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RISIKO MANAGER 02.2017

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46 RISIKO MANAGER 02|2017 Abb. 03 Vertragliche Dokumentation Im Rahmen der vertraglichen Dokumentation stellen sich für die Marktteilnehmer komplexe und vielschichtige Fragestellungen: Vorhandener Altvertrag Großzügige Regelungen zu u. a. óó Freibeträgen, óó Mindesttransferbeträge, óó ggf. einseitige Verträge, óó Verspätete Abwicklung Zahlreiche große Markteilnehmer bieten kleineren Kontrahenten je nach Ausgestaltung des Altvertrags nur eines der beiden möglichen Szenarien an und hoffen somit Preis- und Bewertungsvorteile zu erzielen. Quelle: Eigene Darstellung. Unternehmen B gegen Unternehmen A) abzudecken ist. Von diesen Ausnahmetatbeständen für das Intragruppengeschäft zu unterscheiden sind die Vorgaben zur gruppenweiten Bewirtschaftung der Schwellenwerte für den Austausch von VM und IM. Hier geht es nicht um die Risikotragfähigkeit der Gruppe, sondern um die Verhinderung von Umgehungssachverhalten. Sie könnten beispielsweise aus der strategischen Verteilung des für die Schwellenwerte maßgeblichen Derivate-Nominals auf verschiedene Gruppenangehörige resultieren. Allerdings stellt sich dieses Problem nur bei Gruppen unter einheitlicher Leitung, was wiederum nahelegt, den Gruppenbegriff für die Schwellenwerte, unterhalb derer keine Sicherheiten ausgetauscht werden müssen, auf vollkonsolidierte Konzernunternehmen zu beschränken. Denn die Mitglieder institutsbezogener Sicherungssysteme entscheiden autonom über den Abschluss ihrer Derivatetransaktionen. Umsetzungsmaßnahmen Existierendes ISDA Master Agreement oder dt. Rahmenvertrag Szenario 1: Vertragliche Trennung Lösung: Weiterer Besicherungsvertrag für Neugeschäfte. Vorteil: óó Bestandsschutz für Altvertrag Nachteil: óó Systemseitige Trennung notwendig óó Geringere Nettingeffizienz óó Größerer Aufwand in täglicher Bearbeitung Szenario 2: Einheitlicher Vertrag Lösung: Weiterer Besicherungsvertrag für Neugeschäfte. Vorteil: óó Kein Umbau an IT-Systemen óó Höhere Nettingeffizienz óó Weniger Aufwand in täglicher Bearbeitung Nachteil: óó Verlust des Altvertrags Aufgrund der neuen gesetzlichen Anforderungen an die Besicherung müssen die Marktteilnehmer das Vertragswerk entsprechend den neuen Vorgaben anpassen. Hierbei geht es vor allem um die bereits etablierten Besicherungsanhänge (BSA) unter dem deutschen Rahmenvertrag (DRV) und den Credit Support Annex (CSA) unter dem ISDA Master Agreement (ISDA MA). Die neuen Besicherungsvereinbarungen bauen jeweils auf dem zugrunde liegenden Rahmenvertrag auf, weisen inhaltlich jedoch erhebliche Unterschiede zu den heutigen Versionen der Besicherungsvereinbarungen auf. Die anstehende Aufgabe der vertraglichen Re-Dokumentation zieht größere Anpassungen nach sich. Bereits mittelgroße Marktteilnehmer benötigen knapp 100 neue oder angepasste Besicherungsvereinbarungen. Schätzungen des Fachverbands ISDA gehen davon aus, dass pro Monat und pro Mitarbeiter in der Rechtsabteilung nur zehn bis 15 Verträge bearbeitet werden können. Dies und die Tatsache, dass der BSA zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht finalisiert worden ist, werden vermutlich dazu führen, dass nur einzelne Kontrahenten mit neuen Verträgen ausgestattet werden können und somit der Marktzugang zumindest vorübergehend am Beginn der Besicherungspflicht eingeschränkt sein wird. Darüber hinaus ist ungewiss, wann die entsprechenden Netting-Gutachten erstellt werden können, da aufgrund des bekannten BGH-Urteils (Referenz: Bundesgerichtshof, 09. Juni 2016, Az. IX ZR 314/14) zum Netting die Insolvenzordnung bis Ende 2016 angepasst werden wird. Weiterhin stellt sich für jede Vertragsbeziehung die Frage, ob der Altvertrag modifiziert oder ein entsprechender Neuvertrag abgeschlossen werden soll. Mithin bedeutet dies, ob vorteilhafte Altvereinbarungen für die Bestandsgeschäfte fortbestehen können oder ein einheitlicher Vertrag für alle Bestandswie Neugeschäfte gelten soll ( Abb. 03). Nach Verhandlung und Abschluss der neuen vertraglichen Dokumentation führt vor allem die schnellere Abwicklung der Sicherheiten zu Anpassungen beim Collateral Management für OTC-Derivate. Erfolgte der Austausch der Margin Calls und deren Bearbeitung in der Vergangenheit einen Tag vor dem Austausch der Sicherheiten (t+1 Abwicklung), werden künftig beide Arbeiten an einem Tag stattfinden müssen (t+0 Abwicklung). Hierbei sind insbesondere die Schlusszeiten für Überweisungen in den jeweiligen Währungen zu beachten. Dies wird in der Praxis dazu führen, dass bei Existenz von Alt- und Neuverträgen die Verträge mit kurzer Abwicklungsdauer zuerst bearbeitet werden müssen und anschließend erst die vorhandenen Altverträge. Insbesondere die vertragsseitige Trennung von Alt- und Neugeschäft fordert die IT-Systeme. Dies betrifft vor allem die korrekte Berechnung der Netting-Sets und die Ermittlung der Eigenmittelunterlegung. Zahlreiche Banken planen, die Identifikation der Geschäfte und deren Zuordnung zu den entsprechenden Besicherungsvereinbarungen bereits im Handelssystem vorzunehmen und entlang der weiteren Systeme bis ins Rechnungs- und Meldewesen weiterzureichen. Vertraglich vorgesehen ist weiterhin die Möglichkeit der Aufrechnung von gegenläufigen Zahlungen aus Alt- und Neuvertrag. Damit sollen mögliche Gegenparteiausfallrisiken (die sog. Herstatt-Risiken) begrenzt werden. Die unterschiedliche Valuta kann zu Anpassungen bei den Abwicklungssystemen führen, da eine Zusammenführung von verschiedenen Zahlungen aus unterschiedlichen Bearbeitungstagen vorgenommen werden muss. Zahlreiche Marktteilnehmer werden diese Option zumindest

Regulierung 47 zu Beginn der Besicherungspflicht nicht aktiv anbieten und implementieren. Darüber hinaus wird der Verzicht auf hohe Mindesttransferbeträge und Freibeträge sowie die Pflicht zur täglichen Berechnung zusätzlich zu einem Anstieg der Sicherheitenanforderungen und damit dem täglichen Aufwand im Collateral Management der Bank führen. Die neuen Besicherungsanforderungen haben weiterhin Einfluss auf die Bepreisung von OTC-Derivaten, da die Besicherung und damit einhergehende Effekte auf die Diskontierung neuer Marktstandard sind. Kontrahenten, die von der Besicherung ausgenommen sind und diese nicht freiwillig vornehmen, sowie Kontrahenten ohne Möglichkeit zur Besicherung (NFC-) werden für Geschäfte ohne Besicherung entsprechende Risikoaufschläge und Aufschläge für die Besicherungskosten aufwenden müssen. In der Vergangenheit haben zahlreiche Marktteilnehmer begonnen, diese Effekte zu berücksichtigen. Dies wird häufig unter dem Stichwort „Funding Value Adjustment“ (FVA) diskutiert. Die neue Besicherung wird durch eine Verringerung des unbesicherten Wiedereindeckungsrisikos (Variation Margin) und künftig auch durch die Abdeckung des potenziellen Wiedereindeckungsrisikos (Initial Margin) positive Effekte auf Kontrahenten bezogene Preisanpassungen, wie u. a. „Credit Value Adjustment“ (CVA) und „Debt Value Adjustment“ (DVA), haben. Die einzelnen Effekte werden sich jedoch deutlich von Institut zu Institut unterscheiden. Ausblick Insbesondere vor dem Hintergrund, dass zur Erfüllung der Anforderungen aus der Initial Margin künftig vermehrt Wertpapiere als Sicherheiten gestellt werden und zahlreiche Kontrahenten per Gesetz nur Barmittel im begrenzten Umfang vorhalten können (u. a. Kapitalanlagegesellschaften), ist zu erwarten, dass zahlreiche Banken die aktuell nicht genutzte Verwendung von Wertpapieren als Sicherheiten neu bewerten werden. Hierbei sind insbesondere die Auswirkungen auf die Abwicklungs- und Collateral-Management-Systeme, vor allem aber die Auswirkungen auf das Rechnungs- und Meldewesen erheblich. Eine Umsetzung der entsprechenden Anforderungen sollte somit mit ausreichend Zeitpuffer kalkuliert werden und nicht erst zum Beginn der Initial-Margin-Pflicht (in der Regel 1. September 2020) abgeschlossen sein. In jedem Fall ist eine frühzeitige Bewertung der Auswirkungen in Bezug auf die Prozesse und Organisation sowie die IT-Systeme vorzunehmen. Zahlreiche Softwareanbieter planen aktuell Lösungen zur weiteren Automatisierung der Margin-Call-Übermittlung und -Zustimmung sowie der Initial-Margin-Berechnung. Diese neuen Technologien eröffnen die Möglichkeit, langfristig den stark steigenden Arbeitsaufwand im Collateral Management zu verringern. Jedoch sind hierbei vor allem in Bezug auf die IT-Sicherheit und die Integration in die vorhandene Anwendungslandschaft noch zahlreiche offene Fragen zu beantworten. Perspektivisch bietet dies jedoch die Möglichkeit, nach Umsetzung der neuen Anforderungen, eine Optimierung vorzunehmen und die Kosten zu begrenzen. Der Umfang an besicherungspflichtigen Produkten wird in der Zukunft weiter durch die Clearingpflicht und die Möglichkeit zum freiwilligen Clearing beschnitten werden. Aktuell besteht die Möglichkeit zum Clearing nur für ausgewählte OTC-Derivate wie Zinsswaps, Forward Rate Agreements und Kreditderivate. Jedoch hat die ESMA als zuständige Aufsichtsbehörde bereits in der Vergangenheit angedeutet, dass weitere Produktgruppen wie Swaptions, Non-Deliverable Forwards oder Cross Currency Swaps künftig auf die Clearingpflicht hin überprüft werden. Hierzu passt, dass die führenden europäischen Clearinghäuser eine Kooperation mit der Abwicklungsplattform der CLS-Bank in New York (Continuous Linked Settlement) geschlossen haben. Dies ermöglicht künftig die Abwicklung von großen Fremdwährungszahlungen ohne Erfüllungsrisiko und schafft damit die Voraussetzung zum Clearing von FX-Produkten und Cross Currency Swaps. Im Ergebnis führt dies zu einer Reduktion der ungeclearten OTC-Derivategeschäfte. Jedoch wird es ungeclearte und damit besicherungspflichtige Produkte weiterhin geben, da für zahlreiche Produktvarianten keine eindeutige Preisfeststellung möglich ist (z. B. Produkte mit simulationsbasierter Preisfeststellung) oder die Verfügbarkeit von Marktdaten ein Problem darstellt (z. B. Clearing von OTC Optionen). Schließlich wird mit der Finalisierung von Basel III (von den Banken auch als „Basel IV“ bezeichnet) eine neue Standardmethode zur Eigenmittelunterlegung von Gegenparteiausfallrisiken bei Derivategeschäften eingeführt. Mit der neuen Methode (Standard Approach for Counterparty Credit Risk, SA-CCR) können alle erhaltenen und gestellten Sicherheiten berücksichtigt werden. Anerkannte Aufrechnungsvereinbarungen gewinnen damit an Bedeutung. Der neue Standardansatz stellt jedoch hohe Anforderungen an die Verfügbarkeit von Vertragsparametern im Meldewesen, die vorher nur für das Collateral Management verwendet worden sind. Es ist zu erwarten, dass der SA-CCR mit der Ende 2016 anstehenden Überarbeitung der „Capital Requirements Regulation“ (CRR II) weitgehend in europäisches Recht übernommen wird. Damit kommen diese Anforderungen zeitlich noch vor Beginn der Initial-Margin-Pflicht – das heißt 2018 – zur Anwendung. Ein aktives und auf Optimierung ausgerichtetes Management der Sicherheiten ist zentraler Bestandteil der Banksteuerung und wird zukünftig an Bedeutung gewinnen. Die Einheit stellt sicher, dass die Sicherheiten zum richtigen Zeitpunkt, in angemessener Höhe und Qualität für den jeweiligen Verwendungszweck zur Verfügung stehen und die damit verbundenen Kosten für das Institut niedrig gehalten werden. Quellenverzeichnis sowie weiterführende Literaturhinweise: ESMA (2016): Draft Commission Delegated Regulation of 4.10.2016 supplementing Regulation (EU) No 648/2012 of the European Parliament and of the Council on OTC derivatives, central counterparties and trade repositories with regard to regulatory technical standards for risk-mitigation techniques for OTC derivative contracts not cleared by a central counterparty. ISDA (2016): ISDA WGMR Implementation Initiative; https:// www2.isda.org/functional-areas/wgmr-implementation. Autoren: Christian Rump, CFA, Manager, Ernst & Young Wirtschaftsprüfungsgesellschaft GmbH. Dr. Silvio Andrae, Deutscher Sparkassen- und Giroverband (DSGV). Dr. Jan Rosam, Executive Director, Ernst & Young Wirtschaftsprüfungsgesellschaft GmbH.

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