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RISIKO MANAGER 04.2018

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28 firm Frankfurter Institut für Risikomanagement und Regulierung DCGK-Empfehlungen mehr als lästige Pflichtübung Interview mit Prof. Dr. jur. Gregor Bachmann, LL.M., Humboldt-Universität zu Berlin Der Deutsche-Corporate-Governance-Kodex stellt wesentliche gesetzliche Vorschriften zur Leitung und Überwachung deutscher börsennotierter Gesellschaften dar und enthält in Form von Empfehlungen und Anregungen international und national anerkannte Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung. So viel zum theoretischen Rahmen des Kodex, nachzulesen auf den DCGK-Seiten. Doch wie verhält es sich in der Praxis – knapp ein Jahr nach den Änderungen des Kodex? Die Redaktion von FIRM sprach mit Prof. Gregor Bachmann, LL.M., Humboldt-Universität zu Berlin, über Erwartungen, den Überarbeitungsbedarf sowie die mittelfristigen Entwicklungen des Kodex. FIRM-Redaktion: Seit April 2017 gelten die Änderungen des Deutschen-Corporate-Governance-Kodex, kurz DCGK. Dort ist viel von mehr Transparenz und Compliance die Rede. Erfüllt der geänderte Kodex aus Ihrer Sicht diese Erwartungen? Gregor Bachmann: Das hängt von der Erwartungshaltung ab, die man gegenüber dem Kodex hat. Manche Emittenten werden über die Neuerungen und den damit verbundenen Mehraufwand vielleicht klagen. Aber die Erwartungshaltung der Investoren geht eindeutig in diese Richtung, und die Kodex-Kommission hat sich ja auch bemüht, zwischen zum Teil noch weiterreichenden Forderungen und dem für die Unternehmen Machbaren einen vernünftigen Kompromiss zu finden. Das ist ihr aus meiner Sicht ganz gut gelungen. FIRM-Redaktion: Einige Kritiker aus der Praxis und Wissenschaft bemängeln eine Verrechtlichung des Kodex. Vermisst wird vor allem eine stärkere betriebswirtschaftliche Diktion und Struktur des Kodex. Würden Sie das bestätigen? Wo sehen Sie konkreten Überarbeitungsbedarf? Gregor Bachmann: Nein, das würde ich so nicht bestätigen. Wenn man den Kodex einmal neben die Paragrafen des Aktiengesetzes legt und mit diesem vergleicht, sieht man schon, dass der Kodex nicht nur eine wesentlich einfachere Sprache wählt, sondern auch anders strukturiert ist. Eine „Präambel“ mit wesentlichen Leitgedanken der deutschen Unternehmensverfassung etwa gibt es im AktG nicht, und ebenso fehlen dort Vorschriften über das „Zusammenwirken von Vorstand und Aufsichtsrat“, die für die Praxis sehr wichtig sind und im Kodex in Ziffer 3 gebündelt werden. Sicherlich kann man sprachlich und strukturell noch manches verbessern, aber Bedarf für eine Totalrevision sehe ich nicht. Die Kodex-Kommission steckt hier auch in einer Zwickmühle: Formuliert sie zu einfach, erhält sie Schelte von Juristen. Formuliert sie zu juristisch, hagelt es Kritik von anderer Seite. So gesehen ist die jetzige Lösung aus meiner Sicht passabel. Hilfreich könnte es vielleicht sein, optisch stärker deutlich zu machen, was im Kodex bloße Wiedergabe des Gesetzes ist und was darüber hinausgehende Empfehlungen oder Anregungen sind. Der österreichische Kodex könnte da Vorbild sein. FIRM-Redaktion: Apropos Compliance. Der Kodex sieht unter anderem die Konkretisierung eines Compliance-Management-Systems vor. Wird damit nicht eine weitere Insel im Organisationsumfeld aufgeschüttet, oder wie kann sich der Leser die Verzahnung des Systems mit dem Risikomanagement oder auch einem internen Kontrollsystem (IKS) vorstellen? Gregor Bachmann: Die seit 2017 ausgesprochene Empfehlung, ein Compliance-Management-System (CMS) zu etablieren, ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass das Compliance-Bewusstsein in einigen Unternehmen noch nicht klar genug ausgeprägt ist. Das wird durch immer neue Compliance-Fälle ja bestätigt. Insofern geht es der Kommission vor allem darum, die Bedeutung der Rechtstreue in den Unternehmen zu stärken und den Compliance- Verantwortlichen mit der neuen Empfehlung auch eine Hilfe an die Hand zu geben, etwa wenn diese – was durchaus geschieht – dort auf Widerstände stoßen. Das Erfordernis eines Risikomanagementsystems (RMS) wird im Kodex separat ausgesprochen. Die Frage, wie RMS, IKS und CMS zusammenhängen, lässt der Kodex bewusst offen. Sie wird vom Gesetz selbst auch nicht beantwortet, und der Kodex will den Unternehmen bei der Ausgestaltung dieser Systeme keine peniblen Vorgaben machen, sondern unternehmensspezifische Lösungen zulassen. Man mag Compliance als Teil des RMS ansehen, denn gravierende Rechtsverstöße stellen immer auch Risiken dar. Weil ein gravierender Rechtsverstoß aber nun einmal etwas anderes als ein schlechter Geschäftsabschluss ist, tut der Kodex gut daran, beide Bereiche getrennt zu adressieren. FIRM-Redaktion: Ein kurzer Exkurs in die Welt der Banken: Die Mehrzahl der Großbanken sind eher heterogen und international aufgestellt. Es hat den Anschein, als würde mit dem Thema Compliance sowie dem Ruf nach strengeren Sanktionen das komplexe Thema nicht zu Ende gedacht. Denn Menschen und Kulturen sind bekanntlich unterschiedlich. Muss Compliance und damit auch der DCGK diesen wichtigen Faktor nicht viel stärker berücksichtigen? Gregor Bachmann: Diese Frage sollte man in erster Linie dem Gesetzgeber und den Aufsichtsbehörden stellen, die die Banken – und übrigens auch die Versicherungen – seit der Finanzkrise mit immer

29 Ausgabe 04/2018 neuen Detailregelungen überziehen. Der Kodex verhält sich hier vergleichsweise zurückhaltend, weil er bewusst auf ein One-size-fitsall-Schema verzichtet. Es gab nach der Krise einmal die Überlegung, einen eigenen Bankenkodex aufzustellen, aber diese Idee konnte sich nicht durchsetzen. Das wäre denn wohl auch des Guten etwas zu viel. Im Übrigen muss man sehen, dass ein Großteil der Bankenregulierung heute auf internationalen Vorgaben beruht. FIRM-Redaktion: Ein Blick auf den Punkt der Vorstandsvergütung: Die damit zusammenhängenden Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen, sprich dem individuellen Fehlverhalten, des Topmanagements sind gut gemeint. Bleibt es aber an dieser Stelle nicht bei einem Papiertiger, wenn man sich die hohen Boni-Zahlungen in der Bankenwelt ansieht, trotz des vielfachen Fehlverhaltens der Entscheider? Gregor Bachmann: Das ist eine schwierige und seit langem kontrovers diskutierte Frage. Was die Vergütung anbelangt, muss man sehen, dass der deutsche und der europäische Gesetzgeber diese seit der Finanzkrise mehrfach schärfer reguliert haben, wobei für den Bankenbereich nochmals schärfere Regeln gelten. Der Kodex ergänzt dieses Regelwerk dann noch mit eigenen Empfehlungen, beispielsweise zur Begrenzung von Abfindungen. Das Problem steckt darin, dass sich bestimmte Vergütungshöhen international etabliert haben, und dass es für Aufsichtsräte schwer ist, dahinter zurückzubleiben. Allerdings könnte die Vergütung deutlich vereinfacht werden, was von institutionellen Anlegern auch immer stärker gefordert wird. Eine scharfe Haftung ist meines Erachtens als Antwort auf überzogene Vergütung ungeeignet. Besser wäre es, bei der überhöhten Vergütung direkt anzusetzen und beispielsweise Klauseln zu vereinbaren, nach denen bei Fehlperformance bestimmte Beträge zurückzuzahlen sind. Hier könnte der Kodex in Zukunft noch weiter gehen. Vorerst bleibt aber abzuwarten, wie der deutsche Gesetzgeber die neue Aktionärsrechtrichtlinie der EU umsetzt, in der unter anderem auch Vorgaben zur Vergütung enthalten sind. FIRM-Redaktion: Ein Ziel der Regierung ist es, die Frauenquote in den Führungsetagen der Unternehmen zu erhöhen. Nun soll im Lagebericht oder auf den Internetseiten des jeweiligen Unternehmens über das Erreichen oder Nichterreichen der Quote berichtet werden. Ist das in dieser Form zielführend, wenn man sich die dünne Frauenquote auf Entscheiderebene in deutschen Unternehmen ansieht?

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