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RISIKO MANAGER 09.2017

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16 RISIKO MANAGER 09|2017 Factoring-Transaktionen eine abgestufte Prüfung in drei Schritten vor: Schritt 1 (Tz. 132): Begründet die Reverse-Factoring-Transaktion eine neue Verpflichtung des Abnehmers gegenüber dem Käufer (z. B. aufgrund eines Schuldanerkenntnisses) und wird der Abnehmer von seiner ursprünglichen Verpflichtung rechtlich entbunden? Ist dies der Fall, findet eine Ausweisänderung in der Bilanz des Abnehmers statt: Die Verbindlichkeit aus Lieferung und Leistung wird ausgebucht und stattdessen eine (sonstige) finanzielle Verbindlichkeit erfasst. Schritt 2 (Tz. 133): Begründet die Reverse-Factoring-Transaktion eine neue Verpflichtung des Abnehmers gegenüber dem Käufer (z. B. aufgrund eines Schuldanerkenntnisses), die neben die weiter bestehende Verpflichtung des Abnehmers gegenüber dem Lieferanten tritt? In diesem Fall schlägt das IDW die Erfassung einer neuen finanziellen Verbindlichkeit des Abnehmers gegenüber dem Käufer vor, die entsprechend in dessen Bilanz zu erfassen ist. Die ursprüngliche Forderung aus Lieferung und Leistung soll zwar nicht ausgebucht werden, deren Wert aber regelmäßig auf null zu setzen sein. Schritt 3 (Tz. 134): Kommt es infolge der Reverse-Factoring-Transaktion zu einer substantiellen Änderung der Vertragsbedingungen? Diese Prüfung hat nur dann zu erfolgen, wenn die Prüfung in Schritt 1 und 2 zuvor noch nicht die Begründung einer neuen Verbindlichkeit des Abnehmers ergeben hat. Insoweit sind die geänderten vertraglichen Absprachen, zu denen auch ein Einredeverzicht zu zählen wäre, quantitativ und qualitativ zu würdigen. Ist die Änderung wesentlich im Sinne von IFRS 9, so soll es ebenfalls zur Ausweisänderung kommen: die ursprüngliche Forderung aus Lieferung und Leistung ist auszubuchen und die wesentlich veränderte Forderung ggf. als neue Verbindlichkeit abzubilden. Risiko einer bilanziellen Ausweisänderung für den Schuldner Eine bilanzielle Ausweisänderung in diesem Sinn, d. h. einer Erfassung einer neuen finanziellen Verbindlichkeit anstelle oder neben der ursprünglichen Verbindlichkeit aus Lieferung und Leistung ist aus Sicht des Schuldners in aller Regel höchst unerwünscht. Dem Schuldner wird folglich daran gelegen sein, auf eine Vertragsgestaltung zu drängen, die zwar die vom Factor geforderte Risikoverteilung bewirkt, zugleich aber keine Ausweisänderung in der eigenen Bilanz nach sich zieht. Nimmt man die Anforderungen der IFRS-Rechnungslegung ernst, so ist diese Gestaltungsvorgabe mit vertraglichen Erklärungen des Schuldners, die rechtlich als abstrakte Zahlungsversprechen zu qualifizieren sind, oder vertraglichen Abreden, die eine Schuldersetzung (Novation) bewirken, nicht bzw. nur schwerlich zu erreichen. Derartige vertragliche Gestaltungen ziehen aus Sicht des IFRS-bilanzierenden Schuldners ein erhebliches Risiko einer unerwünschten bilanziellen Erfassung des Geschäfts nach sich, selbst wenn dieses den Parteien bei Abschluss des Geschäfts nicht bewusst gewesen sein sollte oder diese eine andere bilanzielle Beurteilung erreichen wollten (was ggf. im Rahmen der Auslegung zu berücksichtigen ist). Konsequenzen für die Vertragsgestaltung und das Risikomanagement des Factors Was heißt das nun für die Vertragsgestaltung und das Risikomanagement bei den beteiligten Banken und Finanzdienstleistern? Um das Risiko einer unerwünschten bilanziellen Erfassung beim Schuldner zu vermeiden bzw. zu minimieren und damit das Produkt weiterhin für IFRS-bilanzierende Unternehmenskunden attraktiv zu halten, ist es daher empfehlenswert, Vertragsgestaltungen zu vermeiden, die rechtlich als abstraktes Zahlungsversprechen oder als Schuldersetzung auszulegen sind. Dies musste zwar auch schon bislang Geltung beanspruchen. Das IDW hat mit seinen Ausführungen allerdings nochmals das Bewusstsein für das bilanzielle Problem geschärft, das mit einer unzulänglichen Vertragsgestaltung im Einzelfall verbunden sein kann. Reverse Factoring anbietende Banken und Finanzdienstleister werden ihre Vertragsgestaltungspraxis künftig verstärkt daran ausrichten, ihr Produktangebot entsprechend überprüfen und ggf. anpassen müssen. Soweit deutsches Recht maßgeblich ist, bietet sich für die Vertragsgestaltung der Abschluss einer Schuldbestätigungsvereinbarung (deklaratorisches Schuldversprechen) zwischen Factor und Schuldner an. Diese Vereinbarung ist von deutschen Gerichten sowohl vom Vertragstypus her wie von ihren Rechtsfolgen anerkannt und bietet nach hiesiger Auffassung bei entsprechend sorgfältiger Gestaltung eine hinreichende Gewähr für eine angemessene vertragliche Risikoverteilung zwischen Factor und Schuldner, ohne dass letzterer infolge der weitergehenden rechtsgeschäftlichen Erklärung seine ursprüngliche Verbindlichkeit aus Lieferung und Leistung ausbuchen und/oder eine neue finanzielle Verbindlichkeit gegenüber dem Factor einbuchen müsste. Im internationalen Geschäftsverkehr wird – bei Wahl ausländischen Rechts und der Zuständigkeit ausländischer Gerichte – eine entsprechende Sorgfalt bei der Vertragsgestaltung anzulegen sein, was im Zweifel die rechtzeitige Einbindung eines versierten lokalen Anwalts und des Wirtschaftsprüfers des Schuldners in die Verhandlungen zwischen den Parteien und die anschließende Vertragsgestaltung bedingt. Die Konsequenzen reichen aber noch weiter. Will der Schuldner z. B. eine Verlängerung seiner Zahlungsziele erreichen, der Factor hierfür aber ein entsprechendes Entgelt (Zinsen) vereinbaren, so ist vorab zu prüfen und zu beachten, dass – qualitativ wie quantitativ - die Grenzen für eine wesentliche (substantielle) Änderung der ursprünglichen Verbindlichkeit nicht überschritten werden. Insoweit empfiehlt sich für den Schuldner eine entsprechende Studie der Branchenüblichkeit mit anschließender Dokumentation der Ergebnisse. Der Factor wird in die Diskussion

17 des Schuldners mit seinem Wirtschaftsprüfer eingebunden sein. Der Factor wird zudem maßgeblich auf die ursprüngliche und nun im Wege des Forderungsverkaufs abzutretende Forderung aus Lieferung und Leistung abstellen müssen, da es aus bilanzieller Sicht neben dieser keinen eigenständigen Rechtsgrund für eine Zahlung des Schuldners geben darf. Anders als bei einem abstrakten Zahlungsversprechen kann der Factor deshalb nicht ohne Weiteres auf die bloße „Schuldbestätigungserklärung“ des Schuldners vertrauen. Er wird vielmehr ausdrücklich vertraglich dafür Vorsorge treffen müssen, dass der Schuldner auch die Eignung einer Forderung und deren Rechtsübergang auf den Factor bestätigt und anerkennt. Soweit diese Position nicht in den Verhandlungen mit dem Schuldner durchgesetzt werden kann, wird er durch entsprechende Regelungen im Forderungskaufvertrag mit dem Lieferanten darauf drängen müssen, dass dieser eo ipso eine rechtswirksame Übertragung der Forderung auf ihn ermöglicht und insoweit alle maßgebenden rechtlichen Erfordernisse erfüllt sind (z. B. etwaige Abtretungsbeschränkungen aufgehoben oder etwaige Formvorschriften eingehalten sind). Die letztgenannte Gestaltung setzt wiederum eine sorgfältige Analyse der maßgebenden rechtlichen Anforderungen im Vorfeld wie während der Laufzeit der vertraglichen Vereinbarung voraus. Das erfordert v. a. bei grenzüberschreitenden Sachverhalten eine entsprechende Steuerung und ein entsprechendes Risikomanagement des Factors. Gestaltet sich der Prüfungsaufwand als zu hoch oder als aufwändig, wird der Factor entweder seine Konditionen anpassen oder – soweit eine solche Anpassung gegenüber dem Schuldner bzw. Lieferanten wirtschaftlich nicht durchsetzbar ist – das einzelne Geschäft ablehnen müssen. Fazit den „Todesstoß“ für das Produkt als solches. Auch wenn man einzelne Kriterien des IDW für frag- oder gar kritikwürdig halten mag: Das Problem sind in der Praxis weniger die Regelungen zur bilanziellen Erfassung des Geschäfts, sondern vor allem unzulängliche, den Anforderungen der Rechnungslegung nicht hinreichend Rechnung tragende vertragliche Gestaltungen im Einzelfall. Hier ist zuvorderst anzusetzen. Die Praxis wird den Anforderungen von IFRS 9 bei der Vertragsgestaltung Inhalt: künftig ein verstärktes Der adäquate Einsatz von Modellen zur • Mindestanforderungen an die Validierung, prozessuale Aspekte, Umgang Abbildung von Risiken ist heute wichtiger Augenmerk denn je. Darüber schenken hinaus haben vor dem müssen, mit Modellrisiken, regulatorische ohne dass Hintergrund der jüngsten Finanz- und Anforderungen Schuldenkrisen sowohl die regulatorischen als auch die die ökonomischen Aufgabe Anfor- von Kreditportfolio- der Produktcha- und Marktrisiko- • Validierung von Rating-Verfahren, dies zugleich derungen an die Modellvalidierung sowie modellen sowie den Umgang mit Modellschwächen deutlich zugenommen. und -vorteile bedeuten muss. • Modellen für Kontrahentenrisiken rakteristika Das Buch vermittelt ausführlich die Aspekte des Modellrisikos Die Herausgeber Autoren: Um ihren Unternehmenskunden bei Risikomodellen Prof. Dr. Marcus R. W. Martin ist seit 2014 weiterhin und deren Validierung. Die nun vorliegende zweite, aktualisierte und erweiterte Auf- Technischen Hochschule Mittelhessen Professor für Finanzmathematik an der ein attraktives lage berücksichtigt hierbei Produkt die neuen regulatorischen Vorgaben. Es werden nunmehr Prüfungs- und Studiengangsausschusses (THM) in Friedberg und Vorsitzender des anbieten zu können, sowohl Ansätze zur Quantifizierung von des Masterstudien-gangs Business Mathematics. werden Modellrisiken Banken als auch und Beispiele zur Finanzdienstleister Aufsetzung einer vollständigen Modellgover- Dr. Peter Quell leitet die Entwicklung und sich nace behandelt. Dabei zeigt das Buch die Validierung von Marktpreis- und Kreditrisikomodellen die im Rechnungsle- Controlling einer gro- auf die Anforderungen Verfahren und Methoden zur Validierung für von Marktpreis- und Kreditrisiko, Kontrahentenrisiko und operationellen Risiken ßen deutschen Bank. gung bei sowie Liquiditätsrisiken ihren Kunden wirft einen Dr. Carsten S. Wehn leitet einer großen einstellen, ihr Produktangebovolle Hinweise für und die Praxis. das diesbezügliche Blick auf die regulatorischen Anforderungen. Darüber hinaus enthält es viele wertrung und verantwortet unabhängige deutschen Bank die Einheit Modellvalidie- Validierung von Bewertungs- und Risikomanagemenrisikos entsprechend und operationelle überprüfen Risiken. und Risikomodellen. Darüber hinaus leitet er die Einheit Controlling Risikotragfähigkeit • Grundsätzliche Aspekte des Modell- • Validierung von Modellen für operationelle Risiken und Liquiditätsrisiken Beratungs- und Aufsichtspraxis. Die Autoren sind Experten aus der Bank-, ggf. anpassen müssen. Art.-Nr. 22.496-1700 ISBN 978-3-86556-470-2 Bank-Verlag GmbH Wendelinstraße 1 I 50933 Quellenverzeichnis Postfach 45 02 09 I 50877 Kölnsowie weiterführende Literaturhinweise: Bardens, A./Geisel, A./Meurer, H./Kuhn, S., Reverse Factoring-Transaktionen nach IFRS, in: WPg 24/2015, S. 1281 ff. Compt, H./Maier, K./Vogel, R.: Bilanzielle Konsequenzen aus Reverse Factoring-Transaktionen. Vorschlag eines umfassenden Entscheidungsbaumes zur Klassifizierung von Verbindlichkeiten in der IFRS-Bilanz des Schuldners, in: RWZ 11/2016, S. 360 ff. Malzahn, C., IDW ERS HFA 48: Rechtliche Einordnung von Zahlungsversprechen des Abnehmers beim Reverse Factoring und ihre Folgen für die Bilanzierung, in: BB 2016, S. 1964 ff. Stumpf, W./Clausnitzer, S., Die Fortsetzung der Stellungnahme IDW RS HFA 9 zur Rechnungslegung – „Todesstoß“ für das Reverse Factoring, in: Finanzierung Leasing Factoring, 5/2017, S. 208 ff. Martin | Quell | Wehn | Modellrisiko und Validierung von Risikomodellen 2., überarbeitete und erweiterte Auflage Modellrisiko und Validierung von Risikomodellen Regulatorische Anforderungen, Verfahren, Methoden und Prozesse Zweite, überarbeitete und erweiterte Auflage Jetzt Marcus R. W. Martin | Peter Quell | Carsten S. Wehn (Hrsg.) bestellen Modellrisiko und Validierung von Risikomodellen Marcus R. W. Martin, Peter Quell, Carsten S. Wehn (Hrsg.) ISBN 978-3-86556-470-2 Artikel-Nr. 22.496-1700 79,00 € Die Ausführungen zum Reverse Factoring im nun veröffentlichten IDW RS HFA 48 (Tz. 129 ff.) bedeuten – entgegen der Sorge vereinzelter Stimmen in der Fachpresse – nicht Autor: Dr. Christian Malzahn, Direktor und Legal Counsel, Bayerische Landesbank, München. www.bank-verlag-shop.de medien@bank-verlag.de

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