Aufrufe
vor 5 Jahren

RISIKO MANAGER 07.2018

  • Text
  • Banken
  • Risiken
  • Risiko
  • Risikomanagement
  • Unternehmen
  • Risikomanagements
  • Beispielsweise
  • Dissertation
  • Regulierung
  • Insbesondere
RISIKO MANAGER ist das führende Medium für alle Experten des Financial Risk Managements in Banken, Sparkassen und Versicherungen. Mit Themen aus den Bereichen Kreditrisiko, Marktrisiko, OpRisk, ERM und Regulierung vermittelt RISIKO MANAGER seinen Lesern hochkarätige Einschätzungen und umfassendes Wissen für fortschrittliches Risikomanagement.

12

12 RISIKO MANAGER 07|2018 weisen eben viel Struktur auf, die keiner Unsicherheit ausgesetzt ist und zur Risikobewertung ausgebeutet werden sollte. Insbesondere wird es möglich, das Risiko strikt in bekannte Faktoren (abgeleitet beispielsweise aus Vertragsbedingungen) und unbekannte (Markt, Gegenparteien) aufzuteilen, damit diese effizienter und genauer überwacht sowie gesteuert werden können. Gesellschaftliche Bedeutung der Forschungsergebnisse und deren Übersetzung in die ökonomische Praxis Wiewohl meine Arbeit theoretisch-konzeptioneller Natur ist, lässt sich die Brücke in die ökonomische Praxis leicht und schnell schlagen. Einerseits sind Finanzkrisen ein Belastungstest nicht für die Ökonomik und ihre Theorien alleine, sondern gerade auch für reale Finanzund Wirtschaftssysteme und damit für das gesellschaftliche Gefüge, sodass ein Beitrag zur systematischen Krisenaufarbeitung sowie zu Lehren aus der globalen Finanzkrise weit über akademische Zirkel hinaus bedeutungsvoll ist. Das gilt umso mehr, wenn andererseits die Resultate aus einer Forschungsarbeit direkt in ein Tool zur effektiven Prävention extremer Wertverluste überführt werden können, was auf den dritten Teil meiner Arbeit zutrifft. Die durch EXIST (ein Programm des deutschen Bundeswirtschaftsministeriums und der EU zur Unterstützung von Ausgründungen aus der Wissenschaft. Siehe www.exist.de) geförderte und in Mannheim ansässige LBRM GmbH, bei der ich zusammen mit zwei Mitgründern Gesellschafter bin, macht sich die Entwicklung eines solchen Instruments in Form einer Risikomanagementsoftware für Finanzdienstleister zur Aufgabe. Ziel ist es, in der IT-gestützten Lösung die oben kurz vorgestellten Charakteristika und herausragenden positiven Eigenschaften des Logik-basierten Risikomanagements (LBRM) [respektive LBR in Hoffmann 2017] gegenüber konventionellen Herangehensweisen zu manifestieren. Zur Sicherung des geistigen Eigentums, das noch nicht durch Patente geschützt ist, können an dieser Stelle weder Details des mittlerweile entwickelten Prototyps offenbart, der im Jahr 2018 mit Pilotkunden getestet wird, noch Konzeptmuster bereitgestellt werden. Der Wert einer solchen Risikomanagementsoftware für Finanzdienstleister ist immens, sofern sich die theoretisch validierten Ergebnisse und Vorzüge des Logik-basierten Risikomanagements in der Praxis bestätigen. Denn die Quantifizierung von Risiko gehört zu den wichtigsten Entscheidungsvariablen bei Anlageentscheidungen auf Finanzmärkten. Der hohe gesellschaftliche Wert der Implementierung meiner Forschung bleibt aber mitnichten auf Geschäftsopportunitäten zwischen der LBRM GmbH und ihren Partnern beschränkt, sondern wird in erster Linie durch folgende Punkte ausgedrückt respektive potenziert: » Da es die erklärte Vision der Gesellschafter ist, zunächst mit einer Software zur Extremrisikomodellierung für Banken den Grundstein zum nachhaltigen Aufbau eines großen Unternehmens zu legen, statt vorschnell einen Exit zu suchen, können wir bei Erfolg und der Gewinnung sowie Einbindung weiterer Talente das deutsche Start-up- Ökosystem auch fernab des Berlin- Hypes signifikant stärken. » Dadurch und durch die Kollaboration mit etablierten Firmen, um sie beim Meistern ihrer digitalen Herausforderungen, um sie bei der digitalen Transformation zu unterstützen, kann Deutschlands Position als digitaler Hub verbessert und weiter ausgebaut werden. Die Chancen auf Impact enden hier nicht und gehen über die Auswirkungen der Firmengründung respektive die Absichten und Ambitionen dahinter hinaus. Meine Dissertation selbst ist von hoher gesellschaftlicher Relevanz und das mindestens in einem dreifachen Sinn: » Volkswirtschaftlicher Impact: Anstatt mit meiner Forschung primär den Anstoß für allfällige Effizienzsteigerungen in Unternehmen durch Automatisierung und den Einsatz einer verbesserten Software zu geben, steht der Effektivitätsgewinn im Sinne akkuraterer Risikoaussagen und der Reduzierung der Gefahren aus ungenügenden Risikomodellen (Modellrisiko) im Vordergrund. Dies dokumentiert betriebswirtschaftlichen Wert, aber bietet ebenso einen bedeutenden volkswirtschaftlichen Nutzen, der dem besseren Verständnis von Systemrisiken durch meine Beiträge entspringt, was es dann (Banken oder Staaten etc.) erlaubt, diesen adäquater zu begegnen (etwa in Form von Mitigationsstrategien). » Sozialer Impact: Ich trete für sicherere Banken und stabilere Finanzsysteme ein, und meine Arbeit zeichnet in Form des Logik-basierten Risikomanagements einen konkreten Gestaltungsentwurf als Beitrag zur Realisierung. » Wissenschaftlicher Impact: Diese Dissertation begründet mit dem Programm „Logik-basiertes Risikomanagement“ ein neues Forschungsfeld, das sich aus der Kombination von Methoden und Ansätzen der Computer- und Finanzwissenschaft sowie der Philosophie speist. Dadurch werden viele weitere spannende Forschungsfragen aufgeworfen, deren Verfolgen und Beantwortung die Forschung und Praxis (beispielsweise white paper) bereichern. Beispielhaft genannt seien die folgenden Forschungsrichtungen: Weitere Illustrierung und Validierung des Logik-basierten Risikomanagements durch Fallstudien, Hinterfragen des Werts der Forschungsresultate für nicht-extreme/-systemische und/oder nicht-finanzielle Risiken oder Bereiche außerhalb der Finanzindustrie (etwa Rohstoffhandel) sowie Aufdeckung von Implikationen für be-

ERM 13 nachbarte Theorien wie die moderne Portfoliotheorie (die auf den Nobelgedächtnispreisträger Markowitz aus dem Jahr 1952 zurückgeht) etc. [siehe auch Hoffmann 2017; Kapitel 22]. Fazit und Ausblick Die Präsenz, wenn nicht gar die Prävalenz von Krisen ist in vielen Systemen nicht ungewöhnlich. Risikomanagement und die Finanzindustrie sind da keine Ausnahmen. Es folgt jedoch nicht, dass sie ineffektiv werden oder gar dem Untergang geweiht wären. Meine Doktorarbeit bereitete auf zweifache Weise den Weg für eine intellektuelle Revolution im Finanzrisikomanagement, vornehmlich was die Messung von extremen und systemischen Risiken sowohl laut der ökonomischen Theorie (Finanzwissenschaft) als auch in Banken anbelangt. Das erste negative Forschungsergebnis lautet, dass klassische Risikobewertungen, die auf statistischen Berechnungen basieren, nicht ausreichend strukturorientiert sind, während die Komplexität moderner Finanzsysteme genau das erfordert. In einem fundamentalen Sinn übt diese Arbeit ferner begriffliche Kritik am Zeitgeist, indem sie aufweist, dass die konventionelle Wahrscheinlichkeitstheorie für die Modellierung von extremen Risiken (im Bankenkontext) keine adäquate Grundlage stiftet. Mit dem zentralen Argument wird die Unzulänglichkeit regelrecht verklärter und idealisierter Methoden prägnanter und vor allem stichhaltiger vor Augen geführt als das kritisch geführte Diskussionen bis dato zu leisten vermochten. Zweitens zeigt meine Dissertation eine Strategie zur Überwindung der Mängel auf, indem sie ein elaboriertes Programm für eine grundlegende Neuausrichtung in der Extremrisikomessung propagiert, das sich für eine praktische Umsetzung empfiehlt. In meiner Arbeit selbst wird mein Plädoyer für symbolische und Logik-basierte Risikomodellierung anhand der Fallstudie der Kreditkrise von Long-Term Capital Management illustriert. Ich baue dabei auf die folgenden drei Grundideen: Zunächst operationalisiere ich die Messung von Extremrisiken für Banken, indem ich mich auf Risiken ihrer Finanzprodukte und -instrumente (Derivate wie Optionen, Swaps, Futures etc.) konzentriere und diese mithilfe einer Zerlegung in atomare Finanzkontrakte in einer Programmiersprache abbilde. Programme in dieser Sprache werden dann als sogenannte unsichere Sequenzen von Transaktionen interpretiert, die in einer Reihe von verschiedenen formalen Modellen zur Repräsentation von Ungewissheit und nicht bloß in Wahrscheinlichkeitstheorie gründen können. Während domänenspezifische Sprachen den Forschungsgegenstand der funktionalen Programmierung bilden und Modelle zur Messung von Ungewissheit im Rahmen der formalen Epistemologie erforscht werden, wurde das Potenzial, das aus ihrer Kombination resultiert, noch nicht erkannt respektive für quantitatives Risikomanagement fruchtbar gemacht. Die vorliegende Dissertation ist bemüht, diese eklatante Lücke zu schließen, zu weiterer innovativer Forschung auf diesem neuen Gebiet aufzurufen, und das Instrumentarium für die effektive Evaluierung von extremen finanziellen Risiken zu erweitern. In der Zukunft soll der Ansatz des Logik-basierten Risikomanagements theoretisch weiterentwickelt werden, um ihn zum anderen für den Bereich der Regulatorik anwendbar zu gestalten, der von noch größerem öffentlichen beziehungsweise politischen Interesse ist. Rahmenwerke wie Basel II, in denen noch das Value-at-Risk-Maß propagiert wurde, aber auch spätere Vorgaben haben sich in Teilen als mangelhaft herausgestellt und bedürfen der Revision. Das gilt gerade auch aus Bankensicht, die unter sehr hohen regulatorischen Kosten ächzen und sich mit zwar am Allgemeinwohl ausgerichteten, aber unzureichend konzipierten und umgesetzten Auflagen konfrontiert sehen. Ein Risikomanagement- und -regulatorik-Tool mit der Spezifizierung auf Stresstests, wofür der Ansatz des Logik-basierten Risikomanagements prädestiniert wäre, könnte hier Abhilfe schaffen und einen veritablen Impuls sowohl für einen Paradigmenwechsel in der Risikogovernance als auch zur Stabilisierung und Steigerung der Resilienz von Finanzsystemen geben. Quellenverezichnis sowie weiterführende Literaturhinweise: Bloomberg (2015): Goldman Sachs Hawks CDOs Tainted by Credit Crisis Under New Name. http://www.bloomberg.com/ news/articles/2015-02-04/goldman-sachs-hawks-cdos-tainted-by-credit-crisis-under-new-name (24/05/2018). FCIC (2011): The Financial Crisis Inquiry Report. Final Report of the National Commission on the Causes of the Financial and Economic Crisis in the United States. http://fcic-static. law.stanford.edu/cdn_media/fcic-reports/fcic_final_report_ full.pdf (24/05/2018). Hoffmann, C.H. (2017): Assessing Risk Assessment: Towards Alternative Risk Measures for Complex Financial Systems. Berlin: Springer. Lowenstein, R. (2002): When Genius Failed: The Rise and Fall of Long-Term Capital Management. New York: Random House. McKinsey (2017): The future of risk management in the digital era. https://www.mckinsey.com/~/media/McKinsey/ Business%20Functions/Risk/Our%20Insights/The%20future%20of%20risk%20management%20in%20the%20digital%20era/Future-of-risk-management-in-the-digital-era- IIF-and-McKinsey.ashx (24/05/2018). Moggi, E. (1991): Notions of Computation and Monads. Information and Computation, 93: 55–92. Sornette, D. (2009): Dragon-Kings, Black Swans and the Prediction of Crises. International Journal of Terraspace Science and Engineering, 2: 1–18. Spiegel (2010): Spiegel-Gespräch: Täter und Wächter sind identisch. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-69277656. html (24/05/2018). Wallstreet Online (2013): Kosten der Finanzkrise: Deutschland einer der größten Krisen-Verlierer. https://www.wallstreet-online.de/nachricht/6322659-kosten-finanzkrise-deutschland-groessten-krisen-verlierer (24/05/2018). Autor Dr. Christian Hugo Hoffmann, Mitgründer der LBRM GmbH sowie Postdoc am Lehrstuhl für Entrepreneurial Risks der ETH Zürich, wo er den Ansatz der algebraischen Risikobewertung im Hinblick auf das regulatorische Management von Finanzrisiken und speziell Stresstests in Banken verfeinert.

RISIKO MANAGER

 

Copyright Risiko Manager © 2004-2017. All Rights Reserved.