Aufrufe
vor 5 Jahren

RISIKO MANAGER 09.2018

  • Text
  • Risikomanagement
  • Risiken
  • Unternehmen
  • Informationen
  • Strategische
  • Risiko
  • Strategischen
  • Chancen
  • Digitalisierung
  • Transparenzanforderungen
RISIKO MANAGER ist das führende Medium für alle Experten des Financial Risk Managements in Banken, Sparkassen und Versicherungen. Mit Themen aus den Bereichen Kreditrisiko, Marktrisiko, OpRisk, ERM und Regulierung vermittelt RISIKO MANAGER seinen Lesern hochkarätige Einschätzungen und umfassendes Wissen für fortschrittliches Risikomanagement.

8

8 RISIKO MANAGER 09|2018 die Leitung über Jahre hinweg in der Hand der Gründerfamilie, immer wieder übernahmen Angehörige oder Kinder mit Handels-Knowhow die Leitung des Versandhauses. Jedoch hätte die Zusammenstellung einer heterogeneren Unternehmensführung und das Einholen externer Fachexpertise, insbesondere im Bereich Digitalisierung, gegebenenfalls dazu geführt, dass die genannten strategischen Risiken objektiver bewertet und der strategische Richtungswechsel schneller eingeleitet worden wären [vgl. Schöllgen 2017]. 3. Obwohl sich mehrere Male die Möglichkeit für Quelle zum Eintritt in starke Wachstumsmärkte wie die USA oder Asien ergab, war es Otto, das als erstes europäisches Versandhaus in die USA expandierte. Daraus lässt sich ableiten, dass strategische Chancen und Risiken wohl nicht ganzheitlich, d.h. länderund industrieübergreifend, betrachtet wurden. Auch scheint es so, als hätte das Risikomanagement nicht auf Augenhöhe mit dem Business agiert, um die entstehenden Chancen dann auch schnell und effektiv zu nutzen. [vgl. Schöllgen 2017 sowie Dpa 2009]. Lessons Learned und Ableitung von Verhaltensweisen für ein smartes strategisches Risikomanagement Die vorangegangenen Beispiele aus der Unternehmenspraxis zeigen, dass die Identifikation wie auch der richtige Umgang mit strategischen Risiken wichtige Rollen für den Unternehmenserfolg spielen. Die folgenden fünf Verhaltensweisen bilden dabei die Basis eines erfolgreichen strategischen Risikomanagements: a. Bereitschaft zum Wandel: Ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Umsetzung eines strategischen Risikomanagements ist die zugrunde liegende Unternehmenskultur. Eine offene Mentalität und das richtige Verhalten der Mitarbeiter sind essentiell, um das Risikomanagement ganzheitlich im Unternehmen zu verankern. Proaktives Handeln aller Mitarbeiter im Umgang mit Risiken führt dazu, dass relevante Risiken auf allen Ebenen des Unternehmens identifiziert, eskaliert und entsprechende Maßnahmen getroffen werden. Unternehmen sollten Risiken zudem nicht nur als mögliche negative Entwicklung sehen, sondern auch dahinterliegende Chancen wahrnehmen und nutzen. Hierbei ist der „tone from the top“ ebenso wichtig wie gezielte Schulungen und die Verankerung von Kulturaspekten in den Vergütungs- und Anreizsystemen, um eine nachhaltige Risikokultur zu etablieren. b. Passende Mischung aus Expertise und Fähigkeiten: Für ein effektives strategisches Risikomanagement ist es wichtig, dass Governance-Funktionen, wie Aufsichtsrat oder an der Strategieentwicklung beteiligte Einheiten, aus Personen mit verschiedenen fachlichen und sozialen Hintergründen zusammengesetzt sind. Nur so können Chancen und Risiken sowie gesellschaftliche und wirtschaftliche Trends unternehmensweit und interdisziplinär erkannt, eingeschätzt und genutzt beziehungsweise mitigiert werden. Dieser Aspekt war vermutlich einer der Gründe für die Insolvenz von Quelle. Die familiengeprägte Unternehmensleitung war sehr homogen besetzt, bewertete die Risiken des technologischen Wandels nicht immer richtig und war nicht dazu bereit, entsprechende Digitalisierungsmaßnahmen zu definieren und einzuleiten. Unternehmen sollten deshalb die interdisziplinäre Zusammensetzung von Teams fördern und ihr Talentmanagement entsprechend ausrichten. Zudem hilft eine heterogene Zusammensetzung des Aufsichtsrats, bei der Vorstandsberufung Vielfalt zu stärken, und auch die viel geforderte Frauenquote auf verschiedenen Managementebenen trägt wohl einen wichtigen Teil zu einem heterogenen Unternehmen bei. c. Keine Scheuklappen bei der Risikoidentifikation: Unternehmen müssen bei der Suche nach strategischen Risiken das gesamte makroökonomische, gesellschaftliche, ökologische und technologische Umfeld in Betracht ziehen, um existenzielle Risiken frühzeitig und ganzheitlich erkennen und verarbeiten zu können. Das bedeutet, dass neben klassischen Risiken auch Trends und Technologieumbrüche zunächst in anderen Märkten zu Risiken oder Chancen werden können und dementsprechend bei der Risikoidentifikation als solche berücksichtigt werden müssen. Wie bereits am Beispiel von BlackBerry gezeigt wurde, kann eine teilweise Missachtung dieser Risiken existenzgefährdend sein. Daher sollte das Verständnis von Risiko weit gefasst sein und sich nicht nur auf Gefahren innerhalb des eigenen Markes oder Unternehmens beschränken, sondern auch aktiv das äußere Umfeld und Chancen, die dort entstehen, betrachten. d. Risikomanagement auf Augenhöhe mit dem Business: Das Risikomanagement sollte sich im Unternehmen als Kooperationspartner positionieren und nicht nur als Ex-post-Kontrollorgan wahrgenommen werden, das die erfolgreiche Umsetzung bereits beschlossener Strategien sicherstellt. Das strategische Risikomanagement sollte neben dem klassischen Risikomanagement und der Unterstützung der operativen Einheiten auch aktiv am strategischen Planungsprozess beteiligt sein. Dies beinhaltet Analysen über das weitere ökonomische Umfeld, die frühzeitige Identifikation von aufkommenden Gefahren, Risiken und Chancen sowie die aktive Mitgestaltung von bestehenden und zukünftigen Strategien. In strategischen Gremien sollte daher auch das Risikomanagement als Key Stakeholder einen festen Platz am Tisch einnehmen und nicht erst im Nachgang über das Ergebnis informiert werden. Gerade in dem aktuell volatilen Marktumfeld ist der risikospezifische Input für den strategischen Planungsprozess besonders wichtig. e. Nutzung neuer Technologien: Wie anhand der verschiedenen Beispiele deutlich wird, gibt es bei vielen Unternehmen insbesondere in der frühzeitigen Erkennung relevanter Trends (d. h. Risikoidentifizierung und -bewertung) noch akute Schwachstellen. Damit Unternehmen strategische Entscheidungen auf Basis von objektiven und fakten-

ERM 9 basierten Informationen treffen können, muss das Risikomanagement durch entsprechende Tools unterstützt werden. In diesem Zusammenhang sollten vor allem automatisierte Herangehensweisen, beispielsweise aufbauend auf intelligenten Algorithmen (Artificial Intelligence), verwendet werden, um verfügbare Informationen greifbar zu machen, nützlich aufzubereiten und zu objektivieren. Außerdem werden bei führenden Unternehmen häufig Interpretationshilfen und wissenschaftliche Modelle verwendet, um das Erkennen und Verstehen von Mustern im Geschäftsumfeld zu erleichtern. Nur durch die Unterstützung der Risiko- und Strategiefunktionen durch entsprechende Technologie können Unternehmen die treibenden Kräfte ihres Geschäftsumfelds kontinuierlich überwachen. Unternehmen, die die genannten Verhaltensweisen verinnerlichen, können strategische Risiken frühzeitig erkennen, diese aktiv in die Strategiedefinitionen einsteuern und somit als Chance nutzen. Eine ganzheitliche Anwendung ist dabei entscheidend, da einzelne Komponenten voneinander abhängig sind und nur in ihrer Gesamtheit eine effektive Wirkung erzielen. Letztlich muss bei der Umsetzung eines strategischen Risikomanagements auch die Anschlussfähigkeit in bestehende Strukturen und Abläufe sichergestellt werden. Ausblick: Quo vadis strategisches Risikomanagement? Die Beispiele aus der Unternehmenspraxis verdeutlichen, dass die frühzeitige Identifikation und der richtige Umgang mit Risiken entscheidend für die strategische Ausrichtung und letztendlich für den Unternehmenserfolg sind. Bei einer konsequenten Umsetzung eines strategischen Risikomanagements können aber auch entscheidende Wettbewerbsvorteile für Unternehmen entstehen. Die aufgeführten Beispiele zeigen jedoch auch, dass der falsche Umgang mit strategischen Risiken im schlimmsten Fall zum Scheitern des Unternehmens führen kann. Umso wichtiger ist es, die fünf aufgeführten Verhaltensweisen zu berücksichtigen, um das strategische Risikomanagement stringent, ganzheitlich und nachhaltig in der Organisation zu verankern. Zusätzlich ist eine kontinuierliche Überprüfung und Bewertung des Risikokatalogs und des Risikoappetits hinsichtlich neuer Risiken notwendig, um als Unternehmen auf das veränderte Umfeld stets adäquat vorbereitet zu sein. Der Umgang mit immer größer werdenden Datenmengen und der steigenden Komplexität der Auswertungen wird ein kritischer Erfolgsfaktor für das Risikomanagement der Zukunft sein. Die Nutzung von neuen Technologien zur frühzeitigen Risikoidentifizierung und -bewertung wird deshalb eine entscheidende Rolle spielen. Insbesondere fortschrittliche Big Data und Advanced Analytics-Anwendungen können Unternehmen nicht nur dabei unterstützen, relevante Informationen herauszufiltern, sondern auch neue Handlungsmuster und -optionen aufzuzeigen. Das strategische Risikomanagement muss sich dementsprechend weiterentwickeln und sollte in Zukunft aktiv an der Strategiedefinition beteiligt sein, jedoch auch eine stärkere organisatorische Integration mit der strategischen Planung in Erwägung zu ziehen. Durch die enge Zusammenarbeit mit dem Senior Management kann das Risikomanagement somit seine Rolle als Ex-post-Kontrolleur endgültig ablegen und dazu beitragen, neue Trends oder Risiken frühzeitig zu erkennen, Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg zu analysieren und unternehmenskritische Entwicklungen zu verhindern. Quellenverzeichnis sowie weiterführende Literaturhinweise Astheimer, S./Knop, C./Jansen, J. (8. Oktober 2018): Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ). Digitalisierung: Wie sich das Unternehmen Otto verändert hat: http:// www.faz.net/aktuell/wirtschaft/diginomics/digitalisierung-wie-sich-das-unternehmen-otto-veraenderthat-15826122.html abgerufen. Blodget, H. (20. Februar 2014): Everyone Who Thinks Facebook Is Stupid To Buy WhatsApp For Billion Should Think Again ... Business Insider: https://www. businessinsider.com/why-facebook-buying-whatsapp- 2014-2?IR=T abgerufen. Dierig, C./Gotthold, K./Seidel, H. (24. Oktober 2009): Welt. Warum Quelle trotz Versandhandels-Boom starb: https:// www.welt.de/wirtschaft/article4961097/Warum-Quelle-trotz-Versandhandels-Boom-starb.html abgerufen. Dpa. (21. Oktober 2009): ntv. Weltweit und im Internet: Otto bleibt stark: https://www.n-tv.de/wirtschaft/Otto-bleibt-stark-article556755.html abgerufen. Dpa. (28. September 2016): Aufstieg und Fall von Blackberry: https://www.handelsblatt.com/unternehmen/it-medien/ smartphone-hersteller-aufstieg-und-fall-von-blackberry/14615444.html abgerufen. Frehse, L. (15. April 2015): Nach 60 Jahren Image-Probleme: Wie McDonald's sich ändern will. Tagesspiegel: https:// www.tagesspiegel.de/wirtschaft/nach-60-jahren-image-probleme-wie-mcdonalds-sich-aendern-will/11636828.html abgerufen. Gustin, S. (24. September 2013): The Fatal Mistake that Doomed Blackberry: http://business.time.com/2013/09/24/ the-fatal-mistake-that-doomed-blackberry abgerufen. Jana, R. (7. März 2013): Inside Facebook’s Internal Innovation Culture. Harvard Business Review: https://hbr. org/2013/03/inside-facebooks-internal-inno abgerufen. Manjoo, F. (19. April 2017): Why Facebook Keeps Beating Every Rival: It’s the Network, of Course. The New York Times: https://www.nytimes.com/2017/04/19/technology/ facebook-snapchat-instagram-innovation.html abgerufen. McDonald's (2018): Nachhaltigkeitsbericht 2018. München: McDonald’s Deutschland LLC. McNish, J./Silcoff, S. (2015): Losing the Signal: The Untold Story Behind the Extraordinary Rise and Spectacular Fall of Blackberry. Macmillan USA. Schader, P. (10. Juli 2015): Beim Burger-Riesen muss man künftig zwei Mal anstehen. Wirtschaftswoche: https://www. wiwo.de/unternehmen/dienstleister/mcdonalds-beim-burger-riesen-muss-man-kuenftig-zwei-mal-anstehen/12021668.html abgerufen. Schöllgen, G. (3. Mai 2017): Warum die Quelle versiegte. Von Süddeutsche Zeitung: https://www.sueddeutsche.de/ wirtschaft/handel-warum-die-quelle-versiegte-1.3488249 abgerufen. Weitenkamp, L. (20. Februar 2014): Ein starkes Team? Das sind die Gründe für Facebooks WhatsApp-Übernahme. t3n: https://t3n.de/news/facebook-whatsapp-gruende-529809/ abgerufen. Autoren Dr. Kai Brühl, Director – Jennifer Groß, Manager – Steffen Eisele, Senior Consultant – Maximilian Johnen, Consultant – alle Risk Advisory – Strategic Risk, Deloitte GmbH.

RISIKO MANAGER

 

Copyright Risiko Manager © 2004-2017. All Rights Reserved.