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RISIKO MANAGER 05.2018

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26 RISIKO MANAGER 05|2018 lations“) ausgeschlossen werden können. Tab. 02 Instrument Regierungsqualität in den Euro-Staaten: Worldwide Governance Indicators 2016 Staaten WGI Insgesamt Mitsprache und Rechenschaftspflege Polit. Stabilität/ Abw. von Gewalt Effektivität der Regierung Regulatorische Leistung Herrschaft des Rechts Korruptionskontrolle Luxemburg 95,7 97 98 93 94 94 98 Finnland 95,5 99 81 97 97 99 100 Niederlande 94,0 99 78 96 99 97 95 Deutschland 90,2 95 71 94 96 91 94 Irland 89,5 94 77 88 95 90 93 Östereich 89,3 93 73 92 91 96 91 Belgien 85,5 96 61 87 88 89 92 * Estland 84,3 89 69 83 93 87 85 Portugal 83,7 86 88 86 76 85 81 Malta 83,0 88 90 77 85 82 76 Frankreich 79,7 82 44 90 83 89 90 * Slowenien 79,7 77 84 84 73 83 77 * Litauen 78,2 76 71 82 85 82 73 Zypern 77,2 83 66 78 83 75 78 Spanien 76,3 81 62 83 82 81 69 * Lettland 74,0 74 60 79 84 80 67 * Slowakei 72,5 75 67 76 79 75 63 Italien 67,5 79 58 72 75 61 60 Griechenland 58,2 69 42 63 59 59 57 Quelle: Weltbank Januar 2018. niedriger ist in der Tendenz die Arbeitslosigkeit oder anders formuliert: je schlechter ein Staat regieren wird, umso mehr leiden seine Bürger tendenziell unter hoher Arbeitslosigkeit. Wegen des konjunkturellen Einflusses auf die Arbeitslosigkeit ist der Zusammenhang etwas geringer. Aber immer noch werden zwei Drittel der unterschiedlichen Höhen der Arbeitslosigkeit durch die unterschiedlich hohe Regierungsqualität erklärt (R 2 = 0,64). Ebenso lässt sich ein Zusammenhang zwischen der Regierungsqualität und der Bildung der notleidenden Kredite in den Euro-Staaten belegen. Selbst unter Berücksichtigung des unterschiedlichen rechtlichen Umfelds der Banken in den Mitgliedstaaten, insbesondere bezogen auf Bilanzierungs- und Insolvenzregeln, zeigt sich wieder die negative Korrelation, und das Bestimmtheitsmaß erklärt immer noch mehr als die Hälfte der unterschiedlich hohen Bestände an faulen Krediten (R 2 = 0,57): In den gut regierten Euro-Staaten sind die faulen Kredite tendenziell niedrig, in den schlecht regierten häufen sie sich. Korrelation versus Kausalität Bei Korrelationen stellt sich immer die Frage nach einer tatsächlichen Kausalität, damit Scheinkorrelationen („Spurious Corre- Die Tatsache, dass von den 19 Euro-Staaten 14 in der Krise in der Regierungsqualität nachgelassen haben, macht deutlich, dass sie auch von wirtschaftliche Faktoren beeinflusst wird. Auf der anderen Seite ergibt eine Kontrollrechnung der historischen Regierungsqualität von 2007 mit den ökonomischen Variablen für 2016 ähnliche Ergebnisse wie oben: der Schuldenstand zeigt ein Bestimmtheitsmaß von R 2 = 0,66, die Arbeitslosigkeit R 2 = 0,56 und die faulen Kredite R 2 = 0,35. Das legt die Vermutung nahe, das der Einfluss der Regierungsqualität auf die ökonomischen Variablen weit stärker ist als umgekehrt.

Marktrisiko 27 Das scheinen auch einzelne Beispiele zu belegen. Seit Anfang 2016 gilt ein neues europäisches Abwicklungsregelwerk (Single Resolution Mechanism, SRM), das von der europäischen Abwicklungsbehörde (Single Resolution Board) anzuwenden ist, um Kreditinstitute abwickeln zu können, ohne die Finanzstabilität zu gefährden und die Steuerzahler zu belasten. Im Jahr 2017 kam es bei einer spanischen und bei drei italienischen Banken zu Schieflagen, während die spanische Bank in diesem Sinne zulasten der Eigentümer ohne Staatsbeteiligung abgewickelt – für einen Euro verkauft – wurde, gewährte der italienische Staat, für den neun Punkte weniger an Regierungsqualität ausgewiesen wird als für Spanien, für die drei italienischen Banken Staatsbeihilfen von 22,4 Mrd. Euro. Zuvor hatte die Abwicklungsbehörde festgestellt, dass es kein europäisches Interesse an einer Abwicklung gibt und die Banken nach italienischem Recht behandelt werden können. Damit hat sich die Staatsschuld Italiens weiter erhöht, und ein Teil der Eigentümer kam ohne Verluste aus der Sanierung. Immerhin diskutierte man in Italien die Arbeitsweise der dortigen Bankenaufsicht. Ein überzeugendes Beispiel für den Erfolg eines gut regierten Landes gibt Irland, das durch eine Immobilienkrise in die Finanzkrise schlidderte, sich stark verschuldete, aber allein zwischen 2014 und 2016 ohne die Gläubiger zu schädigen seine Staatsschuldenquote deutlich von 104,5 auf 72,8 zurückführte. Fazit und Ausblick Die Berechnungen mit der historischen Regierungsqualität und die Beispiele Italien und Irland legen es nahe, dass der Einfluss auf die wirtschaftlichen Ergebnisse weit überwiegend von der Qualität der Regierung ausgeht und nicht umgekehrt. Würde man nun den Forderungen einiger gut meinender Politiker folgen und einen erhöhten Finanztransfer in die Euro-Staaten mit schlechten wirtschaftlichen Größen durchführen, so müssten diese Transfers umso höher sein, je schlechter die Länder regiert werden, weil deren jeweilige wirtschaftliche Variablen vom Durchschnitt der Euro-Staaten am stärksten abweichen. Mit anderen Worten: Je schlechter ein Staat regiert wird, umso mehr Finanzmittel erhält er. Diese Finanzmittel werden dann in erster Linie in den Taschen der korrupten Eliten verschwinden und in zweiter Linie in den ineffizienten Verwaltungen zermahlen. Will man dagegen antieuropäische Entwicklungen – die die Ablehnung weiterer Integration beinhalten – vermeiden, so muss man Hilfestellungen geben, die die Qualität der Demokratie, die Effizienz der öffentlichen Verwaltungen, die Arbeit der Justiz und das Eindämmen der Korruption fördern. Hier sind also Maßnahmen gefordert, die sich auf die staatliche Ebene und die politischen Akteure der Mitgliedstaaten konzentrieren. Das fordert auch der Koalitionsvertrag: „Die demokratischen und rechtsstaatlichen Werte und Prinzipien [...] müssen noch konsequenter als bisher innerhalb der EU durchgesetzt werden.“ Das Vorgehen gegen Polen und Rumänien zeigten den richtigen Weg. Dazu zwei Beispiele. Wenn Frankreich neun Jahre die Vorschrift in Bezug auf das Haushaltsdefizit nicht beachtet und der Kommissionspräsident das nur kommentiert mit dem Hinweis, das sei eben Frankreich, dann belegt er damit, wie weit inzwischen auch „Brüssel“, sprich die Verwaltung der EU, balkanisiert ist und nicht als ein Vorbild für gute Regierungsqualität steht. In Griechenland wurde der Leiter des Hellenistischen Statistikamts, Andreas Georgiou, zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und zu 10.000 Euro Geldstrafe verurteilt, weil er die falschen Defizit- und Schuldenangaben korrigierte und die EU korrekt informierte. Weder das Europäische Parlament noch die Kommission noch die Mitgliedstaaten haben sich zur Verteidigung von Georgiou zu Wort gemeldet und klargestellt, dass nicht der Statistiker der Schuldige für die griechische Finanzkrise ist, und sie haben nicht klargestellt, dass sie die dahinterstehende Forderung der griechischen Justiz, dass ein guter Grieche natürlich die geldgebenden europäischen Staaten zu belügen hat, entschieden zurückweisen und eine Reform der griechischen Justiz hin zu einer Herrschaft des Rechts fordern. Nicht die Zuführung von Steuergelder der gut regierten Staaten in die schlecht regierten ist der richtige Weg, die Euro-Krise zu beenden und Europa weiter zu integrieren, sondern die kontrollierte Verbesserung der Regierungsqualität in den schlecht regierten. Die Europäische Union muss Maßstäbe für ihre Mitgliedstaaten entwickeln, die zum Beispiel bei der Korruptionsbekämpfung über OLAF (Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung) hinausgehen, im Rechtswesen Veränderungen herbeiführen, die Verwaltungsarbeit verbessern und die Demokratie fördern. Zu letzterem zählt beispielsweise auch die Verbesserung der innerparteilichen Demokratie, damit Parteivorsitzende nicht weitgehend alleine die Kandidatenlisten für Wahlen zusammenstellen. Das ist sehr schwer in einem Bund souveräner Staaten durchzusetzen. Aber nur dann darf es mehr Geld geben. Noch einmal zurück zu den obigen drei Beispielen. Da die schlecht regierten Staaten die vertraglichen Haushaltsdefizite nicht durchsetzen können und ihre Staatsschuldenstände nicht korrigieren können, muss die EU einen größeren Einfluss ausüben, damit diese Staaten ihre vertraglichen Pflichten erfüllen. Wenn der Koalitionsvertrag fordert, „die Jugendarbeitslosigkeit mit mehr Mitteln der EU (zu) bekämpfen“, so wird das nur dann zum Erfolg führen, wenn die Arbeitsmarktpolitik der schwach regierten Staaten stark verändert wird und die EU die Abwicklung überwacht oder selbst durchführt. Schließlich müsste das Single Resolution Board die Verantwortung für alle Banken übernehmen – insbesondere dann, wenn es zu der gemeinsamen Einlagensicherung kommt. Die EU-Behörden müssen, gedrängt von den Mitgliedstaaten, das Europäische Recht direkt durchsetzen. Der Erfolg ist damit aber immer noch nicht gesichert. In Griechenland hat man die Hilfestellung und Kreditgewährung an viele Reformen und Auflagen geknüpft. Aber wie das oben zitierte Urteil und der Rückgang des griechischen „Worldwide Governance Indicator“ der Weltbank zwischen 2007 und 2016 von 72,3 auf 58,2 also um 14,1 Punkte belegt, hat sich die Regierungsqualität stark verschlechtert. Man müsste daher echte Kontrollen durchführen, sie ernst nehmen und Konsequenzen ziehen. Autor Prof. Dr. Helmut Bujard, Schmalenbach Institut für Wirtschaftswissen schaften (WI), Fakultät für Wirt schafts- und Rechtswissenschaften, Technische Hochschule Köln.

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