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RISIKO MANAGER 10.2017

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6 RISIKO MANAGER 10|2017 Fraud-Risiken minimieren mit digitaler Bonitätsprüfung und XS2A Kernelemente der digitalen Bonitätsprüfung sind der Kontozugang (XS2A), die Kategorisierung von Umsatzdaten sowie die Veredelung der Daten mit Risikomerkmalen. Die Kategorisierung ist dabei vor allem angebotsseitig für Banken, Zahlungsabwickler und Fintechs interessant: Hier lassen sich innovative Dienste, wie zum Beispiel die Kreditvergabe in Echtzeit, Zahlungsabsicherung, Personal Finance Management und Multibanking-Funktionalität, Forderungsmanagement, Umschuldung beziehungsweise Kreditablösung, ableiten. Die Veredelung der Daten mit Risiko-Merkmalen, der XS2A und die Kategorisierung sind aber vor allem auch für Risikomanager in Banken interessant, denn damit lassen sich die eingangs beschriebenen Betrugsszenarien auf ein Minimum senken: 1. Mit dem digitalen „Konto-Check“ kann der Antragsteller, der sich dazu kurz in sein Online-Banking-Konto im Antragsprozess einloggt, zusätzlich als Inhaber im Sinne des „Know-Your-Customer- Prinzips“ eines bereits bestehenden Kontos validiert werden. Damit wird überprüft, wem das Konto gehört und welche IBAN im Einsatz ist. 2. Der aktuelle und historische Verfügungsrahmen wird mit dem digitalen Kontoblick ermittelt. Über eine Cashflow-Analyse lässt sich hieraus beispielsweise der beste Zeitpunkt für den Einzug der Kreditraten ableiten – die Gefahr von Rücklastschriften durch eine Kontounterdeckung wird dadurch zu über 95 Prozent (Quelle: eigene Erhebungen) minimiert. Ferner lässt sich hierüber einschätzen, inwieweit der Kreditnehmer in der Lage ist, die zukünftigen Kreditraten zurückzahlen zu können. 3. Die Umsatzhistorie des Konsumenten und die intelligente Aufbereitung von vorliegenden Kontoinformationen lassen Rückschlüsse zu. Neben der Fähigkeit des Antragstellers seinen Kredit zu bedienen, unter anderem auch über seinen Willen, die zukünftigen Raten zurück zu zahlen! 4. Die Plausibilisierung von Arbeitgeber und Gehalt, die Validierung von „Transferzahlungen“ (Überweisungen zwischen zwei eigenen Konten) bis hin zur vollständigen Kategorisierung von bestehenden Verträgen (Leasing, Versicherungen, Handy etc.) ist über eine Analyse im Online-Banking möglich. Dies zeichnet ein umfangreicheres Bild über die Finanzsituation des Antragsstellers, als das über Auskunftei-Daten möglich ist. Die intelligente Verknüpfung der Kontodaten lässt zudem folgende Bewertungen zu: Lebt der Konsument über beziehungsweise unter seinen Verhältnissen? Ist der Antragssteller aufgrund seines Sparpotenzials sogar in der Lage, höhere Raten zu bezahlen oder einen höheren Kredit abzuschließen? Mit einer Kontextualisierung von Informationen aus dem Online-Banking können Banken also einerseits ihr Angebot um neue Services erweitern und außerdem ihr Betrugsrisiko auf ein Minimum senken. Kontozugang von Drittanbietern durch die PSD2 rechtlich eingebettet Rechtlich reguliert wird der Kontozugang durch Drittanbieter über die neue Zahlungsrichtlinie PSD2 der Europäischen Kommission. Diese basiert auf den Verhandlungen zwischen der Kommission, dem Europäischen Parlament und dem Ministerrat. Die Richtlinie bildet den rechtlichen Rahmen zwischen der Bank als Infrastrukturdienstleister des Online-Kontos und Dritten, die auf diese Infrastruktur im Auftrag des Kontoinhabers zugreifen. Technisch gesehen müssen Banken und Kreditinstitute ab Inkrafttreten der PSD2 in nationales Recht (Anfang 2018) Drittanbietern (Third Party Providern/TPP) Schnittstellen zur Verfügung stellen, damit diese Kontoinformationen einsehen und Zahlungen auslösen können. Damit können neben Fintechs auch andere Banken nach Freigabe des Kunden auf die Daten zugreifen. Ziel der Richtlinie ist die Förderung von Innovationen und Wettbewerb, die Herstellung regulatorischer Sicherheit sowie die Senkung von Zahlungsverkehrskosten für Mobil- und Internetzahlungen. Dies bedeutet auch, dass Banken künftig nicht mehr exklusiv über Kundeninformationen verfügen, sondern dem Konsumenten die Entscheidungshoheit über seine Daten zukommt. Wettbewerb schafft Innovationen: selbstlernende Algorithmen für Smart Data Der hieraus entstehende Wettbewerb wird aller Erfahrung aus liberalisierten Märkten nach neue Innovationen nach sich ziehen. Denn die Kundendaten, die aktuell in großer Menge und meistens sehr unstrukturiert und mitunter auch ungenutzt auf den Bank-eigenen Servern liegen, werden durch junge technologieorientierte Anbieter zu einem echten Asset: Das Stichwort hierzu lautet „Smart Data“. Doch was verbirgt sich hinter diesem inflationär gebrauchten Schlagwort? Erst einmal steht Smart Data in Abgrenzung zu „Big Data“. Während Big Data für den quantitativen Ansatz steht, also die Vielzahl von Daten, die mittlerweile entsteht, ist Smart Data die intelligente Verknüpfung mehrere Datenpunkte. Wenn wir uns die aufsteigende Pyramide aus Zeichen – Daten – Informationen – Wissen ansehen, dann stoppt im „analogen“ Zeitalter der Fluss häufig spätestens bei dem Punkt „Information“. Alles weitere darüber hinaus war bislang eine Aufgabe, die manuell bewerkstelligt werden musste. Intelligente Algorithmen übernehmen mittlerweile diesen Bereich, das lässt sich an dem anschaulichen Beispiel „Gehalt auf dem Kontoauszug“ demonstrieren: Angenommen, „Zeichen“ steht für die einzelnen Buchstaben, die aneinandergereiht ein Wort ergeben, nämlich den Betreff „Gehalt“ (analog der Punkt „Daten“ in der Pyramide) im Kontoauszug. Dann ist die nächsthöhere Stufe die „Information“, das wäre in unserem Fall der tatsächliche Betrag. Die nächste Ebene wäre „Wissen“, dies entsteht nun beispielsweise durch die Verknüpfung von „Cashflow“ und „Lastschrifteinzug“. Dank dieser beiden Informationen „weiß“ die Bank nun, wann das Konto gut gedeckt ist und wann damit ein sehr guter Zeitpunkt für den Einzug von Lastschriften ist. Während

OpRisk 7 also eine Information für sich noch keinen großen Wert hat, werden durch Kontextualisierung Informationen zu Wissen aufgeladen. Dies leisten Algorithmen wesentlich besser, effizienter und präziser als es Menschen je könnten. Innerhalb einer Partnerschaft mit Banken und Finanzdienstleistern können die gewonnenen intelligenten Informationen beispielsweise für neue Produktentwicklungen eingesetzt werden. Das technische Know-how und die Programmierung von selbstlernenden Algorithmen lassen noch viele weitere Services zu: So sind nicht nur Analysen aus der Vergangenheit möglich, die Technologie lässt sich auch für Vorhersagen über zukünftige Einnahmen und Bonitäten nutzen. Damit ist schon heute eine treffsichere Liquiditätsprognose realistisch. Historische Analysen (die vergangenen Gehaltszahlungen) kombiniert mit mathematischen Gesetzmäßigkeiten (beispielsweise die Verteilung von Ziffern in empirischen Datensätzen, Quantile, Stochastik etc.) machen Vorhersagen immer präziser. Die folgende Abbil- dung ( Abb. 02, eigene Berechnungen) zeigt, wie Gehaltsprognosen mittels einer statistischen Streuung verbessert werden, auch unter Berücksichtigung von Ausreißern wie beispielsweise Bonuszahlungen. Fazit: Technologie reduziert manuelle Aufwendungen und macht Risikomanagement effizient Junge, spezialisierte Smart-Data-Anbieter aus dem Fintech-Bereich können zu einem wichtigen Partner für die Risikomanagement-Abteilungen der Banken werden. Mithilfe von moderner Technologie (beispielsweise selbstlernenden Algorithmen), regulatorischer Sicherheit (PSD2) und dem Gehaltskonto als Ausgangspunkt für Bonitätsprüfungen (beispielsweise digitaler Kontoblick) lassen sich Fraud- und Betrugsrisiken digital und in Echtzeit auf ein Minimum verringern. Bei der Identifikation von Fraud-Risiken steht die automatisierte Kontextualisierung von speziellen Merkmalen und Zusammenhängen im Vordergrund: Rücklastschriften, Ausgaben in bestimmten Bereichen (beispielsweise Gaming), aber auch Spezialfälle (beispielsweise Überweisung eines Gehalts zwischen mehreren kundeneigenen Konten, beispielsweise bei Freiberuflern) oder Besonderheiten bei Mietzahlungen (beispielsweise bei Wohngemeinschaften) werden erkannt und berücksichtigt in der Kategorisierung. Damit werden manuelle Plausibilitätsprüfungen häufig überflüssig und das Risikomanagement gewinnt deutlich an Präzision und Effizienz. Neben der Analyse über bereits getätigte Ausgaben lassen selbstlernende Algorithmen auch Prognosen über künftiges Zahlungsverhalten beziehungsweise die Liquiditätssituation zu. Davon kann auch das bankeninterne Scoring in vielen Fällen profitieren. Gleichzeitig sichert sich die Bank zusätzliche Kreditnehmer, die mit bisheriger Bonitätsbewertung abgelehnt wurden. Autor: Martin Schmid, Gründer und CCO (Chief Customer Officer), FinTecSystems GmbH. Abb. 02 Privatkonto im Jahresverlauf Zahlung Buchungsdatum

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