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RISIKO MANAGER 05.2019

RISIKO MANAGER ist das führende Medium für alle Experten des Financial Risk Managements in Banken, Sparkassen und Versicherungen. Mit Themen aus den Bereichen Kreditrisiko, Marktrisiko, OpRisk, ERM und Regulierung vermittelt RISIKO MANAGER seinen Lesern hochkarätige Einschätzungen und umfassendes Wissen für fortschrittliches Risikomanagement.

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28 RISIKO MANAGER 05|2019 Keynotespeaker Dietmar Dahmen sprach über Innovation, Technologie und Management. „Reiten Sie den Hai“, lautet die Empfehlung von Dietmar Dahmen. „Dann kann er nicht beißen.“ Wirtschaft „gefühlt“ schlechter als real Dass Wirtschaft nicht nur auf Fakten beruht, sondern vielmehr auch Stimmungen mitspielen, verdeutlichte die Coface-Economistin mit einer Frage zur „gefühlten Wirtschaft“: An welcher Stelle sehen Sie Deutschland im Ranking der größten Volkswirtschaften weltweit? Mit dem Mehrheitsergebnis aus dem Saal (20 Prozent) für Platz 5 lagen die Kongressbesucher sehr gut. Tatsächlich ist es Platz 4. Eine Straßenumfrage in Europa hatte in Deutschland Platz 9 ergeben. Da liegt indes Italien, wobei sich die Italiener selbst auf Platz 69 einordneten. Diese Position ist allerdings an den Oman vergeben. Ganz pessimistisch sind die Spanier drauf. Gefühlt sind sie auf Platz 80, der Position vom Libanon. Tatsächlich sind sie auf Platz 14. Gefühlt läuft es wirtschaftlich also deutlich schlechter als in der Realität. So zeigten die Zahlen, dass sich die Länder Europas gerade deutlich stärker aufeinander zubewegten als in den letzten Jahren, speziell im Euro-Raum. „BIP und Inflation haben sich stark angeglichen“, stellte Christiane von Berg fest. „Auch in der Leistungsbilanz, vor allem mit Blick auf den Handel, haben viele Länder des Mittelmeerraums oder aus Zentraleuropa stark aufgeholt, sodass sich die Länder auch auf der Handelsseite mehr aneinander angeglichen haben. Tatsächlich sind die Unterschiede zwischen den Ländern also gar nicht so groß, und insgesamt geht es den meisten Ländern wirtschaftlich gut.“ Dennoch zeigten die Wahlumfragen, dass im neuen EU-Parlament der Bereich der Europaskeptiker deutlich zunimmt. Sie könnten demnach über 30 Prozent der Stimmen bekommen. Risikomanagement braucht Fehlerkultur Welche Rolle spielt das Risikomanagement in Zeiten der Informationsüberflutung und Digitalisierung? Dieser Frage gingen Experten bei einer Podiumsdiskussion beim Kongress Länderrisiken nach. Dass beim Begriff Risiko die Chance immer mitschwingt, ist für die Praktiker klar. Allerdings ist die Gewichtung oder Balance in den Unternehmen unterschiedlich. Am deutlichsten vielleicht zwischen Start-ups und etablierten Unternehmen. „Start-ups sehen erst einmal die Chancen und Herausforderungen“, weiß Vorstand Sascha Hellermann aus seiner Berufspraxis. Sein Unternehmen Cocus GmbH berät und begleitet Unternehmen unter anderem bei der Digitalisierung. „Das ist zunächst auch gut so, erst später kommen die Risikoaspekte hinzu.“ Das kennt auch Michael Spitz, Geschäftsführer von Main Incubator, einer Forschungs- und Entwicklungseinheit der Commerzbank. „FinTechs zum Beispiel sehen in der Regel die Chance bei sich, das Risiko bei der Bank.“ Diese Einstellung auf andere Unternehmen einfach zu übertragen, sei nicht so einfach und vielfach unmöglich. „Eine Bank als reguliertes Unternehmen und mit klar definierten Risiken ist da in einer ganz anderen Situation.“ Auch bei den Gründungen kommt früher oder später zur Vision das Thema Administration und Organisationsentwicklung dazu – und damit das Pendant zur Chance: der Umgang mit den Risiken. Dass ein etwas weiter gesteckter Rechtsrahmen für Start-

Fotonachlese 29 ups hilfreich sein könnte – eine Frage von Moderator Werner Schlierike, Redakteur bei hr-Info –, sieht Michael Spitz nicht. Der Rahmen in Deutschland sei schon okay. „Wir brauchen keine anderen Gesetze für Start-ups, ein anderes Bewusstsein und größere Risikobereitschaft bei den Geldgebern aber schon.“ Frank Romeike wies in dem Kontext darauf hin, dass Start-ups sehr wohl Chancen und Risiken abwägen und auch Risikomanagement betreiben. „Das beste Regulativ für Start-ups ist das Damoklesschwert des Scheiterns“, ergänzt der Risk- NET-Gründer aus eigenen Erfahrungen. Öfter mal auf Reset drücken Bei der Definition und Klassifizierung von Risiken rät Frank Romeike, die Frage zu stellen. „Was bereitet schlaflose Nächte oder echte Bauchschmerzen? Oft haben Manager viele kleine Aspekte auf dem Radar, aber nicht die strategischen Themen“, die Unternehmen an die Grenzen ihrer Risikotragfähigkeit bringen. Der Risikomanager wies darauf hin, dass es auch nicht die vermeintlichen schwarzen Schwäne sind, welche Unternehmen in eine Schieflage bringen würden, sondern die „bekannten Themen, die man ausblendet“, indem man entsprechende Frühindikatoren im Vorfeld ausblende – frei nach dem rheinischen Motto „Et kütt, wie et kütt“. „Man glaubt, das schon irgendwie in den Griff zu kriegen, und das klappt dann nicht“, so Romeike. Ursula Kretzschmar, CFO bei der Profine GmbH, bestätigt das: „Wir sollten Risiken nicht mit Angst begegnen und verharren, sondern als Chance zur Verbesserung begreifen.“ Sie rät dazu, „ab und zu den Reset-Knopf zu drücken, auch wenn es gut läuft oder zu laufen scheint“. Risikomanagement funktioniere im Übrigen nicht einfach mit Tools. „Das geht erfolgreich nur mit Menschen. Es ist sehr wichtig, die Mitarbeiter einzubinden, auch ein CFO darf nicht im Glaskasten sitzen, sondern muss mit den Leuten reden und die Prozesse zum Beispiel in der Produktion kennen.“ Den Perspektivwechsel hält auch Sascha Hellermann für wichtig. „Die Unternehmen müssen bereit sein, die Mindsets zu hinterfragen und auch zu verändern.“ Das sei entscheidender als die Technik. Man muss immer prüfen, welche Technik zum Unternehmen und seinen Prozessen passt. Einfach zum Beispiel auf Blockchain zu setzen, bringe nichts, wenn diese die nötigen Prozesse nicht besser abbilden und steuern könne. Wie Hellermann rät auch Michael Spitz davon ab, die Blockchain-Technologie einfach über alte Prozesse zu stülpen. Mit der Blockchain könne man besser an neue, neu gedachte oder entsprechend veränderte Prozesse herangehen. Dass die Blockchain-Technologie auch für das Risikomanagement relevant wird, zeigt das Ergebnis einer Live-Abstimmung: 75 Prozent der Teilnehmer beim Kongress Länderrisiken sehen das so. Wichtiger als die Technik bleibe aber die Risikokultur im Unternehmen, sagt Frank Romeike. „Und Risikokultur hängt untrennbar mit der Unternehmenskultur zusammen.“ Dazu gehö- Interessierte Zuhörer im Plenum. Rund 400 Gäste besuchten den Kongress in Mainz. Christiane von Berg, Regional Economist bei Coface für Nordeuropa, skizzierte aktuelle Konjunktur- und Länderrisiken.

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