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RISIKO MANAGER 03.2017

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40 RISIKO MANAGER 03|2017 Abb. 05 Konditionsbeiträge im Zeitverlauf Konditionsbeitrag in t = 1 Konditionsbeitrag in t = 2 Juni 2015 3.115 1.620 Juni 2016 3.450 1.830 hand verschiedener Veränderungen der Modellannahmen sowie der externen Einflüsse. Die bisherigen Ausführungen haben deutlich gemacht, dass der Anwender (in letzter Konsequenz der Vorstand, der die Modellannahmen und Parametrisierungen beschließen muss) bereits auf der Ebene konstanter Volumina zahlreiche Entscheidungen treffen muss. Handlungsleitend sollte für ihn dabei sein, dass das gewählte Konzept zur Kultur seines Instituts und zum Geschäftsmodell passt. Insofern ergeben sich vielfältige Berührungspunkte zum SREP und zum Konzept der Risk Governance. Gerade die aktuelle Entwicklung zeigt, dass die vor der Finanzkrise häufig zulässige Annahme konstanter Produktvolumina in der heutigen Zeit äußerst problematisch ist. Exemplarisch für die starken Verschiebungen in den Bankbilanzen, die insbesondere auf der Passivseite zwischen festverzinslichen und variabel verzinslichen Produkten stattgefunden haben, zeigt Abb. 06 die Entwicklung der Sichteinlagen privater Haushalte von 2004 bis 2014. Daher sei im Folgenden weiter analysiert, wie die drei Varianten der gleitenden Durchschnitte mit Volumenschwankungen umgehen. Zu diesem Zweck sei angenommen, dass es in dem Beispiel ein Jahr später (Juni 2016) zu einer Volumenzunahme von 50.000 € kommt. Wird diese Volumenzunahme ignoriert und an der Annahme des konstanten Volumens festgehalten, können Fehlimpulse in der Vertriebssteuerung erfolgen. Werden die zusätzlichen 50.000 € „einfach“ in die bisherige Struktur integriert, wird implizit unterstellt, dass auch das neue Volumen durch die bestehende Struktur der gleitenden Durchschnitte adäquat abgebildet werden kann. Konkret würde das für den hier zum Einsatz kommenden Zwei-Jahres-Gleitenden-Durchschnitt bedeuten, dass von dem neuen Volumen 25.000 € zum Zwei-Jahreszins vor einem Jahr und 25.000 € zum aktuellen Zwei-Jahreszins refinanziert werden können. Historische Zinsen stehen aber für aktuelle Refinanzierungen nicht zur Verfügung, sodass eine Treasury keine Chance hat, zu diesen Zinsen am Markt Geschäfte (zum Beispiel wenn eine konkrete Refinanzierung gewünscht wäre) abzuschließen. Eine wichtige Anforderung der Marktzinsmethode, die Möglichkeit zur tatsächlichen Umsetzung und Realisierung der kalkulierten Werte, wäre nicht erfüllt [Vgl. Schierenbeck/Lister/Kirmße 2014, S. 67]. a. Ausgleichszahlungen Eine Möglichkeit, das neu hinzukommende Volumen, welches nur mit aktuellen Zinsen bewertet werden kann, zu verrechnen, bilden Ausgleichszahlungen. Diese stellen die (abgezinste) Differenz zwischen dem aktuellen laufzeitadäquaten Zinssatz (hier dem Ein-Jahreszins) und dem historischen Zins der entsprechenden Tranche (hier dem Zwei-Jahreszins vor einem Jahr) dar. Im Ergebnis gewährleisten Ausgleichszahlungen, dass die mittels der klassischen Abb. 06 Entwicklung der Sichteinlagen privater Haushalte Methode der gleitenden Durchschnitte bestimmten, aber nicht realisierbaren Konditionsbeiträge durch Einmalzahlungen zwischen Vertrieb und Treasury kompensiert werden [Vgl. Fleckenstein/Fritz/ Odendahl/Schlüter 2015, S. 14]. Dieser Steuerungsimpuls ist methodisch zuerst einmal sachgerecht, denn die Methode korrigiert zum Zeitpunkt ihres Auftritts die Fehlbewertung, die aus der Annahme resultiert, historische Zinssätze stehen zur Disposition zur Verfügung. Allerdings ist bezüglich der Korrektur des Vertriebsergebnisses kritisch zu hinterfragen, ob die Volumenschwankungen tatsächlich auf konkrete Vertriebs- und damit Akquisitionsleistungen zurückzuführen sind. Gerade bei den hier betrachteten variablen Produkten werden viele Volumenschwankungen auch durch Dispositionen der Kunden ausgelöst, auf die ein Vertriebsmitarbeiter keinen oder höchstens geringen Einfluss hat. Dies ist für die korrekte Erfassung und den Ausweis von Vertriebsergebnissen dann besonders problematisch, wenn es sich um große oder zumindest größere Volumenschwankungen handelt, die zu starken Schwankungen der Vertriebsergebnisse und entsprechenden Akzeptanzproblemen führen können. Firmenkundensegmente sind hiervon stärker betroffen als Privatkundensegmente. Für die Treasury resp. konkreter die Zinsrisikosteuerung liefert das Konzept der Ausgleichszahlungen korrekte Steuerungsimpulse. Mithin basieren auch alle Modellrisiko „Volumenschwankungen“ Bargeld und Sichteinlagen derprivaten Haushalte in rd.EUR 1.110,2 1.023 922,7 801,4 831,6 740,4 553,6 560,4 578,1 599,5 512,9 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014

ERM 41 darauf aufbauenden Steuerungsmaßnahmen auf einer korrekten Datenbasis. b. Replikationsportfolio Die möglichen vertrieblichen Fehlsteuerungsimpulse der Ausgleichszahlungen für den Vertrieb leiten über zum Verfahren des dynamischen Replikationsportfolios. Dieses Verfahren zielt ebenfalls darauf ab, Volumenschwankungen adäquat zu bewerten. Es versucht aber durch seinen periodenspezifischen Fokus, die Mängel stark schwankender Vertriebsergebnisse bei im Zeitablauf großen Volumenschwankungen zu vermeiden. Zunächst werden die variablen Produkte äquivalent zur klassischen Methode der gleitenden Durchschnitte abgebildet. Der Grundgedanke des Modells ist weiter, dass Volumenveränderungen über ein separates Portfolio, welches mit aktuellen Marktzinsen bewertet wird, integriert werden. Im konkreten Fall wird das hinzukommende Volumen von 50.000 €, bewertet zu aktuellen Konditionen, auf den Altbestand „aufgesetzt“. Der resultierende Bewertungszins für den Gesamtbestand entspricht dann einem Mischzins aus Alt- und Neubestandsbewertung. Abb. 07 verdeutlicht die Bewertung mittels des dynamischen Replikationsportfolios. Wird auf diese Weise das hinzugekommene Volumen mittels aktueller Zinssätze bewertet, ergibt sich ein periodischer Konditionsbeitrag für das Gesamtvolumen von 150.000 € von 5.278 €. Würde der Volumenaufbau in das bisherige Schema der gleitenden Durchschnitte integriert, ohne zu berücksichtigen, dass historische Zinssätze nicht realisiert werden können, ergäbe sich ein Konditionsbeitrag von 5.175 €. Dieser niedrigere Konditionsbeitrag ist die Folge aus den veränderten Marktzinssätzen. Im Jahr 2015 belief sich der Zwei-Jahres-Zins auf -0,24 Prozent, während der heutige (2016) Ein- Jahres-Zins mit -0,65 Prozent deutlich darunterliegt. Auf Basis aktueller Konditionen bewertet, ergibt sich, ein gleicher Kundenzins unterstellt, ein höherer Konditionsbeitrag und eine größere Marge aufgrund der gesunkenen Marktzinssätze. Der Impuls in der Vertriebssteuerung fällt positiv aus und reflektiert das aktuelle Marktzinsniveau. Denkbar wäre natürlich auch, dass die Bank die gesunkenen Marktzinsen an den Kunden in Form einer Senkung des Kundenzinses weiter gibt. Wäre ein Passivprodukt betrachtet worden, hätten sich genau die entgegengesetzten Effekte eingestellt. Das Replikationsportfolio hätte – bei gleichen Kundenkonditionen – die gesunkene Ertragskraft aufgrund der gesunkenen Marktzinssätze zum Ausdruck gebracht oder anders formuliert, würde diese Korrektur nicht stattfinden, würde das klassische Modell die Ertragskraft der variablen Produkte überschätzen. Folgt man der Argumentation, dass Volumenschwankungen bei variablen Produkten weniger auf aktive Verkaufsleistungen des Vertriebs, sondern eher auf Entscheidungen der Kunden zurückzuführen sind, dann ist die periodische, den Bestand in den Vordergrund stellende Sichtweise des dynamischen Replikationsportfolios sachgerechter. Dies gilt in besonderem Maße für den gezeigten massiven Aufbau von variabel verzinslichen Produkten auf der Passivseite der Bankbilanzen (Sichteinlagen und Spareinlagen). Dieser Aufbau kann schlechterdings als Vertriebsleistung interpretiert und bewertet werden, sondern ist schlicht und ergreifend auf die aus Sicht der Kunden mangelnde Attraktivität anderer Anlageprodukte zurückzuführen. Insofern sollte im Vordergrund die Frage der Vermeidung von Pricing- resp. Konditionierungsfehlern stehen und weniger die Diskussion, ob ein periodischer oder barwertiger Abb. 07 Dynamisches Replikationsportfolio Juni 2015 1. Jahr 2. Jahr 2-J-Zins vor 1 Jahr 2-J-Zins heute Altbestand 100.000 EUR Integration 50.000 EUR Ausweis von Vertriebsergebnissen geeignetere Steuerungsimpulse liefert. Losgelöst von der betriebswirtschaftlich richtigen resp. sinnvollen Vorgehensweise kann auch noch die Frage der methodischen Vorgehensweise zur Kalkulation der periodischen Ergebnisse diskutiert werden. Statt das Konzept des dynamischen Replikationsportfolios neu zu implementieren, könnte alternativ überlegt werden, ob es nicht einfacher ist, die barwertigen Ausgleichszahlungen wieder zu periodisieren, insbesondere dann, wenn ein Institut schon über Techniken zur Kalkulation von Ausgleichszahlungen verfügt, diese aber aus den oben genannten Gründen nicht einsetzt oder nutzt. Eine Frage scheint bei allen Vorteilen des dynamischen Replikationsportfolios aber ungeklärt: das Backtesting. Im Gegensatz zum klassischen Konzept der gleitenden Durchschnitte mit der Idee der konstanten Marge führt das dynamische Replikationsportfolio durch das Beimischen von aktuellen Zinssätzen zu schwankenden Margen. Wie kann getestet werden, ob das ursprünglich gewählte Mischungsverhältnis korrekt und die Schwankungen nur auf Veränderungen bei den Volumina zurückzuführen sind? Zumindest dürfte der Nachweis komplizierter werden. Kompliziert werden dürfte auch das Nachhalten der Mischungsverhältnisse, da sich das laufende An- und Abbauen von Portfolios aufwendiger gestaltet. Auch stellt sich die Frage, wie die Juni 2016 1. Jahr 2. Jahr 2-J-Zins vor 1 Jahr 2-J-Zins heute 1-J-Zins heute 2-J-Zins heute

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