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RISIKO MANAGER 05.2019

RISIKO MANAGER ist das führende Medium für alle Experten des Financial Risk Managements in Banken, Sparkassen und Versicherungen. Mit Themen aus den Bereichen Kreditrisiko, Marktrisiko, OpRisk, ERM und Regulierung vermittelt RISIKO MANAGER seinen Lesern hochkarätige Einschätzungen und umfassendes Wissen für fortschrittliches Risikomanagement.

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6 RISIKO MANAGER 05|2019 gabe solcher Kredite leisten die Institute eine erhebliche Fristentransformation, und das resultierende Zinsspannenergebnis ist nach wie vor eine ihrer wichtigsten Ertragsquellen. In Österreich sind im Unterschied hierzu Baufinanzierungen mit variabler Verzinsung beliebt und weit verbreitet. Während deutsche Institute ihr Zinsrisiko mithilfe von Derivaten (z. B. Zinsswaps) steuern und begrenzen, dienen in Österreich Derivate nicht selten dazu, eine Fristentransformation aufzubauen, um einen vergleichbaren Zinsertrag erwirtschaften zu können. Die Bedeutung nationaler Sonderregelungen Auch wenn die resultierenden Zinsrisikopositionen eines deutschen und eines österreichischen Instituts sich in Summe ähnlich sein mögen, aus aufsichtsrechtlicher Sicht sind sie es nicht. Denn das deutsche Institut kann in der beschriebenen Konstellation die Aufrechnung von Zinsrisiken aus Krediten und Derivaten mit dem Sicherungszweck der Derivate begründen. Das österreichische Institut kann dies nicht ohne Weiteres. Denn ohne Sicherungszweck gilt der Grundsatz der Einzelbewertung – es sei denn, es können nationale Sonderregelungen oder Öffnungsklauseln genutzt werden. Im Fall der Einzelbewertung resultieren daraus spürbar höhere Kapitalanforderungen. In der Praxis ist der Trend zu erkennen, dass die Aufsicht die Einheitlichkeit der anzuwendenden Regeln einfordert. Aus Sicht österreichischer Institute kommt dann aber ggf. ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu kurz, die auch als ein Gesichtspunkt der Gleichbehandlung gesehen werden kann. Ausnahmen und Sonderregelungen sind zwar keine Seltenheit, aber hier mangelt es an Transparenz und Planbarkeit. In den beschriebenen Beispielen findet der SSM-SREP leider kaum Antworten auf strukturelle Schwierigkeiten der internationalen Vergleichbarkeit, die etwa aus den Besonderheiten lokaler Standards der Rechnungslegung oder aus historisch gewachsenen Gepflogenheiten erwachsen. Generell gilt, dass der SREP Fristentransformationen immer stärker reglementiert. Bereits in vergangenen Jahren führten Zinsrisiken, die im Rahmen der von LSI-Stresstest bzw. Niedrigzinsumfrage quantifiziert wurden, zu Kapitalzuschlägen. Meldewesen und LSI-Stresstest Das aufsichtliche Meldewesen ist eine wesentliche Datengrundlage für die Beurteilung durch die Aufsicht. Es hat sich mit atemberaubender Geschwindigkeit entwickelt. Aus Meldungen nach SolvV, LiqV, FinaV und GroMiKV sind Meldungen zu COREP, LCR, NSFR, ALMM, AE, FinaRisikoV, FinRep und AnaCredit geworden. Dabei sind Umfang und Komplexität dieser Einzelmeldungen explodiert – beispielsweise erfordern AE-Meldungen die Befüllung von ca. 1.200 Datenfeldern, bei FinRep sind es knapp 3.000 und bei ALMM sogar fast 7.000 Datenfelder. AnaCredit-Meldungen erfordern die Befüllung von ca. 95 Datenfeldern je Kredit-Obligo größer als 25.000 Euro. Auch in Säule 2 sind die Anforderungen mit dem ICAAP-Meldewesen enorm gestiegen; dieser Trend wird sich perspektivisch mit dem geplanten ILAAP-Meldewesen weiter fortsetzen. Aus einer bereits als aufwändig und komplex kritisierten Niedrigzins-Umfrage ist ein ausgewachsener LSI-Stresstest mit über 1.900 auszufüllenden Datenfeldern geworden. Die Institute müssen Auswirkungen vorgegebener Basis- und Stressszenarios auf ihre Gewinn- und Verlustrechnung sowie auf ihre Kapitalausstattung simulieren, und zwar mit einem dreijährigen Prognosehorizont. Zusätzlich muss der Wertberichtigungsbedarf anhand von PD- und LGD-Schocks (Probability of Default, Loss Given Default) untersucht werden, wobei die anzuwendenden Schocks von Forderungsklassen und Ratings abhängen. In einer barwertigen Sicht müssen Marktwertveränderungen durch Creditspread- und Zinsschocks sowie veränderte Haircuts simuliert werden. Dies ist mit hohem Projektaufwand verbunden, der von vielen Instituten nur mit externer Unterstützung bewältigt werden kann. Wenn die Berechnungen zukünftig stärker automatisiert werden sollen, sind erhebliche Infrastrukturinvestitionen nötig. Diese sind nur dann zu rechtfertigen, wenn die Methodik transparent und im zeitlichen Ablauf hinreichend konstant ist. An Transparenz fehlt es, wenn wichtige methodische Fragen in den Auslegungsspielraum fallen. Methodische Konstanz ist im Rückblick auf die letzten Jahre keine Stärke des Aufsichtsprozesses gewesen. Nach einer Pilotierungsphase für die LSI-Stresstest-Methodik mit ausgewählten Instituten im Zeitraum November 2018 bis Januar 2019 müssen alle teilnehmenden Institute die Erhebungsbögen im Zeitraum von April bis Mitte Juni 2019 befüllen und einreichen. Hieran wird sich eine Qualitätssicherungsphase bis Mitte August durch Bundesbank und BaFin anschließen, die auf Quervergleiche, Abgleiche mit Meldedaten sowie Top-Down-Modelle abstellt und dabei die Institute iterativ einbindet. Die Veröffentlichung der Ergebnisse ist für Mitte September 2019 vorgesehen. Kosten der Regulierung Abb. 01 zeigt die Verteilung des anteiligen Bedarfs an Mitarbeiterkapazitäten (MAK) für Regulatorik in Abhängigkeit von der Institutsgröße, und zwar im Vergleich der Jahre 2009 (grau) und 2019 (orange). Die Darstellung basiert auf einer Mandantenbefragung durch Berg Lund & Company. Unter Regulatorik werden hier MAK in den Organisationseinheiten Controlling, Rechnungswesen, Kreditsekretariat, Compliance, Revision sowie Sonderfunktionen für Datenschutz, Geldwäsche u. ä. verstanden. Bei größeren LSI ist der MAK-Bedarf für Regulatorik in den letzten zehn Jahren durchschnittlich um den Faktor vier bis fünf angewachsen. Bei kleinen LSI, deren relativer MAK-Bedarf für regulatorische Aufgaben schon damals höher ausfiel, ist im Mittel sogar ein Anstieg um den Faktor fünf bis sechs zu beobachten. Dieser rela-

Regulierung 7 Abb. 01 Verteilung MAK-Bindung für Regulatorik nach Institutsgröße Anteil MAK für Regulatorik [%] 50 40 30 20 10 0 50 250 500 750 1.000 1.250 1.500 tive Nachteil kleiner Institute verursacht erheblichen Konsolidierungsdruck, und zwar besonders im Sparkassen-Finanzverbund und bei den Volks- und Raiffeisenbanken, was ordnungspolitisch wohl auch beabsichtigt ist. Generell ist die Varianz der MAK-Verteilung bei Instituten ähnlicher Größe deutlich angewachsen. Unter dem regulatorischen Druck gelingt es nämlich einigen Instituten durch besonders vorausschauende und effiziente Organisation, einen differenziellen Vorteil gegenüber vergleichbar großen Instituten herauszuarbeiten. Bei anderen Instituten führen hingegen Versäumnisse und Ineffizienz zu überdurchschnittlichem Aufwand. Der recht steile Anstieg des relativen MAK-Bedarfs für Regulatorik bei Instituten mit weniger als etwa 500 MAK verdeutlicht die Herausforderungen, denen sich kleine LSI generell stellen müssen. Dabei sind Synergieeffekte, die sich zwischen solchen Instituten mithilfe ihrer Verbände ergeben, in der Analyse bereits berücksichtigt. Die Auswertung bezieht sich allein auf interne MAK der jeweiligen Banken. Finanzieller Aufwand für Projektbudgets, höhere Kosten für IT-Infrastruktur und -Dienstleister, Beiträge für Institutssicherungssysteme und die Bankenabgabe sind Gesamte MAK ebenfalls in erheblichem Maße angewachsen und kommen als regulatorische Belastungen hinzu. Fazit 2019 2009 Die beschriebenen Beobachtungen aus dem laufenden SREP-Zyklus lassen sich in Form von drei Thesen zusammenfassen, die die Regulierung den Institutionen beschert: Das Vorgehen der Aufsicht fokussiert zu sehr auf mechanische Modelle. Die Vereinheitlichung des SREP auf europäischer Ebene zielt vor allem auf die Einheitlichkeit der anzuwendenden kodifizierten Regeln. Die Perfektionierung finanzmathematischer Modelle und rigider Regelwerke dominiert dabei bankfachliche Erwägungen aufgrund regionaler und individueller Besonderheiten. Das Prinzip der Methodenfreiheit in Säule 2 wird zunehmend zu einer leeren Hülse, und die Regulierung macht selbst vor der Geschäftsautonomie nicht halt. Am Ende einer solchen Entwicklung droht die Entstehung einer Monokultur gleichgeschalteter Geschäftsbanken, worin ein neues systemisches Risiko liegt. Es mangelt an Transparenz und Planbarkeit. Obwohl die Aufsicht auf einheitliche Modelle setzt, müssen Institute regelmäßig hohen manuellen Aufwand für kurzfristig kommunizierte Anforderungen leisten. Beim LSI- Stresstest hat die Aufsicht ihre Methodik im Januar pilotiert und im April ausgerollt, sodass den Instituten nur ein Vierteljahr Vorlauf für Planung und Vorbereitung blieb. Ob nationale oder institutsspezifische Ausnahmeregelungen bei solchen Übungen Anwendung finden, klärt sich oft erst im Verlauf der Bearbeitung. Der Aufwand für Regulierung ist erdrückend. Kosten und Aufwand wachsen immer weiter an. Auch über ein Jahrzehnt nach der Subprime-Krise, die oft als ursprünglicher Auslöser für diese Entwicklung genannt wird, ist ein Ende der Zunahme neuer Anforderungen und Pflichten nicht in Sicht. Umgekehrt ist bei den Aufsichtsbehörden kein Bemühen erkennbar, eigene Redundanzen zu reduzieren oder Anforderungen regelmäßig auch nach betriebswirtschaftlichen Erwägungen zu priorisieren. Die Proportionalität für kleine Institute kommt in der Praxis kaum an. Quellenverzeichnis sowie weiterführende Literaturhinweise EZB (2019): „Die strategischen Leitlinien des Eurosystems und des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus“ – https:// www.bankingsupervision.europa.eu/about/mission-statement/the-strategic-intents/html/index.de.html. Autoren Dr. Tobias Sander, Senior Manager, Berg Lund & Company. Dr. Ingo Garczorz, Senior Partner, Berg Lund & Company.

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