachtender Wettbewerbsvorteil. Den Veränderungen der Bedürfnisse und dem Kundenverhalten können Banken mit ihrer einzigartigen Expertise in den Finanzmärkten, ihrem Wissen um die und dem Management der inhärenten Risiken, der vertraulichen Behandlung von Kundendaten (vor allem solche in elektronischer Form) begegnen. Insbesondere die jahrelange Erfahrung, Kunden einen hohen Standard operationeller Sicherheit zu bieten, wird dabei ein besonderer Wettbewerbsvorteil sein, da die Behandlung und der Schutz vertraulicher Daten bei (internationalen) Internetunternehmen zunehmend kritisch betrachtet wird. Nichtsdestotrotz werden Banken ihre digitalen Infrastrukturen und Filialnetzwerke erneuern müssen. Um Teil der Disruption zu werden und nicht deren Opfer, können Banken sich verschiedener Strategien bedienen, um dem wachsenden Wettbewerb durch Fin- Techs zu begegnen. Die Strategien mit den höchsten Erfolgsaussichten zielen auf die Schaffung und Förderung einer Kultur innerhalb der bestehenden Organisation, die neue Ideen und Dienstleistungen hervorbringt, mit neu entstehenden Wettbewerbern kooperiert oder in deren Unternehmen frühzeitig investiert. Zusammenfassung Im Gegensatz zur Sichtweise von Bill Gates sind Banken und deren Dienstleistungen auch weiterhin notwendig für die globale Wirtschaft. Allerdings müssen Banken ihre Geschäftsmodelle kritisch hinterfragen und gegebenenfalls an die neuen Realitäten anpassen, um ihre Rolle auch weiterhin zu erfüllen. Diese neuen Realitäten umfassen eine engere, anspruchsvollere und stärker datengetriebene Aufsicht, auf absehbare Zeit niedrigere Margen, neue Kundenbedürfnisse und Verhaltensweisen, Wettbewerb durch FinTechs sowie einen wachsenden Trend zur Disintermediation. Um sich diesen Herausforderungen zu stellen, benötigen Banken schlankere Prozesse, neue IT-Systeme und ein besseres Datenmanagement, um die operationelle Effizienz zu erhöhen und Kosten zu senken. Sie werden ihre Angebote digitalisieren, um neue Kunden zu erreichen und Wege finden müssen, um Teil der Veränderung zu werden und nicht ihr Opfer. Alle diese Anpassungen benötigen mutige Entscheidungen bei den Banken, welche sich allerdings auf lange Sicht auszahlen werden. Autor Dr. Christian Thun, Geschäftsführer, European Datawarehouse GmbH. Quellen Allen, F., Carletti, E., „The Roles of Banks in Financial Systems“, Oxford Handbook of Banking, 2008. Barut, M., Rouille, N., Sanchez, M., The impact of the new regulatory paradigm on the role of banks in financing the economy (pdf), Banque de France Financial Stability Review, No. 19 April 2015, S. 89-100, 2015. Chaudhuri, S. and Glazer, E., „Bank Branches in U.S. Decline to Lowest Level Since 2005“, The Wall Street Journal, 2014. Cour-Thimann, P., Winkler, B., The ECB’s non-standard monetary policy measures: the role of institutional factors and financial structure (pdf) ECB Working Paper, No. 1528, April 2013. Dapp, T., „Fintech – the digital (r)evolution in the financial sector“, Current Issues – Digital economy and structural change (pdf), Deutsche Bank Research, 2014. Deutsche Bundesbank, The shadow banking system in the euro area: overview and monetary policy implications (pdf), März 2014. Deutsche Bundesbank, Results of the survey on the profitability and resilience of German credit institutions in a low-interest-rate setting (press release), September 2015. Duranton, S., Russo, M., and Salzer, S.; Schürmann, J., „Out in Front: Exploiting Digital Disruption in the B2B Value Chain“, bcg perspectives, 2014. Ernst & Young, Landscaping UK Fintech (pdf), 2014. Hahn, T., BCBS #239 kommt – haben Sie Ihre Hausaufgaben schon gemacht? (pdf), Banking News Special – Themendossier BCBS 239, 2014. Kraemer-Eis, H., Institutional non-bank lending and the role of debt funds (pdf), European Investment Fund Working Paper 2014/25, 2014. Kunz, A., „Banken bereiten das Ende des Filial-Zeitalters vor“, Die Welt, 2015. Moody’s Investor Service, 2015 Banking Outlooks (Presentation), 2015. Rennick, E., The Fintech 2.0 Paper: rebooting financial services (pdf), Santander Innoventures and Oliver Wyman, 2015. Rieker, F., „Does the future need banks?“, SAP Banking View, 2013. Sinn, W., Schmundt, W., Jäger des verlorenen Schatzes (pdf), Deutschlands Banken, S. 11, 2014. Viacom Media Networks, The Millennial Disruption Index, 2013.

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