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RISIKO MANAGER 08.2017

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44 RISIKO MANAGER 08|2017 Abb. 01 Abwicklung systemisch relevanter Banken in der Bankenunion Ja Ist eine Rekapitalisierung der Bank durch private Investoren möglich? Nein MPS, VB, BPdV, BPE Lösung außerhalb der BRRD und der EU-Regeln für staatliche Beihilfen Nein VB, BPdV, BPE Ist die Bank solvent? (EZB Entscheidung) Ja MPS Ja VB, BPdV, BPE Ist die Bank ausgefallen bzw. wird sie wahrscheinlich ausfallen? (EZB Entscheidung) Nein Sind die Bedingungen für die Ausnahme unter Artikel 32 BRRD erfüllt? Ja BPE Besteht öffentliches Interesse an einer Abwicklung? (SRB Entscheidung) Nein VB, BPdV Ja MPS Vorsorgliche Eigenkapitalhilfe durch Nationalstaat (Genehmigung der Europäischen Kommission) Abwicklung nach BRRD und nach den EU-Regeln für staatliche Beihilfen Insolvenz nach nationalem Recht (Beihilfen erfordern Genehmigung der Europäischen Kommission) MPS: Staatliche Rekapitalisierung durch den italienischen Staat BPE: Keine staatliche Beihilfe, Abwicklung durch Veräußerung an Banco Santander VB, BPdV: Insolvenz nach italienischem Recht, Liquidation mit Übertragung der gesunden Aktiva auf Banca Intesa Sanpaolo mit staatlicher Beihilfe Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an European Commission (2017d). ist zwar nachvollziehbar. Wenn sich jedoch wie im Fall Spaniens BPE innerhalb kurzer Zeit und trotz eines verbesserten konjunkturellen Umfelds Eigenmittel von mehr als 10 Mrd. EUR in Luft auflösen und die nationale Abwicklungsbehörde plötzlich einen Unternehmenswert zwischen -2 Mrd. EUR und -8.2 Mrd. EUR feststellt, erscheint die Bilanzbewertung grob falsch. Der Fall ist im Ergebnis von einer staatlich geduldeten und von Prüfern aufgrund von Interessenkonflikten gedeckten Insolvenzverschleppung kaum zu unterscheiden. Gerade angesichts der hohen Verschuldungsgrade im Bankensektor sind solch gravierende Bewertungsunterschiede nicht akzeptabel. Wenn die Eigenkapitalgeber der Banken als Folge dieser Unvorhersehbarkeiten endgültig das Vertrauen in externe Kontrollinstanzen verlieren, dürfte es anderen Instituten schwerfallen, privates Kapital aufzunehmen. Praxis der Abwicklung der spanischen BPE Im Fall der spanischen BPE ist die Bilanz des SRB ebenfalls keineswegs makellos. Zwar hat der SRB die Bank als ausgefallen eingestuft, ihre Eigenmittel abgeschrieben und sie dann „im öffentlichen Interesse“ mithilfe des Instruments der Unternehmensveräußerung auf Banco Santander S.A. übertragen ( Tab. 01).

Regulierung 45 Allerdings wurde dies mit einer verschlechterten Liquiditätssituation begründet, und geschah ebenfalls viel zu spät, wie die anschließende Gone-Concern-Bewertung zutage brachte. Das Arrangieren der Übernahme einer insolventen Bank durch eine solvente Großbank, häufig gepaart mit sanftem Druck oder heimlichen Vergünstigungen, gehörte bereits vor Einführung der BRRD zu dem gängigen Instrumentenkasten der Aufsicht. Insofern hätte es keiner Abwicklungsrichtlinie bedurft, um dieses intransparente, sich einer Kontrolle durch die Markteilnehmer entziehende Agieren hinter den Kulissen fortzusetzen. Da hierdurch Großbanken noch größer und komplexer werden, steht das Vorgehen ohnehin in Widerspruch zu dem Ziel der Überwindung des Too-Big-To-Fail-Problems. Zudem stellt sich die interessante Frage, welche Vorbereitungen der SRB für eine Abwicklung der BPE getroffen hatte, für den Fall, dass sich kein Käufer gefunden hätte. Da BPE den Stresstest 2016 selbst im adversen Szenario bestanden hatte, wäre es noch schwieriger gewesen als im Fall der MPS eine „vorsorgliche“ staatliche Eigenkapitalhilfe gemäß Artikel 32 BRRD zu beantragen. Präventivmaßnahmen versus politischer Druck Die ersten praktischen Beispiele seit Inkrafttreten der BRRD zeigen, wie wichtig es ist, frühzeitig einzugreifen, um eine weitere Verschlechterung der Finanzlage zu vermeiden, die Sanierungs- oder Abwicklungsmaßnahmen erschweren. Dieser Pflicht sind jedoch weder EZB noch SRB bis dato nachgekommen. Möglicherweise spielt hierbei das für Präventivmaßnahmen typische asymmetrische Chancen-Risiko-Profil eine Rolle. Während das Ergreifen unpopulärer Maßnahmen im Vorfeld ein hohes Konfliktpotenzial für die Entscheider birgt, ist die Aussicht darauf, für solche Maßnahmen belohnt zu werden, sehr gering, da verhinderte Probleme im Erfolgsfall naturgemäß als solche nicht erkennbar werden. Umgekehrt bietet eine akkommodierende Politik eine hohe Aussicht auf Zustimmung. Dabei ist das Risiko, im Nach- hinein für unterlassene Präventivmaßnahmen zur Verantwortung gezogen zu werden, als gering einzustufen, solange geltenden Regeln im Rahmen des Ermessensspielraums entsprochen wurde. Die Verlagerung nationaler Aufsichtskompetenzen auf EZB oder SRB wird kaum zu objektiv nachvollziehbaren und tatsächlich unabhängigen Entscheidungen führen. Es ist vielmehr zu erkennen, dass die Behörden bei der Wahrnehmung ihrer Mandate einer mindestens ebenso starken politischen Einflussnahme unterliegen wie die EZB bei der Ausübung ihrer Geldpolitik. Aufsichtliche Maßnahmen, die die Abwicklung eines systemisch wichtigen Instituts eines Landes vorsehen, haben nämlich sehr viel direktere und somit erkennbarere finanzielle Folgen für ein Land als geldpolitische Beschlüsse. Fazit Sehr lange haben nationale und supranationale Behörden auf Zeit gespielt und so die Lösung der Probleme systemisch wichtiger Krisenbanken in der EU und eine wirtschaftliche Erholung erschwert. Nun scheint die EZB endlich auf eine Bereinigung einiger der seit Jahren bekannten Fälle zu drängen. Statt jedoch konsequent Geist und Wortlaut der neuen Regeln für die Bankenabwicklung einheitlich anzuwenden, liefern die Aufsichts- und Abwicklungsbehörden und die Kommission durch willkürlich anmutendes Verhalten Beispiele für mangelnde Glaubwürdigkeit und Vorhersehbarkeit europäischer Institutionen und Rechtsnormen. Abb. 01 zeigt die unterschiedliche Behandlung der insolvenzgefährdeten Banken im Rahmen der Bankenunion dargestellt als Entscheidungsbaum. Wenn die neu geschaffenen Behörden bereits beim Umgang mit mittelgroßen Banken nicht in der Lage sind, ihren Pflichten nachzukommen, wird es ihnen bei den komplexen Bankengruppen vermutlich erst recht nicht möglich sein, die Abwicklungsfähigkeit herzustellen und eine Abwicklung unter Gläubigerbeteiligung auch tatsächlich durchzuführen. Dies gilt umso mehr, da nun Präzedenzfälle geschaffen wurden, auf die sich Gläubiger zukünftig abzuwickelnder Banken berufen werden. Quellenverzeichnis sowie weiterführende Literaturhinweise European Banking Authority (2016): Risk assessment of the European Banking System, December 2016. European Central Bank (2017a): ECB determined Banco Popular Español S.A. was failing or likely to fail, 7 June 2017. European Central Bank (2017b): ECB deemed Veneto Banca and Banca Popolare di Vicenza failing or likely to fail, 23 June 2017. European Commission (2013): Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen ab dem 1. August 2013 auf Maßnahmen zur Stützung von Banken im Kontext der Finanzkrise („Bankenmitteilung“) (2013/C 216/01). European Commission (2017a): Statement on Agreement in principle between Commissioner Vestager and Italian authorities on Monte dei Paschi di Siena (MPS) , 1 June 2017. European Commission (2017b): European Commission approves resolution of Banco Popular Español, S.A., 7 June 2017. European Commission (2017c): Commission approves aid for market exit of Banca Popolare di Vicenza and Veneto Banca under Italian insolvency law, involving sale of some parts to Intesa Sanpaolo, 25 June 2017. European Commission (2017d): How the EU rules apply to banks with a capital shortfall – Factsheet, 25 June 2017. Single Resolution Board (2017a): The Single Resolution Board adopts resolution decision for Banco Popular, 7 June 2017. Single Resolution Board (2017b): The SRB will not take resolution action in relation to Banca Popolare di Vicenza and Veneto Banca, 23 June 2017. Autoren Stefan Best, Diplom-Volkswirt, war Managing Director, Financial Institutions, bei der Ratingagentur Standard & Poor´s und ist Dozent an der Wiesbaden Business School, Hochschule RheinMain University of Applied Sciences. Prof. Dr. Oliver Read war im Bankensektor tätig und ist Professor für Finanzierung an der Wiesbaden Business School, Hochschule RheinMain University of Applied Sciences.

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