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RISIKO MANAGER 10.2017

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36 firm Frankfurter

36 firm Frankfurter Institut für Risikomanagement und Regulierung Big Data ist von den „5 V“ die Rede. Ich denke, das wichtigste "V" hierbei ist „Velocity" (Schnelllebigkeit). Dies bedeutet, dass sich die Daten stark innerhalb kurzer Zeitabstände verändern. Da wir aber in den nächsten Jahren vor einer wahren Flut an echten „Big Data" stehen und immer mehr Organisationen betroffen sein werden, ist jetzt ein guter Zeitpunkt, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Immer mehr Sensoren werden in immer mehr Geräten verbaut und diese Sensoren werden über das Internet mit „Zuhause" verbunden. Neben reinen methodischen Ansätzen werden auch der Datenschutz (insbesondere von personenbezogenen Daten) und die Datenaufbewahrung adressiert werden müssen. Die Herausforderung für Organisationen wird sein, geeignete Menschen zu finden, die die Konzepte verstehen, dann die Prozesse entwerfen und die notwendigen Kontrollen aufsetzen können. Aktuell sind solche Personen eher rar gesät. Frank Romeike: Ja, die Kompetenzen in den Themenfeldern sind nicht sehr ausgeprägt. Doch es fehlt nicht nur an methodischen Ansätzen. Ich würde noch einen Schritt weitergehen. Wenn Daten die Währung des 21. Jahrhunderts sein sollen, müssen sich Unternehmen fragen, wie sie das in den Daten schlummernde Wissen als Wettbewerbsvorteil nutzen können. Wie kann beispielsweise ein Versicherer oder eine Bank die Kundendaten nutzen, um gegen die neuen Wettbewerber aus der Datenwelt (Google, Facebook, Amazon & Co.) bestehen zu können? Auch wenn Big Data Fluch und Segen zugleich ist: Viele Unternehmen, die sich hierzu nicht strategisch aufstellen, werden im Wettbewerb zu den „Born Globals" und Datenkraken auf der Strecke bleiben. Unternehmen benötigen zunächst erstmal eine Strategie für „Big Data", bevor sie sich überlegen, wie sie die Daten analysieren und gewinnbringend einsetzen können. Bei der Erstellung der Strategie sollten Unternehmen unter anderem folgende Punkte berücksichtigen: Verknüpfung der Geschäftsstrategie zur Big-Data-Strategie, Data Governance, Data Culture, Management von Big Data sowie Methoden und Werkzeuge. Anschließend sollten Unternehmen eine „Big Data Policy" veröffentlichen, um Kunden, Mitarbeitern und der Öffentlichkeit transparent zu machen, in welcher Form Daten gesammelt werden und was damit passiert. FIRM-Redaktion: Sind hier nicht Wirtschaft und Wissenschaft stärker gefragt, um das notwendige Wissen im Umgang mit der Digitalisierung und Big Data weiter auszubauen und weniger Worthülsen zu produzieren? Frank Romeike: Bei einem euphorischen Hype-Thema haben es konstruktive Kritiker nicht einfach. Doch es gibt sowohl in der Wirtschaft als auch in der Wissenschaft viele Kritiker, die die neue Berechnung der Welt mithilfe von „Big Data" kritisch bewerten. Big-Data-Protagonisten verkünden das „Ende der Theorie" – und auf der anderen Seite des Kritikerspektrums wird darauf hingewiesen, dass wir uns auf die Theorien, Gesetze und die Geschichte besinnen sollten, die zu der Welt geführt haben, in der wir heute leben. Aus meiner Sicht fehlt ein entscheidender Schritt: Wir müssen die Diskussion, die in der Wissenschaft stattfindet, in die Gesellschaft transportieren. Hier spielen kritische Journalisten und Politiker eine entscheidende Rolle. Außerdem benötigen wir eine höhere Transparenz der Algorithmen. Und wir sollten uns alle davor hüten, Big Data zur Allzweckwaffe hochzustilisieren. Ergänzend würde ich allen Schülern und Studenten sowie allen Bürgern den Dokumentarfilm „Democracy – Im Rausch der Daten" schenken, damit wir alle mehr über den Zustand der heutigen Demokratie und den Windmühlenkampf in der digitalen Welt erfahren. Ernest McCutcheon: Natürlich sind Wirtschaft und Wissenschaft gefragt, aber die rasante Entwicklung in diesen und anderen Bereichen überfordert ein Stück weit das gesamte System. Die Wirtschaft kann nicht in jede neue Idee und Technologie investieren und nicht jeder Trend trägt zum unternehmerischen Erfolg bei. Bei der Wissenschaft ist es vergleichbar. Den Begriff „Data Scientist" gibt es in Deutschland noch nicht lange, und einige Universitäten sind gerade noch dabei, Studiengänge in „Data Science" einzurichten. Ja, meiner Meinung nach geht es hier zunächst in der Tat noch um viele „Worthülsen". Viele Leser kennen die „Hype Curve" der Gartner Group, da sind viele Big-Data-Themen noch in den Bereichen von „Innovation Trigger" und „Peak of Inflated Expections" zu finden. Das „InGeoForum" hat einige Veranstaltungen zu dem Thema „Big Data" durchgeführt und auch hier ist festzustellen, dass Ideen und Ansätze da sind, aber die tatsächliche Implementierung noch aussteht. Das „InGeoForum" wird seinen Fokus künftig auf die Möglichkeiten von Big Data für die Geobranche selbst legen und weniger auf umgesetzte Kundenprojekte, da es einfach in Deutschland zu wenig davon gibt. Auf den DDS Data Days in Heidelberg bieten wir zu diesem Thema einen Impulsvortrag „Geo Intelligence – wie aus Big Data Local Success wird" und anschließend eine Diskussionsrunde über „Geomarketing-Ansätze mit Big Data: der aktuelle Stand". Salopp gesagt, auch wenn man sich erst jetzt mit dem Thema Big Data befasst, hat man das Boot nicht verpasst. Es liegt noch am Kai und man kann noch einsteigen. FIRM-Redaktion: Wenn Sie nach vorne schauen: Welche Entwicklungen werden Big-Data-Methoden in den kommenden Jahren nehmen und wie können Unternehmen zukünftig davon profitieren? Frank Romeike: Ohne Vertrauen gibt es keine digitale Wirtschaft. Bevor Unternehmen überhaupt erst aus Big-Data-Analytics Erträge erwirtschaften können, sollten sie erst einmal transparente und klare Regeln schaffen, damit die Bürger wissen, wer was mit ihren Daten anstellt. Die Menschen werden irgendwann verstehen, dass sie mit jedem Klick und jedem Download, jedem Facebook-Eintrag und bestellten Buch und jeder Kreditkartenzahlung im World Wide Web einen digitalen Fingerabdruck hinterlassen und gläserner werden. Sind wir damit einverstanden, dass diese Datenbestände auf wenige Unternehmen konzentriert werden, wodurch eine schier unglaubliche informationelle Macht resultiert? Insbesondere im „Internet of everything" benötigen wir einen klaren Rechtsrahmen, denn das Recht auf Privatsphäre ist kein Auslaufmodell. In den nächsten Jahren wird sich ein neues Datenrechtsbewusstsein formieren – davon bin ich überzeugt. Denn erst langsam verstehen wir die Überwachungspraktiken der Datensammler. „Big Data" des einen ist die Hehlerware des anderen. Wollen wir wirklich, dass künstliche Intelligenz den Menschen ablöst? Wollen wir wirklich, dass eine unkontrollierbare Überwachungsmaschinerie uns auf Schritt und Tritt begleitet? Big Data, Nudging, Verhaltenssteuerung: Wollen wir unser Leben und Denken von Algorithmen definieren lassen? Wollen wir mit Dingen kommunizieren und mit ihnen zu einem einzigen Superorga-

37 Ausgabe 10/2017 nismus zusammenwachsen? Wollen wir, dass Kriminelle, Terroristen oder Extremisten den digitalen Zauberstab von Big Data unter ihre Kontrolle bringen? Wir stehen am digitalen Scheideweg und sollten uns an Immanuel Kant erinnern: „Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstands ohne Leitung eines anderen zu bedienen." Ernest McCutcheon: Zu dieser Frage habe ich in meinen vorherigen Antworten schon einiges ausgeführt. Zunächst aber würde ich sagen, dass die Frage aus meiner Sicht nicht ganz richtig formuliert ist. Ich glaube nicht, dass bei den Methoden spannende Entwicklungen zu finden sein werden. Vielmehr wird es in den kommenden Jahren die schiere Menge und Verfügbarkeiten an „echten" Big Data und die Anwendung der bestehenden Methoden sein, wovon Unternehmen und Organisationen profitieren können. Sobald Produkte mit eingebauten Sensoren eine signifikante Verbreitung gefunden haben – hierzu zählen auch die autonom fahrenden Autos –, wird statt von einer Flut an Daten eher von einem Tsunami die Rede sein können. Dann wird es richtig interessant sein, zu sehen, welche Erkenntnisse aus den Daten zu gewinnen sind, und wo alle diese Daten gespeichert werden. Und genau darin liegt die Herausforderung für Unternehmen und Organisationen. Basierend auf diesen Daten können Geschäftsprozesse und Entscheidungsprozesse optimiert und sogar automatisiert werden. Zum Beispiel können Aufträge für die Durchführung von Wartungsarbeiten und Reparaturen vergeben werden, bevor der Kunde überhaupt weiß, dass sie nötig sind. Die passenden Ersatzteile sind schon bestellt und liegen im richtigen Servicezentrum vor. Ressourcen und Aufwendungen werden gespart. Ebenso wird, sofern die Kundenerwartungen die tatsächlichen Möglichkeiten nicht übersteigen, die Kundenzufriedenheit steigen. Um davon zu profitieren, wird es wichtig sein, die Ängste der Menschen zu berücksichtigen. Durch die Anwendung von Big-Data-Methoden können Menschen sehr schnell das Gefühl bekommen, ständig und in allen Lebenslagen überwacht zu werden. Es ist heute schon so, dass, wenn von „Big Data" die Rede ist, viele Menschen spontan an die NSA denken. Wenn nicht frühzeitig darauf eingegangen wird, könnte es zu negativen Entwicklungen (Verbote, Kontrollen) kommen, die sich wiederum auf die Möglichkeiten auswirken können. Dies gilt es von Anfang an zu vermeiden. Bildquelle: Ernest McCutcheon. Bildquelle: Frank Romeike. Ernest McCutcheon gründete 1993 die Desktop Data Services, aus der nach einem Joint Venture mit der PTV Group die DDS Digital Data Services GmbH wurde. Heute ist die DDS einer der führenden Anbieter von raumbezogenen Daten und Software für Desktop-Mapping-Anwendungen. Frank Romeike ist Gründer, Geschäftsführer und Eigentümer des Kompetenzzentrums RiskNET GmbH – The Risk Management Network. Er zählt international zu den renommiertesten und führenden Experten für Risiko- und Chancenmanagement.

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